Plagiatsverfahren gegen Bildungsministerin Uni verdammt Schavan zum Warten

Die Uni Düsseldorf hat das Verfahren gegen Annette Schavan eröffnet, die Ministerin könnte ihren Doktortitel verlieren. Damit zieht sich die Affäre in die Länge - und der Plagiatsverdacht belastet die CDU-Politikerin weiter.
Plagiatsverfahren gegen Bildungsministerin: Uni verdammt Schavan zum Warten

Plagiatsverfahren gegen Bildungsministerin: Uni verdammt Schavan zum Warten

Foto: dapd

An der überladenen Pinnwand, direkt hinter den grellgelben Stahltischen hängt ein Angebot: Auf einem DIN-A4-Blatt im Querformat bewirbt ein Lektor seine Dienste, mit dem Slogan: "Verleihen Sie Ihrer Abschlussarbeit den letzten Schliff!" Es ist eine Offerte, die Annette Schavan vor gut 30 Jahren wohl geholfen hätte.

Wenige Meter entfernt, in Raum 53 des Gebäudes 25.22 der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, tagt am Dienstagnachmittag das Gremium, das nun berufen ist, Schavans Dissertation den womöglich allerletzten Schliff zu verleihen. Es geht um nicht weniger als den Verdacht eines Plagiats, den Doktorgrad der Bundesbildungsministerin und um die Ehre einer Politikerin, die ausgerechnet über das Thema "Person und Gewissen" promoviert hat.

Angestellte einer Sicherheitsfirma weisen den Weg, durch rot geflieste Flure, in denen Neonlicht von der Decke strahlt, vorbei an Stahlbetonstreben in einen kahlen Raum. Hier möge man nun warten, zwischen vier und sechs Stunden werde es aller Voraussicht nach dauern, bedeutet ein Sprecher der Hochschule, bis der aus 15 Personen bestehende Rat der Philosophischen Fakultät eine Entscheidung getroffen habe.

Es wird dann 20.31 Uhr, bis Bruno Bleckmann, Dekan der Philosophischen Fakultät, endlich vor die Mikrofone und Kameras tritt. Er gibt nur ein kurzes Statement ab und verkündet schließlich eine Entscheidung, die Schavan zu weiterem Abwarten verdammt: Das Hauptverfahren gegen die Ministerin werde eröffnet.

14 Ratsmitglieder stimmen für das Verfahren, es gibt eine Enthaltung

Im Frühjahr sei in der Öffentlichkeit der Vorwurf erhoben worden, dass sich in der Promotion Schavans "substantielle Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten" befänden. Dem habe die Fakultät nachgehen müssen, so Bleckmann. Nach einer Vorprüfung habe das Gremium am Dienstag "ausführlich über den Sachverhalt diskutiert" und schließlich darüber abgestimmt, ob das Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrades eingeleitet werden solle, sagt der Professor für Alte Geschichte.

Das Plagiatsverfahren: Der Fakultätsrat entscheidet

Das Plagiatsverfahren: Der Fakultätsrat entscheidet

Foto: Universität Düsseldorf

Mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung habe sich der Rat schließlich in geheimer Abstimmung für ein solches Vorgehen ausgesprochen. Die Prüfung erfolge nun "ergebnisoffen" und "ohne Ansehen der Person und ihrer Position", so Bleckmann. Der Fakultätsrat wird sich am 5. Februar wieder mit der Sache befassen.

Zu Details und einigen zentralen Punkten sagte er allerdings nichts, auch Nachfragen ließ er nicht zu. Wird das Gremium jetzt also neue Gutachten anfordern? Schließlich lautet ein Vorwurf, die Uni habe sich nur auf ein einziges, internes Gutachten gestützt. Bleckmann erklärt lediglich, der Fakultätsrat werde sich in den kommenden Wochen mit den "Unterlagen des Promotionsausschusses und der Stellungnahme der Betroffenen auseinandersetzen".

Wie der Fall Schavan die Wissenschaft spaltet

Damit geht die Plagiatsaffäre in eine weitere Runde, der Ausgang bleibt offen. Und selbst wenn der Fakultätsrat sich entschließt, der Ministerin den Titel zu entziehen, kann Schavan dagegen klagen - was sie wohl auch täte. Sie hat die Vorwürfe immer bestritten und angekündigt: "Ich werde kämpfen." Ein solcher Rechtsstreit könnte sich aber über Monate hinziehen.

Noch stärken ihr das Kanzleramt, ihre Partei und ihr Wahlkreis den Rücken. Allerdings könnte sich das im Bundestagswahlkampf ändern: Eine Wissenschaftsministerin unter Plagiatsverdacht, ein anhängiges Verfahren - immer wieder würde die Opposition das aufgreifen. Eine differenzierte Debatte wäre kaum mehr möglich. Schavan, die ruhige Gewissenhafte, könnte zur Belastung werden.

Aber nicht nur die politische Dimension macht dieses Plagiatsverfahren zu einem außergewöhnlichen, sondern auch die Reaktionen der Wissenschaftsgemeinde: Wortmeldungen, Vorwürfe, Unterstellungen - unter Forschern und Funktionären ist der Streit eskaliert, einige haben sich überraschend weit vorgewagt. Viele kritisieren zum Beispiel, wie sich führende Wissenschaftsorganisationen und die Hochschulrektorenkonferenz einmischten und gegen die Uni Düsseldorf schossen - und das nur wenige Tage vor der Sitzung an diesem Dienstag.

"Unangebracht", findet das die Plagiatsexpertin, Informatikprofessorin und VroniPlag-Aktivistin Debora Weber-Wulff. Auch Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, verurteilte die Einmischung: "Statt die Hochschule unter Druck zu setzen, sollten alle Beteiligten den Fakultätsrat seine Arbeit verrichten lassen." Der Berliner Juraprofessor Gerhard Dannemann sagte im "Deutschlandfunk", der Vorstoß der Wissenschaftsorganisationen sei auch dadurch zu erklären, dass die Organisationen finanziell abhängig seien von Schavans Ministerium.

Verbandspräsident Kempen legte Schavan außerdem kaum verklausuliert den Rücktritt nahe: Schon die Einleitung eines Entzugsverfahrens tue dem Amt des Bundesbildungsministers nicht gut, Schavan müsse über Konsequenzen nachdenken. Es wäre überraschend, wenn in den kommenden Tagen nicht ähnliche Forderungen von den Berliner Oppositionsparteien zu hören wären.

Doch nicht alle Promotionsverfahren geraten in Düsseldorf an diesem Dienstag zur Hängepartie. Während der Fakultätsrat zur Causa Schavan tagt, feiert nur wenige Meter entfernt eine frisch gebackene Doktorin der Biologie ihren eben erworbenen Abschluss. Bei Sekt und Häppchen versichert die eben Geprüfte, dass sie ihre Arbeit "wirklich ganz alleine" erstellt habe.

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