Gastbeitrag zur Exzellenzinitiative Keine Wettbewerbe mehr!

Uni Hamburg: "Exzellenz hat nichts mit Elite zu tun" (Dieter Lenzen)
Foto: UHH/DichantDer Exzellenz-Wettbewerb geht zu Ende. Er hat eine katalysatorische Funktion für viele Hochschulen gehabt, die sich auf einen Weg der inneren Integration gemacht haben. Aber er hat auch Verlierer hinterlassen. Sie sind häufig nicht schlechter als die Gewinner, sondern konnten nur in geringerer Zahl auftreten. das gilt besonders für kleinen Universitäten, in denen die Größe des Potentials der schieren Masse hochqualifizierter, in Verbünden vereinter Wissenschaftler an Großuniversitäten unterlegen war.
Insofern war es vielleicht ein Fehler, eine überdurchschnittliche Forschungsstärke einer Hochschule zur Voraussetzung für die Chance zu machen, in der dritten Förderlinie ein Zukunftskonzept zum Erfolg zu führen, dass ja auch in den erfolgreichen Universitäten nur ein Versprechen auf die Zukunft gewesen ist.
Leider ist dieser Umstand oft verwischt worden: In der dritten Förderlinie wurden erfolgreiche Universitäten als "Elite-Universitäten" tituliert, was sie gar nicht sein wollten. Exzellenz ist etwas anderes als Elite. Und ihre Qualität konnten sie erst im weiteren Verlauf der inneren Umstrukturierung aufgrund ihrer Zukunftskonzepte unter Beweis stellen.
"Harvardians" als Gutachter
Die zu größtenteils aus den USA kommenden externen Gutachter des Wissenschaftsrats haben diese Konzeptionen nicht immer verstanden. Das deutsche Universitätswesen war ihnen völlig fremd. Und sie blickten nicht selten mit den Augen von "Harvardians" auf deutsche Universitäten, die, schon allein aufgrund ihrer um das 40-fache kleineren Finanzierung keiner Ivy-League-Universität das Wasser reichen können.
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Ich habe inzwischen an weit mehr als ein Dutzend Anhörungsprozessen teilgenommen und registriert, dass auch die Qualität der Gutachter unterschiedlich war, wenngleich die überwiegende Zahl, insbesondere der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgewählten Gutachter zweifellos als exzellent zu bewerten war. Vielleicht waren sie nicht immer fachlich passend, wenn ich etwa an eine Anhörung in der Erziehungswissenschaft denke, an der fast kein Erziehungswissenschaftler beteiligt war.
Aus heutiger Sicht ist zu fragen, ob die Förderlinie der Graduiertenschulen eine gute Idee war. Die Gutachter verwechselten das Konzept jedenfalls häufig mit den Graduate-Schools in den Vereinigten Staaten, mit denen schon aus hochschulrechtlichen Gründen die deutschen gleichgenannten Einrichtungen keinerlei Ähnlichkeit haben können. Die damit beabsichtigte erfolgssichere Betreuung von Doktoranden hat große Vorteile, aber die deutschen Universitäten werden darauf achten müssen, dass eine Individualpromotion bei einem großen Historiker, Philosophen oder Anglisten nicht zur zweiten Klasse erklärt wird, weil sie nicht im Rahmen einer Graduiertenschule stattfindet.
Und was die Cluster betrifft: Sie haben die große Chance mit sich gebracht, die außeruniversitären Einrichtungen, die sich bester Finanzierung erfreuen, näher an die Universitäten heranzurücken, sodass eine weiterer Schritt in Richtung Teilfusion durchaus überlegt werden kann. Dabei muss nicht Karlsruhe als einziges Muster gelten. Es wird jedenfalls erforderlich sein, die Außeruniversitären in einem Atemzug mit den benachbarten "Mutter"- Universitäten nennen zu können, weil nur dadurch eine Vergleichbarkeit deutscher Wissenschaft mit internationalen Einrichtungen, die das außeruniversitäre Prinzip nicht kennen, gewährleistet werden kann.
Wie muss es weitergehen: Wir brauchen ein Wettbewerbsmoratorium. In den nächsten zehn Jahren darf es solche Großwettbewerbe nicht geben, weil die Universitäten sich nicht selten entweder fast "zu Tode gesiegt" oder an den Rand der Erschöpfung "geantragt" haben.
Das Grundgesetz muss geändert werden
Jetzt muss Planungsruhe und Konsolidierung der Erfolge eintreten. Dieser Umstand deutet auch auf ein Defizit des deutschen Systems: Die Grundfinanzierung der Universitäten reicht in der Regel überhaupt nicht mehr aus, um weitere Antragsverfahren überhaupt erfolgreich inszenieren zu können. Die Fortfinanzierung der erfolgreichen Einheiten muss gesichert werden, durch die Universitäten allein ist das völlig ausgeschlossen.
Hier ist der Bund gefragt. Schon allein deswegen muss das Grundgesetz geändert werden, damit die Einrichtungen, die ja die "Cluster" künftig sein werden, überhaupt weiter gefördert werden dürfen. Und: Die deutsche Wissenschaft in den Universitäten, aber auch den Fachhochschulen, steckt voller ungehobener Potentiale, voller Kreativität und individueller Möglichkeiten, deren Chancen aber deswegen gering sind, weil Personen, Einrichtungen und Projekte sich entweder in kleinen Hochschulen oder kleinen Teileinheiten größerer Hochschulen befinden, teilweise sogar in außeruniversitären Wissenschaftsbereichen.
Die Republik kann es sich nicht leisten, diese kleineren Einheiten zur "zweiten Garnitur" verkommen zu lassen, sondern die nächste große Welle muss die Förderung der Potentialbereiche enthalten und dieses unter Bedingungen von Transparenz, unter Relativierung des "Klumpenprinzips" und im Vertrauen auch auf die Exzellenz einzelner.
Aber vor allem muss eines klar sein: Exzellenz hat nichts mit Elite zu tun, denn wenn diese Synonymität nicht ausgeräumt werden kann, besteht das Risiko, dass das Exzellenz-Paradigma von den Erinnerungen an die deutsche Geschichte eingeholt wird.
Dieter Lenzen, 62, ist Erziehungswissenschaftler, war lange Professor an der FU Berlin und führte sie 2007 auf einen Spitzenplatz im Exzellenzwettbewerb. Seit 2010 ist er Präsident der Uni Hamburg, die im Exzellenzwettbewerb beim Rennen um Mittel aus der dritten Förderlinie vorzeitig ausschied.