Universität Heidelberg Wikipedia-Eintrag statt Hausarbeit

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Foto: Jens Büttner/ dpa"Hausarbeiten sind eine Qual. Für die Studenten. Und für die Dozenten": Christoph Tipker, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Lehrerbildung der TU Braunschweig, hat auf SPIEGEL ONLINE dafür plädiert, Hausarbeiten abzuschaffen.
An der Uni Heidelberg haben manche Studenten bereits die Wahl: Wikipedia-Eintrag statt Hausarbeit. Diese Möglichkeit bietet Friederike Elias, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Weber-Institut für Soziologie, gemeinsam mit dem Philosophiedozenten Christian Vater.
Ihr Antrieb: ein Leistungsnachweis, der praxisrelevanter ist. "Die wenigsten Studenten bleiben in der Wissenschaft", sagt Elias. Vater und sie suchen im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs nach neuen Wegen in der Wissenschaftskommunikation.
Pro: Forschungsstand ist auch bei Wikipedia relevant
Tipker argumentierte hingegen mit dem Arbeitsaufwand - und dem geringen Ertrag: Die Lehrkräfte müssten sich durch Dutzende Arbeiten lesen, die inhaltlich und stilistisch selten substanziell und gut sind, die Studenten quälten sich mit bis zu acht Hausarbeiten pro Semester, die ihnen selten mehr brächten als Punkte für einen Leistungsnachweis.
Für Elias hat hingegen beides einen Mehrwert: Als Autoren für die Online-Enzyklopädie müssten die Studenten wie bei einer Hausarbeit den Forschungsstand erarbeiten, Relevantes von Irrelevantem trennen und alles in eine sinnvolle Form bringen.
Was bei der Online-Enzyklopädie allerdings wegfalle, sei die Erarbeitung einer eigenen Meinung zum Thema. Da die schriftliche Argumentationsfähigkeit eine wichtige Kompetenz sei, ist Elias nicht dafür, Hausarbeiten komplett abzuschaffen. In ihrem Seminar hätten die Studenten ohnehin die Wahl.
Kontra: Üben, üben, üben. Das gehe nur durch Hausarbeiten
Wer sich für die Wikipedia entscheide, bekomme in einer begleitenden Übung die Voraussetzungen vermittelt, technisch und formal, erläutert Elias. Das Thema bestimmten die Studenten wie bei einer Hausarbeit selbst.
Erika Thomalla, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fach Deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität, sieht den Wikipedia-Eintrag als Ersatzleistung zur Hausarbeit hingegen kritisch. Begriffe zu definieren und zu erklären sei nicht mit der Erarbeitung einer eigenen Fragestellung zu vergleichen, argumentiert sie.
Studenten müssten das wissenschaftliche Arbeiten immer und immer wieder üben. Thomalla spricht sich vehement gegen Tipkers Vorschlag aus, Hausarbeiten gleich ganz abzuschaffen. Die Studenten erlernten durch das Zitieren, Einordnen und Bewerten Techniken, die sie auch fernab einer wissenschaftlichen Laufbahn benötigten.
Öffentlichkeit als Motivation
Allerdings sagt sie, dass die Prüfungsordnung überarbeitet werden müsse, wenn Studenten wie von Tipker beschrieben bis zu acht Hausarbeiten pro Semester schreiben müssten. Das sei weder den Studenten noch den Professoren zuzumuten.
Thomalla schätzt zudem den geschützten Raum, den eine Hausarbeit den Studenten biete. Elias hingegen sagt: "Es ist motivierend, nicht nur für sich selbst, sondern für eine breite Öffentlichkeit zu schreiben." Die Resonanz der Wikipedia-Community könne sich zudem positiv auf die Note auswirken, sagte Philosophiedozent Vater dem Deutschlandfunk . Allerdings seien Wikipedianer sehr streng in ihrem Urteil, ob ein Artikel lesenswert sei.
Ob mit Prädikat oder ohne: Laut Elias ist die Ausstattung der Universitäten ideal, um Artikel für die Wikipedia zu verfassen. Die Studenten verfügten stets über den neuesten Forschungsstand - und könnten der Bevölkerung damit etwas zurückgeben.