Proteste nach harter Mathe-Klausur Durchfallquote 94 Prozent

Prüfungsstress: Massenhaft fielen Studenten in Köln durch die Mathe-Klausur
Foto: Andreas Lander/ picture-alliance/ dpaSolche Durchfall-Quoten gab's an der Uni Köln noch nie: Von den 374 Studenten, die im Wintersemester an der Mathematik-Vorlesung für Lehramtsstudenten teilgenommen hatten, bekamen gerade einmal 22 auf Anhieb ihren Schein. Sagenhafte 94 Prozent haben das Seminar zunächst nicht bestanden - weil sie einfach zu schlecht gewesen seien und nicht ausreichend gelernt hätten, argumentierte die zuständige Dozentin später. Und weil 69 von ihnen überhaupt nicht zur Klausur angetreten waren. "Das ist bei weitem die schwächste Generation, die ich bisher hatte", sagte die Gastprofessorin dem "Kölner Stadtanzeiger". Die Klausur zeige die immensen Wissenslücken der angehenden Grundschul- und Sonderpädagogiklehrer.
Das allerdings sehen die Betroffenen anders. "Die Klausur war hammerschwer, das war richtig ungerecht", sagt Lisa, die ihren richtigen Namen nicht nennen will, "dabei wollen wir Lehrer werden, nicht Mathematiker." Das Fach sei von den meisten nur als Nebenfach belegt worden, jetzt werde "auf unfaire Art ausgesiebt". Sie selber gehört ebenfalls zu den Durchfallern - und gibt die Schuld am schlechten Abschneiden der Dozentin, die als Vertretungsprofessorin in Köln lehrte: "Das war didaktisch ein Desaster."
Atmosphärische Störungen
Immer wieder habe die Kursleiterin die Studenten abgekanzelt: "Ihr habt nicht mal das Niveau der fünften Klasse!" Oder: "Sie haben ein ziemlich beschränktes Denken." Mit solchen Antworten habe sie Nachfragen der Studenten rüde abgebürstet. Die Dozentin selber allerdings verweist auf ihr Engagement, etwa für ein zusätzliches Tutorium - was die Studenten ausdrücklich bestätigen. Trotzdem sei die Atmosphäre im Hörsaal "unterirdisch" gewesen, heißt es in der Fachschaft. Erzählt wird etwa die Geschichte einer Studentin, die die Dozentin per E-Mail um mehr konkrete Beispiele gebeten hatte. Die Kursleiterin habe daraufhin die E-Mail mit Namensnennung vorgelesen und sich über Rechtschreibfehler mokiert, zu den inhaltlichen Wünschen aber nicht geäußert.
Der Ärger war so groß, dass sich sogar Eltern einschalteten: Luise Morschel, selbst Ausbilderin von Referendaren und Mutter einer betroffenen Studentin, formulierte zusammen mit ihrem Mann, einem Mathematiklehrer, einen offenen Brief ans nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium. "Wenn 94 Prozent meiner Schüler eine Klassenarbeit nicht schaffen würden, wäre das selbstverständlich, dass sie nicht angerechnet werden könnte", sagt Luise Morschel, "die Dozentin hat es didaktisch und methodisch nicht verstanden, den Lernstoff rüberzubringen." Für eine Stellungnahme war die Mathematikdozentin nicht erreichbar, im Dekanat der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät hieß es auf Anfrage nur: "Frau P. arbeitet nicht mehr für uns, wir haben mit ihr nichts mehr zu tun."
Proteste der Studenten haben Erfolg
Ungewöhnlich genug: Schon kurz nach der Klausur hatte sich auch Uni-Sprecherin Merle Hettesheimer zu Wort gemeldet und auf die "doch außergewöhnlich hohe Quote" von Durchfallern reagiert. Normalerweise liege der Anteil der erfolgreichen Klausurschreiber bei zwei Drittel bis drei Viertel, auch im aktuellen Fall bestehe die Möglichkeit, bei einem Wiederholungstermin einen neuen Anlauf zu starten. Die Ergebnisse dieser zweiten Klausur liegen mittlerweile vor - trotzdem haben nunmehr nur insgesamt rund hundert Studenten bestanden.
Nachdem die Betroffenen eine Unterschriftenaktion gestartet und den Asta eingeschaltet hatten, lenkte die Universität nun ein. Die Mathe-Vorlesung wird außer der Reihe auch im kommenden Sommersemester angeboten, ein "erfahrener Mathematik-Didaktiker" werde die Veranstaltung leiten. Wie der Prorektor für Lehre und Studium, Stefan Herzig, mitteilte, wurden zwischen Dozenten, Fakultät und Studentenvertretern zuvor intensive Gespräche geführt. "Uns ist es wichtig, dass der Lernerfolg sichergestellt und dabei eine unnötige Verlängerung der Studienzeit verhindert wird", so Herzig. Dazu wäre es nämlich gekommen, wenn der nächste Mathe-Kurs erst wieder im Wintersemester stattgefunden hätte.
"Die derzeitige Lösung ist nicht optimal, aber ein Schritt in die richtige Richtung", reagierte Philipp Schubert vom Asta-Vorstand auf die jetzt gefundene Lösung: "Es muss nun zeitnah an den Inhalten der Veranstaltungen gearbeitet werden. Zusätzlich müssen endlich didaktische Weiterbildungskurse für Lehrkräfte verpflichtend werden." Und Anna Schultz, Projektleiterin im Politikreferat des Asta, betont, dass es nicht um eine Senkung der Leistungsstandards gehe: "Eine gute mathematische Grundbildung ist wichtig, daher müssen vor allem didaktisch qualifizierte Lehrkräfte den Studierenden den Lernstoff nahebringen. Wir hoffen, dass anstelle des Schimpfens über die Vorkenntnisse von Studierenden eine pädagogische Kultur einkehrt, in der die Lehrenden den Studierenden etwas beibringen möchten und diese dort abholen, wo sie stehen."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels waren die Teilnehmerzahlen der Vorlesung nicht korrekt angegeben. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Auf die Durchfallquote von 94 Prozent hatte dies aber keinen Einfluss. Diese Zahl bezieht sich auf die Studenten, die das Seminar zunächst nicht bestanden haben - nicht auf jene, die im ersten Durchgang durch die Klausur gefallen sind. Weil nicht alle zugelassenen Studenten zur Klausur angetreten sind, ist die Durchfallquote geringer, wenn man sie auf die Klausurschreiber bezieht.
Nachtrag: Zunächst war die Dozentin für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Nach erscheinen des Artikels verwies sie auf eine sechsseitige Stellungnahme der Fakultät , die alles erkläre.