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Exkursion eines Leistungsverweigerers: Grüezi, Herr Uni-Loser

Foto: Nico Semsrott

Uni-Loser in der Schweiz Ausflug ins Horrorland für Chaoten

Saubere Klos, edle Hörsäle - kurz vor Semesterstart tourt Uni-Loser Felix Dachsel mit einem Freund durch die Schweiz. Im Gespräch erkennen die beiden: So schlimm ist Deutschland gar nicht. Es kommt schon darauf an, wo man die Leistung verweigert.

So langsam geht die Uni wieder los. Ich starte in mein zweites Semester. Vorher will ich mich präventiv erholen und fahre mit meinem Freund, dem Abbruchberater Nico Semsrott, durch die Schweiz.

Die Schweiz ist das Horrorland für Chaoten, Studienabbrecher und Leistungsverweigerer. Ein kleines Land voller fleißiger und lustfeindlicher Menschen. Das ist die positive Erkenntnis aus dieser Exkursion: Es gibt ein Land, das schlimmer ist als Deutschland. Darüber unterhalte ich mich mit Nico an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich.

Dachsel: Nico, nachdem du vor einigen Jahren dein Studium abgebrochen hast, bist du jetzt Demotivationstrainer. Gerade bist auf Tour in der Schweiz. Warum gerade die Schweiz?

Semsrott: Das fängt schon bei der Fahne an: Ein weißes Plus auf rotem Hintergrund! Für mich als Demotivationstrainer natürlich eine reine Provokation. Ich versuche, aus dem Plus ein Minus zu machen. Ich bin gerne hier, weil ich den Eindruck habe, dass die Schweiz das bessere, das optimierte Deutschland ist. Ein super Feindbild. Wenn ich zum Beispiel einen Witz über die schlechte Ausstattung von Universitäten mache, funktioniert das in der Schweiz gar nicht. Nach dem Motto: "Hä? Wo ist das Problem? Ist doch alles gut!" Würdest du gerne in der Schweiz zur Uni gehen?

Dachsel: Ist es nicht egal in welchem Land man Veranstaltungen fernbleibt? Obwohl: In Schweizer Unis sind die Toiletten sauberer als das Operationsbesteck an deutschen Universitätskliniken. Das wäre ein Argument für die Schweiz. Man kann hier richtig gut aufs Klo gehen. In deutschen Uni-Toiletten gibt es hingegen alles, wovor die Weltgesundheitsorganisation warnt. Gerade sind wir an der ETH Zürich. Wie verändert sich dein Blick auf die deutsche Bildungslandschaft, wenn du das hier siehst?

Semsrott: Ich glaube, es ist nicht egal, wo du dich verweigerst. Es kommt schon darauf an, in welchem Rahmen du rebellierst.

Dachsel: Warum?

Semsrott: Wenn du eine Umgebung hast, in der auch alle anderen schluren, fällst du ja kaum auf - Deutschland. In einem effizienten durchoptimierten Rahmen ist eine Abweichung viel offensichtlicher - Schweiz. Es geht um die Provokation. Das sieht hier übrigens nicht aus wie eine Universität, das sieht schon so sauber und repräsentabel aus wie ein Unternehmen. Das ist Optimierung! Kannst du hier irgendeinen Fehler sehen? Die Uni ist jedenfalls auch an einem sonnigen Samstag gut gefüllt. Ich kann die Bildungslandschaften aber kaum miteinander vergleichen, weil ich in Deutschland sechs und in der Schweiz null Wochen studiert habe.

Dachsel: Grob kann man doch sagen: Im Vergleich zur Schweiz ist Deutschland ein Entwicklungsland. Das beginnt bei der Ausstattung der Universitäten, geht über das System des öffentlichen Nahverkehrs - bis zur Vielfalt an Schokoladensorten. Wenn man in der Schweiz sagt, dass man Deutscher ist, bekommt man entweder Hass, Mitleid oder 20 Franken für ein warmes Mittagessen. Hast du den Eindruck, dass Schweizer Humor haben?

Semsrott: 20 Franken für ein Mittagessen reichen ja kaum! In Deutschland könnte ich davon vier Familien durchbringen. Natürlich haben die Schweizer Humor. Und wie! Ihr Spezialgebiet ist allerdings die Realsatire. Sie schaffen es, komplexe Sachverhalte auf eine einfache Ja-Nein-Frage herunterzubrechen.

Dachsel: Ich habe auch eine für dich: Ist die Schweiz schlimmer als Deutschland, ja oder nein?

Semsrott: Zu 50,3 Prozent ja.

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