Universität Oxford Iran protestiert gegen Neda-Stipendium

Ein Stipendium der Uni Oxford verärgert das iranische Regime. Benannt wurde es nach der Studentin Neda Agha-Soltan, die nach ihrem Tod in Teheran zur Symbolfigur des Widerstands wurde. In einem Protestbrief spinnt die Botschaft krude Verschwörungstheorien weiter.
Video der sterbenden Neda: Iran verurteilt ein nach ihr benanntes Stipendium

Video der sterbenden Neda: Iran verurteilt ein nach ihr benanntes Stipendium

Foto: AFP

Iran hat ein Stipendium der Universität Oxford, das den Namen der im Juni in Teheran erschossenen Studentin Neda Agha-Soltan trägt, als "politisch motivierten Akt" verurteilt. Das Förderprogramm für Philosophie-Studenten werde dem "wissenschaftlichen Ruf der Universität schaden" und sie mit den akademischen Instituten der Welt in Zwietracht bringen, schrieb der stellvertretende Botschafter Safarali Eslamian in seinem Brief an die Universität.

Neda Agha-Soltan war am 20. Juni am Rande des Aufstands gegen die umstrittene Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad erschossen worden. Im Internet verbreitete sich ein Video der sterbenden Frau rasant - und machte aus der 27-jährigen Philosophiestudentin binnen kurzer Zeit eine Symbolfigur für den Widerstandskampf und die Brutalität des Regimes in Iran.

Die Universität betonte in ihrer Antwort, das Stipendium sei eine Sache seines Queen's Colleges. Das College erklärte in einer Mitteilung auf der Internetseite , dass das Stipendium vor allem für iranische Studenten gedacht sei. Es werde von zwei britischen Mäzenen finanziert. Den Stipendiaten sollen die Studiengebühren bezahlt werden.

Das College nannte auch schon die erste Stipendiatin: Arianne Shahvisi, 22, Studentin der Philosophie. Dem College zufolge sieht sie es als große Ehre, ein Stipendium zu erhalten, das Neda gewidmet ist. "Es bedeutet mir als junge Frau iranischer Abstammung und als Philosophie-Studentin sehr viel", wurde Shahvisi zitiert. Sie kondolierte Nedas Familie und fügte hinzu: "Ich hoffe, durch ein erfolgreiches Studium in Oxford dem Namen ihrer mutigen und begabten Tochter gerecht zu werden."

"Neda verkörpert die Hoffnung und Träume der Iraner vom Frieden"

In seinem Brief an die Universität Oxford erneuert der stellvertretende Botschafter Eslamian die Behauptung, der Tod von Neda sei inszeniert worden, um dem iranischen Regime zu schaden. Irans Präsident Ahmadinedschad hatte die Untersuchung des Falls angekündigt, die Schuldigen standen für ihn freilich früh fest: Westliche Geheimdienste und die Opposition seien für den Tod der Studentin verantwortlich.

Der Arzt, der als erster zu der tödlich getroffenen Neda geeilt war, hatte gesagt, ein Mitglied der islamischen Bassidsch-Miliz habe Neda erschossen. "Ich habe gehört, wie er sagte: 'Ich wollte sie nicht töten'", so Arash Hedschasi in einem BBC-Interview  . Die Miliz ist eine paramilitärische Kampftruppe, die der konservativen Führung des Iran treu ergeben ist. Bei Demonstrationen fuhren Bassidsch-Angehörige auf Motorrädern durch die Menge und knüppelten auf die Oppositionellen ein.

Hedschasi, der Neda zu retten versuchte, begrüßte laut "Times" die Entscheidung, ein nach der erschossenen Studentin benanntes Stipendium zu vergeben. Neda verkörpere "die Hoffnung und Träume vom Frieden des iranischen Volkes". Er mache sich allerdings Sorgen, dass das Regime ihre Familie bestrafen könnte. Hedschasi arbeitet selbst in Oxford, allerdings an der Brookes Universität.

"Dieses brutale Regime bringt die eigene Jugend für seinen Machterhalt um"

In seinem Brief deutete der iranische Botschafter sogar an, Hedschasi sei Teil des vom Regime vermuteten Komplotts. Neda sei in einer abgelegenen Straße, "weit weg von den Protesten" erschossen worden, "wo ihre Mörder sie und ihre Begleiter schon 20 Minuten vor dem Zwischenfall gefilmt hatten". Hedschasi sei zwei Tage vor Nedas Tod nach Teheran gekommen, um danach eilig nach Großbritannien zurückzukehren. "Es gibt weitere Beweise, die zeigen, dass es ein vorbereitetes Szenario war", zitierte die "Times" aus dem Brief.

Der Arzt hatte in einem bewegenden Mail-Wechsel mit dem Schriftsteller Paulo Coelho in den Tagen nach dem Tod von Neda seine Angst ausgedrückt, dass ihm selbst etwas zustoßen könnte. Vier Tage, nachdem Neda in seinen Armen starb, flog er zurück nach Großbritannien, wo er mit seiner Familie lebt. Gegenüber der "Times" äußerte sich Hedschasi wütend über die Andeutung des Regimes, er habe bei einem Mordkomplott mitgemacht. "Ich kenne fünf andere Leute, die dabei waren und bezeugen können, was geschah, aber sie leben in Iran, so dass ich sie nicht nennen kann", sagte er.

Ein nicht namentlich genannter iranischer Akademiker sagte der "Times", der Brief des Botschafters zeige, wie schwer Nedas Tod das iranische Regime beschädigt habe. "Die Bilder haben seine Legitimität im Iran zerstört und zeigten, was jeder dachte: dass dies ein brutales Regime ist, das die eigene Jugend umbringt, um seine Macht zu erhalten."

Anmerkung der Redaktion: In diesem Text war ein Foto eingebaut, das nicht die getötete Iranerin Neda Agha-Soltan zeigt. SPIEGEL ONLINE hat das betroffene Bild gelöscht, bemüht sich, den Fall aufzuklären, und entschuldigt sich für den Fehler.

bim
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten