
Studieren in Kalifornien Die coolste Uni Amerikas
Die Lenker zittern, unsicher und mit roten Köpfen treten die jungen Studenten in die Pedale, immer wieder fällt einer hin. Bei jedem Sturz lachen und applaudieren die älteren Semester, dann erst eilen sie zu ihren neuen Kommilitonen und helfen ihnen hoch. Zu Dutzenden postieren sich die Schaulustigen jedes Jahr am ersten Unitag an den Fahrradkreisverkehren der kalifornischen Kleinstadt Davis, denn sie wissen: Wie die meisten amerikanischen Jugendlichen können die "Freshmen" auf dem hiesigen Campus der University of California zwar Auto fahren, scheitern aber an einem Fahrrad. Doch damit kommen sie hier, in der Fahrradstadt Davis, nicht durch - und lernen es spätestens nach dem blamablen Ritual.
Ohnehin läuft in der kalifornischen Studentenstadt so ziemlich alles anders als im Rest der USA, vor allem ausländische Studenten können sich hier schnell von ihren Vorurteilen verabschieden. Denn in Davis lebt man umweltbewusst und nachhaltig, sogar Müll wird getrennt. Freiwilliges Engagement in Clubs und Teams gehört ohnehin zum amerikanischen Unileben.
UC Davis wird zur "coolsten Uni des Landes" gekürt
Doch so viel Engagement wie in Davis findet man selten. Besonders engagiert ist die Studentengruppe "California Public Interest Research Group" (CALPIRG). Mit großer Begeisterung und viel Einsatz organisieren die jungen Weltverbesserer Kampagnen für ein besseres Klima, mehr Demokratie und weniger Armut. Innerhalb von sechs Wochen registrierten sie mehr als 4000 Studenten für die US-Präsidentschaftswahl, und an Halloween sammelten sie statt Süßigkeiten Konservendosen für die Obdachlosentafel.
Derzeit kämpft CALPIRG für ein Verbot von Plastiktüten, um den Pazifik vor Übermüllung zu retten. Das Uni-Restaurant und der Bus-Service von Davis werden ausschließlich von Studenten betrieben: BWL-Studenten kümmern sich um die Finanzen, die Maschinenbauer warten Geräte und Karosserien, während ihre Kommilitonen als Köche, Kassierer und Busfahrer jobben. Für all diese Initiativen wurde die UC Davis von der amerikanischen Umweltorganisation Sierra Club im August 2012 als "coolste Uni des Landes" ausgezeichnet.
Blütenweiß ist die Weste der Uni aber nicht. Vor einem Jahr kursierten Bilder und Videos im Internet, auf denen ein Polizist Studenten, die während einer Occupy-Demo auf dem Boden saßen, Pfefferspray ins Gesicht sprühte. Solche Vorfälle mögen die offenen und höflichen Bewohner der Stadt ganz und gar nicht. Lieber präsentieren sie Ausländern und Zugezogenen die Statistik, wonach Davis nach Seattle die Stadt mit der zweithöchsten Bildungsrate im Land und außerdem auch besonders liberal ist - zwei Drittel der Einwohner stimmten im November für Barack Obama.
Einheitlicher Uni-Look, bezahlt per Kreditkarte
All der Klimaschutz und die gute Bildung schließen das Konsumdenken allerdings nicht aus: Studenten strömen täglich in die zahlreichen Starbucks-Filialen, Burger- und Taco-Schnellrestaurants auf dem Campus, möglichst einheitlich gekleidet in die Merchandising-Produkte der Uni. Wohin man schaut, glänzen die goldenen Lettern des UC-Davis-Logos auf Kapuzenpullis, Jogginghosen und Baseballcaps. Bereitwillig zahlen die Studenten Unmengen für diesen Unilook - und das natürlich immer mit Kreditkarte. Dabei investiert man als Student der UC Davis eigentlich schon genug: Viele verschulden sich hoch, um die Studiengebühren von 14.000 Dollar pro Jahr, ihre Krankenversicherung, Wohnheimmiete und Arbeitsmaterialien zu bezahlen.
Kein Wunder, dass jeglicher "free stuff" so beliebt ist: Ob bei Fußball- oder Football-Spielen, bei einer Informationsmesse der Studentenclubs oder an Infoständen von lokalen Restaurants - geduldig stehen die Studenten in irrwitzig langen Schlangen an, um am Ende ein mit Werbung bedrucktes T-Shirt, eine Trinkflasche oder bunten Plastiktand für lau zu ergattern. Hören die jungen Amerikaner, dass in fast allen deutschen Bundesländern gar keine Studiengebühren fällig sind, staunen sie erst und seufzen dann neidisch.
Was sie oft nicht wissen: Dafür können wir in Deutschland von zahlreichen Sportteams, riesigen Grünflächen, gigantischen Fitnesscentern und vielseitigen Arbeits- und Lernplätzen nur träumen. Und auch über Bruchpiloten wird man sich an einer deutschen Uni kaum lustig machen können, Fahrradfahren lernt man bei uns ja schließlich schon im Grundschulalter.