Unternehmen Hochschule Privatuni in Bruchsal ist pleite
Schon wieder muss er sich eine neue akademische Heimat suchen. Sebastian Zonker, 23, hat bereits eine ungewöhnliche Uni-Odyssee hinter sich, die ihn zuletzt an die International University Bruchsal (IU) führte. Doch was sich schon länger abzeichnete, ist nun offiziell: Trotz "intensiver Fortführungsbemühungen" müsse der Geschäfts- und Studienbetrieb zum "nächstmöglichen Zeitpunkt geordnet eingestellt werden", teilte die Hochschule Mittwochmittag mit. Die Suche nach neuen Partnern sei ergebnislos verlaufen; die monatlichen Verluste beliefen sich auf über 200.000 Euro.

Student Zonker: Uni-Odyssee mit Büchern im Gepäck
Foto: Antonio BelloRund 170 junge Menschen studieren bislang auf dem hübschen Campus in Bruchsal nahe Karlsruhe. Mindestens 15 Millionen Euro Steuergelder wurden dort investiert, damit die Klein- zur Universitätsstadt werden konnte. Doch die International University rutschte tief in die roten Zahlen, die Gesellschafterin Educationstrend GmbH war nicht länger bereit, die Verluste auszugleichen.
Für die 38 Beschäftigten und die Studenten ist die Schließung bitter - für Sebastian Zonker ganz besonders. Über deutsche Privathochschul-Experimente weiß er mehr zu berichten, als ihm lieb ist. Ursprünglich hat er Jura an einer staatlichen Hochschule studiert, wie so viele andere auch. Dann hörte er von der Hanseuniversität Rostock, betrieben vom Hamburger Unternehmen Educationtrend, und wurde einer der bestens betreuten Studenten - bis ihn in den Semesterferien der Geschäftsführer persönlich auf dem Handy anrief. Er habe eine schlechte Nachricht: Der Betrieb werde wohl eingestellt.
Immerhin kümmerte sich die Hanseuniversität auch danach um ihren Elitestudenten, Educationtrend bezahlte den Umzug nach Bruchsal an die International University in Germany. An seinem neuen Studienort lernte Zonker weiterhin Business Administration und zahlt bis dato 10.000 Euro im Jahr.
Erstsemester kennen die Lektion von Kosten und Einnahmen
Zonker war sehr zufrieden, bis bekannt wurde, dass der Geldgeber sich zurückzieht. "Angesichts veränderter Rahmenbedingungen und verschärften Wettbewerbs" habe die Hochschule Verluste erwirtschaftet, verkündete Educationtrend. Gesucht wurde, nicht zum ersten Mal in Bruchsal, ein Retter in der Not. Zuletzt war auch ein Modell mit Professoren im Gespräch, die auf Unterstützung der lokalen Wirtschaft gehofft hatten.
Vor wenigen Tagen noch hatte Zonker die Hoffnung, dass es in Bruchsal irgendwie weitergeht: "Dass Kosten durch Einnahmen gedeckt werden müssen, haben wir ja in BWL schon im ersten Semester gelernt." Doch dann zog die International University die Reißleine - und bald wird es eine Hochschule weniger in Deutschland geben.
Vanessa Böhm, Kommunikationsmanagement-Studentin im dritten Semester und Sprecherin der Studentenvertretung, sagte SPIEGEL ONLINE, die Studenten seien "sehr enttäuscht". Dem Vertreter des Hauptinvestors Educationtrend, Martin Kirchner, warf sie vor, "nicht alles getan zu haben", um eine Rettung zu gewährleisten. Mittwochmittag trafen sich Uni-Präsident Ian Cloete, Kanzler Ingo von Malotki sowie Martin Kirchner mit allen Studenten, um zu besprechen, wie und wo sie ihr Studium fortsetzen können. Kirchner habe den Studenten mit einem "unangemessenen Grinsen" empfohlen, zunächst auf dem Campus wohnen zu bleiben - denn "so viele Brücken gebe es in Bruchsal ja nicht", erzählt Böhm.
Drei Studenten auf sechs Professoren
Das Angebot der Universität an die 73 Studenten, die ihr Studium noch nicht in diesem Studienjahr beenden: Für die 26 angehenden Informatiker werde ein Wechsel an die staatliche Universität Mannheim "geprüft". Die 47 Bachelor-Studenten der Fachrichtungen Betriebswirtschaft und Kommunikationswissenschaften dürfen möglicherweise in Bruchsal bleiben. Denn die Berliner Steinbeis-Hochschule habe angeboten, dass sie ihr Studium an einem "neu zu errichtenden Institut in Bruchsal zu Ende führen" könnten. Was aus dem Campus wird, ist noch unklar. Die IU werde dem Mietvertrag kündigen, die Stadt Bruchsal befinde sich aber in Gesprächen mit der Universität Karlsruhe, die dauerhaft mehrere Einrichtungen auf dem Gelände ansiedeln wolle, teilte die Hochschule mit.
Es ist eine spektakuläre Pleite - aber dass private Hochschulen finanziell ins Trudeln und in schwere Bedrängnis geraten, ist eher die Regel als die Ausnahme. Vor gut zehn Jahren forcierten Bildungspolitiker in Deutschland das Primat der Privaten: Gleich serienweise entstanden neue Hochschulen, die den behäbigen staatlichen Hochschulen Beine machen und stärker den Wettbewerbsgedanken ins Bildungssystem tragen sollten. Die Bundesländer, darunter etwa auch das hochverschuldete Bremen, befeuerten das mit großzügigen Millionen-Geschenken. Von den schönen Visionen ist indes wenig übrig geblieben.
Zum Beispiel an der Hanseuniversität Rostock, ebenfalls betrieben vom Hamburger Unternehmen Educationtrend. Für Heinz Eckart Klingelhöfer, 42, währte der Traum vom Professorenleben nur wenige Tage. Voller Hoffnung war der Betriebswirt - promoviert, habilitiert, motiviert - an die Hanseuniversität gekommen. Das Konzept hatte ihn überzeugt, sagt er, die "elitäre Ausrichtung" ihm gefallen.
Wie elitär aber die Rostocker Privatuni werden sollte, hatten weder Klingelhöfer noch die Geldgeber vorhergesehen. Drei Studenten auf sechs Professoren - traumhafte Bedingungen für die Lehre, aber untragbare Zustände fürs Geschäft. Nur wenige Wochen nach Vertragsschluss erfuhr Klingelhöfer, dass das Uni-Unternehmen in Rostock beendet werden soll. Im Herbst 2008 bekam er noch den Professorentitel verliehen, zum März 2009 gab es die Kündigung.
So endete der Traum letzte Woche vor dem Arbeitsgericht Rostock. Klingelhöfer wird sich wohl mit einigen tausend Euro und der Erkenntnis abfinden müssen: Privaten Hochschulen fällt es in Deutschland extrem schwer, sich gegen die Staatskonkurrenz zu behaupten.
Hohe Gebühren, große Versprechungen - und eine mitunter triste Studienrealität
Rund 70.000 Studenten waren im Wintersemester 2007/08 an privaten Einrichtungen eingeschrieben, mehr als 50 Prozent mehr als noch drei Jahre zuvor. Die Gebühren sind hoch, mancherorts mehr als tausend Euro im Monat, und die Versprechungen oft groß. Die Private Fachhochschule Göttingen etwa wirbt mit einer "Karrieregarantie" und einer "Jobgarantie". Wer sechs Monate nach dem Master-Abschluss noch ohne Stelle ist, bekommt freilich keinen Arbeitsvertrag vorgelegt, sondern nur einen Teil der Studiengebühren erlassen.
Die staatliche und auch kirchliche Konkurrenz ist den privaten Hochschulen häufig überlegen. Sie bietet nicht nur, trotz aller berechtigten Kritik, eine mindestens ordentliche Qualität. Sie verlangt auch einen unschlagbaren Preis: Einige Bundesländer erheben Gebühren von maximal 500 Euro im Semester, in zehn Ländern ist das Erststudium gar kostenlos.
Und dennoch versuchen es Unternehmer immer wieder, gegen diese Platzhirsche anzutreten. Von "Dynamik und Vielfältigkeit" sei der Hochschulmarkt gekennzeichnet, heißt es im Bildungsbericht des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Zu den Anbietern zählten "ausländische Hochschulen, die in Deutschland Niederlassungen haben, zum Teil existieren auch ausländische und profitorientierte Aktiengesellschaften, die sich letztlich nicht mehr am deutschen Bildungssystem mit spezifischen Hochschulabschlüssen orientieren".
Die erste private Universität, Witten/Herdecke, nahm 1983 den Betrieb auf, inzwischen werden in Deutschland mehr als 80 private Hochschulen gezählt. Dahinter stehen gemeinnützige Gesellschaften, aber auch windige Geschäftsmodelle. Das Stuttgart Institute of Management and Technology war so erfolglos, dass es 2007 für einen Euro zu haben war - und das Land Baden-Württemberg dem Käufer noch 1,5 Millionen obendrauf gab.
Großzügige Gönner sind eine Lebensversicherung
Am besten stehen private Einrichtungen wie die Bucerius Law School in Hamburg oder die Jacobs University Bremen da, die von großzügigen Gönnern leben. Die Juraschule an der Elbe ist aus dem Nachlass des "Zeit"-Verlegers Gerd Bucerius entstanden, der Bremer Hochschule spendierte die Stiftung des Kaffeemilliardärs Klaus Jacobs 200 Millionen Euro. Wer solche Mäzene nicht hinter sich weiß, tut sich in der Regel schwer - oder steht wie die Uni Witten/Herdecke notorisch vor dem Ruin. "Eine forschende Hochschule lässt sich nicht allein mit Studiengebühren bestreiten", sagt ihr Gründer Konrad Schily.
Das Resultat: vermeintlich akademische Stätten wie das Baltic College. Vier Standorte unterhält die Hochschule, in Güstrow, Rostock, Potsdam und Schwerin. Sie bot bislang drei Bachelor-Studiengänge für Unternehmens- und Tourismusmanagement, vier Professoren unterrichten rund 340 Studenten.
Als der Wissenschaftsrat die Uni jetzt überprüfte, stellte er ein niederschmetterndes Zeugnis aus: unklare Kalkulationen, schlechte Lehre, unzureichende Ausstattung. Die Prüfer störte unter anderem der "dürftige Bestand an Büchern". Pro Jahr stünden nur 5000 Euro für Anschaffungen zur Verfügung. Die gesamte Literatur in Güstrow findet sich in drei Regalen im Sekretariat. "Einen Präsenzbestand wie an Universitäten kann man nicht erwarten, wir setzen vor allem auf digitale Literatur", erklärt Uni-Präsident Jens Engelke.
Vielleicht liegt das Problem aber auch in Engelkes Doppelrolle: Der Uni-Boss ist zugleich einer der beiden Geschäftsführer der profitorientierten Gesellschaft, die hinter dem College steckt. Der Wissenschaftsrat bemängelte jedenfalls mögliche "Konflikte zwischen den ökonomischen Interessen des Trägers und den akademischen Angelegenheiten der Hochschule". In der vergangenen Woche musste sich Engelke gegenüber empörten Studenten rechtfertigen - die Uni-Kunden zahlen immerhin mehr als 400 Euro Gebühren pro Monat.
Bieterschlacht um private Fachhochschule
Nach gut einem Vierteljahrhundert deutscher Privat-Uni-Praxis ist deutlich zu erkennen, mit welchem Studienangebot sich Geschäfte machen lassen. Fächer, deren Unterricht mit hohem finanziellem Aufwand verbunden sind, scheiden aus - Ingenieur- und Naturwissenschaften überfordern wegen ihrer Labors und Gerätschaften die privaten Hochschulen. Auch Geisteswissenschaften gelten als wenig attraktiv, weil deren Absolventen selten mit hohem Einkommen rechnen. Die Neigung, auf Pump an einer Privatuni zu studieren, ist bei Philosophen oder Soziologen entsprechend gering.
Ganz anders die Situation der Hochschulen, die strebsamen Managementnachwuchs ausbilden: die European Business School in Wiesbaden und Oestrich-Winkel, die Handelshochschule in Leipzig und die WHU in Vallendar. Die WHU hat etwa, gemeinsam mit der Bucerius Law School, einen "Master of Law and Business" im Angebot, das Einjahresprogramm kostet 22.000 Euro. Auch die Internationale Fachhochschule Bad Honnef hat ihre Marktnische gefunden, sie gilt als Kaderschmiede fürs Hotelfach. Vom Wissenschaftsrat erhielt sie am selben Tag, als das Baltic College abgekanzelt wurde, großes Lob. Entsprechend begehrt war die Hochschule bereits vor zwei Jahren, als die Gründerin aussteigen wollte: Investoren lieferten sich eine Bieterschlacht.
Im Rennen waren unter anderem der amerikanische Bildungskonzern Laureate und die deutsche Verlagsgruppe Klett. Zum Zug kam die Private-Equity-Firma Auctus gemeinsam mit einem Unternehmer, sie zahlten einen zweistelligen Millionenbetrag. Zum Portfolio von Auctus gehörten bis dahin Maschinenbauer, IT-Dienstleister oder Zeitarbeitsfirmen. Nun ist die Hochschule auf Expansionskurs. Im Herbst wurde in Bad Reichenhall eine Filiale eröffnet. Auf dem Gelände der eingestürzten Eissporthalle wird den Kunden ein Angebot "ganz nach den Anforderungen an ein kompaktes und zielgerichtetes Studium" versprochen. Dazu zählen "voll möblierte Studentenapartments auf dem Campusareal" und eine "ideale Betreuungsrelation".
Die Expansion in den Süden "finanzieren wir problemlos aus dem Cashflow heraus", sagt der Bad Honnefer Geschäftsführer Florian Schütz. Der ehemalige IT-Unternehmer hat gemeinsam mit Auctus den Zuschlag bekommen, zum Geschäft mit der Bildung kam der Kaufmann per Zufall. Das Prinzip erfolgreichen Wirtschaftens sei dasselbe: "Wir müssen neue Studenten gewinnen, Marketing betreiben und Arbeitsprozesse optimieren" - das allerdings gelingt in Deutschland bisher nur wenigen Uni-Unternehmen.
Steffen Eggebrecht, Jan Friedmann, Jochen Leffers, Christoph Titz und Markus Verbeet