Pharma-nahe Forschung Uni Köln und Bayer dürfen Vertrag geheim halten

Wie private Geldgeber die Forschung an deutschen Unis beeinflussen, ist undurchsichtig - und wird es wohl auch bleiben. Ein Gericht entschied: Die Uni Köln darf ihren Geheimvertrag mit dem Pharmariesen Bayer weiter unter Verschluss halten.
Universität Köln: Keine Offenlegung des Vertrags mit Bayer nötig

Universität Köln: Keine Offenlegung des Vertrags mit Bayer nötig

Foto: Federico Gambarini/ picture alliance / dpa

Philipp Mimkes versucht es schon seit Jahren. Genauer: Seit 2008, als die Universität zu Köln und die Bayer HealthCare AG einen Kooperationsvertrag schlossen. Seitdem will Mimkes, Geschäftsführer der industriekritischen Initiative "Coordination gegen Bayer-Gefahren", wissen: Was genau steht in diesem Vertrag drin? Bekannt ist nur, dass es um einen jährlichen niedrigen sechsstelligen Betrag geht und die Zusammenarbeit bei Forschungsprojekten und bei einer Graduiertenschule geregelt wird.

"Wir müssen verhindern, dass die Forschung an Universitäten ausschließlich den Interessen großer Unternehmen dient", sagt Philipp Mimkes, der selbst einst an der Uni Köln Physik studiert hatte. "Schon jetzt verschwinden bei industriefinanzierten Studien negative Ergebnisse oft in der Schublade."

Diesen Verdacht hat er auch in Köln. Doch überprüfen kann er seine Vermutung nicht, denn Uni und Pharmaunternehmen verweigern ihm seit Jahren den Einblick in den Vertrag.

Und die Abmachung darf auch weiter geheim bleiben, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am Dienstag in zweiter Instanz (Aktenzeichen: 15 A 97/13). Mimkes hatte sich auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz berufen, das öffentliche Einrichtungen zur Herausgabe von Informationen verpflichtet. Vergeblich: Die Hochschule verwies auf eine Ausnahmeregelung für Forschungseinrichtungen.

Mimkes schaltete den Landesdatenschutzbeauftragten ein, der sich ebenfalls für eine Veröffentlichung des Vertrags aussprach - ohne Erfolg. Schließlich klagte Philipp Mimkes vor dem Verwaltungsgericht Köln und kassierte im Dezember 2012 eine Niederlage (Aktenzeichen: 13 K 2679/11).

Industrie und Wissenschaft zu eng verbunden?

Nun bestätigte auch die nächste Instanz: Die Ausnahmeregelung im NRW-Gesetz gelte nun einmal für alles, was mit Lehre und Forschung zu tun habe, und das sei auch nicht verfassungswidrig. Eine Revision ließen die Richter am Oberverwaltungsgericht Münster nicht zu.

Seit Langem warnen Kritiker, dass Industrie und Wissenschaft an manchen Stellen zu innig verbunden seien. Dahinter steht die Sorge, dass Unis mehr Auftragsforschung betreiben und unbequeme Forschungsergebnisse zurückhalten könnten. Im Juli durfte SPIEGEL ONLINE Einblick in einen anderen geheimen Vertrag nehmen, den die Universität Mainz mit der Boehringer Stiftung geschlossen hatte. Und das ist nur ein Fall von vielen, der Aufschluss darüber gibt, wie private Geldgeber Einfluss auf Lehre und Forschung nehmen.

Mimkes sagte, er sorge sich insbesondere um die Verwertungsrechte: Wem gehören Forschungsergebnisse, die in staatlich finanzierten Laboren entstehen? Wer erhält eventuelle Patente und kann sie möglicherweise wirtschaftlich nutzen? Das sei ein Betriebsgeheimnis, winkten die Anwälte von Uni und Bayer während der Verhandlung immer wieder ab.

An etlichen deutschen Unis dürfte das Urteil mit großer Erleichterung aufgenommen werden. Denn viele Hochschulen fahren eine ähnlich strikte Informationspolitik: Kaum jemand legt komplett offen, welches Unternehmen wie viel Geld für welche Dienstleistung oder Kooperation bezahlt.

Jeder vierte Euro aus der Industrie

Dabei wird die unternehmensfinanzierte Forschung immer wichtiger. Schätzungen zufolge gibt es deutschlandweit mehr als tausend Stiftungslehrstühle an Hochschulen: Professoren, die oft nicht vom Staat, sondern von Firmen bezahlt werden. Und bereits im Jahr 2011 bekamen die Unis und Fachhochschulen laut Statistischem Bundesamt mindestens 6,3 Milliarden Euro von privaten Geldgebern, Tendenz steigend. Andere Quellen wie der wirtschaftsnahe Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft gehen sogar von weit über zehn Milliarden Euro pro Jahr aus, die Unternehmen in die Forschung an Hochschulen stecken.

Es gebe nichts zu vertuschen, nur Betriebsgeheimnisse und interne Daten zu schützen, argumentierten die Vertreter von Universität und Bayer am Dienstag vor Gericht. Und sie ließen durchblicken, dass der Kooperationsvertrag in der Forschung mittlerweile ausgelaufen und nicht verlängert worden sei. Allerdings gebe es nach wie vor eine Kooperation bei der Doktorandenausbildung.

Eine "konsequente Politik der Offenheit" bei solchen Formen der Zusammenarbeit forderte Kläger Philipp Mimkes in seinem Schlusswort. Und sprach damit, obwohl juristisch chancenlos, einen wichtigen Punkt an. Denn es ist klar: Wenn Hochschulleitungen um die Zusammenarbeit mit einzelnen Geldgebern aus der Wirtschaft ein großes Geheimnis machen, dann bereiten sie erst den Boden für Misstrauen und Zweifel.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, private Geldgeber hätten im Jahr 2011 6,3 Millionen Euro für Forschung an Hochschulen gestiftet. Diese Zahl ist nicht korrekt; es handelt sich um 6,3 Milliarden Euro. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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