Studie über Uni-Karrieren Den Job bekommt die Frau

Wissenschaft ist Männerdomäne? Eine US-Studie rüttelt am Bild der chancenlosen Nachwuchsforscherin. In einem Experiment wurden weibliche Kandidaten einem gleich guten männlichen Bewerber vorgezogen.
Gute Chancen auf eine Professur: In einem US-Experiment hatten Frauen die besseren Karten

Gute Chancen auf eine Professur: In einem US-Experiment hatten Frauen die besseren Karten

Foto: Corbis

Für Karrieren im Universitätsbetrieb scheint es eine Regel zu geben: Je weiter es nach oben geht, umso weniger Frauen finden sich dort. In Deutschland waren rund die Hälfte der Hochschulabsolventen weiblich, bei den Promotionen betrug der Frauenanteil nur noch 45 Prozent. Nicht einmal jede dritte Habilitation wird von einer Frau verfasst. 80 Prozent aller Professorenposten haben Männer inne.

Dass hier etwas schief läuft, hat die Politik erkannt: Mit dem Professorinnenprogramm etwa unterstützt die Bundesregierung die Berufung von Frauen auf Lehrstühle an den Universitäten. Eine Studie aus den USA kommt nun jedoch zu einem überraschenden Ergebnis: Offenbar haben Frauen längst bessere Chancen auf eine akademische Karriere, als man gemeinhin glaubt. Bei gleicher Qualifikation haben sie in vielen Fällen womöglich sogar bessere Karten als ein männlicher Mitbewerber.

Das schreiben die Psychologen Wendy Williams und Stephen Ceci von der Cornell University in einem Aufsatz, der nun in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Science" veröffentlicht wurde (Hier  finden Sie die Studie im Original). Die beiden Forscher hatten Steckbriefe von fiktiven Kandidaten für eine Assistenzprofessur an Hunderte US-Professoren geschickt und jeweils um eine Einschätzung gebeten.

In allen Fächern sind Frauen vorn

Die Kurzbiografie las sich stets beeindruckend: Der Bewerber hat einen Preis für die Dissertation gewonnen, in Empfehlungsschreiben wird die Forschung als "extrem stark" gewertet und im Interview mit der Auswahlkommission der Fakultät erhielt er 9,5 von 10 Punkten.

Das Geschlecht variierten die Forscher: Manchen Professoren wurde der Bewerber als Mann, anderen als Frau vorgestellt. Als Vergleich bekamen die Bewerber einen weiteren ähnlich guten Bewerber sowie einen minimal schlechteren Kandidaten. Die angeschriebenen Professoren wussten zwar, dass sie an einem Berufungsexperiment teilnehmen; den genauen Hintergrund verrieten die Forscher ihm freilich nicht.

363 Professorinnen und Professoren gaben den Autoren eine Rückmeldung. Das Ergebnis ist überraschend klar: Die fiktive Nachwuchswissenschaftlerin hatte stets bessere Einstellungschancen als der gleich qualifizierte männliche Bewerber - sie landete deutlich häufiger an erster Stelle der fiktiven Berufungsliste als der vergleichbare männliche Mitbewerber. Es gebe eine "starke Präferenz für weibliche Bewerber", schreiben die Autoren - und das über alle Fächer hinweg, egal ob Biologie, Ingenieurswissenschaften oder Psychologie. Interessant auch: Männliche und weibliche Professoren würden gleichermaßen Frauen für eine Assistenzprofessur vorziehen.

Lediglich in den Wirtschaftswissenschaften geht das Urteil männlicher und weiblicher Professoren über die potenziellen Kandidaten auseinander: Professoren würden ähnlich häufig den männlichen Nachwuchsökonom auf Platz eins ihrer Berufungsliste setzen wie die weibliche Bewerberin - sie fällen ihr Urteil also weitgehend unabhängig vom Geschlecht. Unter den Wirtschaftsprofessorinnen gibt es dagegen eine sehr klare Präferenz für die weibliche Kandidatin: Gut 68 Prozent der weiblichen Befragten setzten die Frau auf Platz eins der Berufungsliste.

Höhere Bewertungen für Frauen

Nun hat die Studie an diesem Punkt allerdings einen Mangel: Wie frauenfreundlich sich die Befragten in einem fiktiven Szenario geben, sagt nur bedingt etwas darüber aus, wie sie sich in realen Auswahlsituation verhalten würden. Vielleicht gehen sie davon aus, dass die Gesellschaft ein frauenfreundliches Verhalten von ihnen wünscht - und geben in einem Experiment die entsprechende Antwort.

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Foto: Joachim Müller, Bielefeld

Die beiden Autoren versuchten diesem Einwand mit einem weiteren, leicht abgewandelten Experiment zu begegnen: Statt Professoren zwischen männlichen und weiblichen Kandidaten wählen zu lassen, legte sie ihren Probanden jeweils nur ein Bewerberprofil vor und baten um eine Punktangabe zwischen 0 und 10: Wie stark würden sie die Bewerbung des jeweiligen Kandidaten bzw. der Kandidatin um eine Assistenzprofessur unterstützen?

Das Ergebnis fällt auch hier zugunsten der Frauen aus: Sie erhielten im Schnitt eine höhere Wertung als ein gleich qualifizierter männlicher Bewerber.

Frauen bei Bewerbung um Professur erfolgreicher

So ganz übertragbar auf reale Bewerbungssituationen ist das Ergebnis zwar auch dann nicht. Dennoch ist das Ergebnis so deutlich, dass die Autoren einen Schluss ziehen: "Unsere Daten legen nahe, dass es eine günstige Zeit ist für talentierte Frauen", schreiben sie. Offenbar hätten Wissenschaftler in den USA die Forderung nach Frauenförderung so sehr verinnerlicht, dass sie im Zweifel einer weiblichen Kandidatin den Vorzug geben.

Man kann spekulieren, inwieweit dieser Befund auch für Deutschland gilt. Einen Hinweis darauf liefert der aktuelle Bericht "Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung" der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern: Demnach sind Frauen, die sich um eine Professur bewerben, erfolgreicher als Männer. Jede 18. Bewerberin erhält einen Ruf auf eine Professur, aber nur jeder 23. männliche Kandidat (Hier  lesen Sie den GWK-Bericht).

Allerdings bewerben sich auch deutlich weniger Frauen: Nur 25 Prozent aller Bewerbungen für eine Professur kamen im Jahr 2013 von einer Frau - schon bei den Habilitationen hinken Frauen hinterher. Die guten Einstellungschancen ganz oben können also allein nicht dafür sorgen, dass sich der Frauenanteil unter der Professorenschaft erhöht.

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