Verlage contra Kopierdienst "Das bringt uns zurück ins Mittelalter"
"Über Subito haben wir Zugang zu den großen Uni-Bibliotheken, zum Beispiel in Göttingen, Köln oder Regensburg, über die wir Artikel beziehen", sagt der Bonner Professor Christian Steinhäuser, "das funktioniert sehr schön, sehr schnell. Innerhalb von zwei Tagen haben wir den Aufsatz hier. Aber das ist auch einfach notwendig, um in dieser extrem schnelllebigen Zeit konkurrenzfähig zu sein."
Steinhäuser lehrt Experimentelle Neurobiologie an der Universität Bonn und kann bislang auf Subito zurückgreifen. Der wissenschaftliche Kopienversand der Bibliotheken liefert billig, schnell und zuverlässig. Von dem Angebot profitieren vor allem Forscher, aber auch Studenten. Denn wegen knapper Kassen können viele Bibliotheken sich nicht mehr jede wissenschaftliche Fachzeitschrift leisten.
Doch die Verlage gehen leer aus. Deshalb hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vor dem Landgericht München Klage eingereicht. Sollte Subito gezwungen werden, seine Dienste einzustellen, sieht Steinhäuser für seinen Forschungsbereich schwarz und warnt vor einer "Katastrophe". Mit Subito habe man die exorbitanten Preissteigerungen bei den Zeitschriften auffangen können: "Ich fände es äußerst bedauerlich, wenn dieser Kompromiss uns genommen würde und wir wieder auf Fernleihe zurückgreifen müssten. Dann ist das ein Rückschlag, der bringt uns zurück ins Mittelalter und enorm ins Hintertreffen gegenüber der Konkurrenz in den USA zum Beispiel."
Durch Subventionen günstig
Konkurrenzfähigkeit - genau darum geht es auch dem Börsenverein des deutschen Buchhandels. Subito verlangt vier Euro pro Artikel. Das ist wesentlich günstiger als andere Online-Dienste. Bei anderen Anbietern, den so genannten Pay-per-view-Services, werden pro Artikel 25 Dollar fällig.
Subito ist so günstig, weil der Dienst aus öffentlichen Kassen subventioniert wird, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das habe zur Folge, dass die Abonnements unserer Zeitschriften storniert würden, klagt Christian Sprang, Justitiar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. "Der Staat kann nicht immer nur darüber reden, dass man im Bildungsbereich mehr machen muss, weil wir in dem Bereich ja auch international große Chancen haben", kritisiert Sprang, "wenn man nur noch einen Beitrag verkauft und nicht mehr fünfzehn zum Preis der Zeitschrift, dann muss man das auch irgendwie finanzieren können."
Die Verlage müssten also die Kosten des einzelnen Artikels weitergeben - "und das funktioniert nicht, wenn derselbe Beitrag von einem Dokumentenversand zu Schleuderpreisen angeboten wird", sagt Sprang. So habe zum Beispiel ein wissenschaftlicher Verlag Umsatzeinbußen von 5,7 Millionen Euro zu verzeichnen gehabt.
Bislang zahlt Subito keinen Cent Lizenzgebühr. Den Verlagen ist das ein Dorn im Auge. Deswegen hat der Börsenverein des deutschen Buchhandels vorsorglich auch gleich Beschwerde bei der Europäischen Kommission in Brüssel eingelegt. Sein Argument: Die Bundesrepublik verstoße gegen europäisches Urheberrecht.
Monopoly bei den Verlagen
Der Subito-Vorsitzende Uwe Rosemann spielt den Schwarzen Peter an die Verlage zurück. Diese hätten die Lunte zu einer Preisexplosion gezündet. In den letzten 25 Jahren habe er einen Preisanstieg um mehr als 100 Prozent beobachtet, obwohl Bibliotheken wegen der Probleme der öffentlichen Haushalte viele Zeitschriften stornieren mussten. Und daraus resultiere ja der Bedarf an einem Dienst wie Subito.
"Das eigentliche Problem sind natürlich die starken Preissteigerungen bei den wissenschaftlichen Zeitungen", so Rosemann, "die Sachen müssen einfach bezahlbar bleiben. Es gibt ja auf dem internationalen Verlagsmarkt Monopolisierungstendenzen, die ja wirklich auch bedrohlich sind aus der Perspektive der Wissenschaft. Also hier müssen die Verlage aus meiner Sicht einen kleinen Schritt zurücktreten."
Sollte sich der deutsche Börsenverein mit seiner Klage durchsetzen, droht Subito das Aus. Für die Wissenschaft blieben dann zwei Alternativen: Erstens könnten die Forscher auf die teuren Pay-per-view-Dienste zugreifen, müssten dann aber wegen begrenzter Budgets auf viele Artikel verzichten. Zweite Alternative: Sie kehren zurück zur traditionellen Fernleihe, denn die ist im Moment noch kostenlos.
Beim Gedanken daran sträuben sich dem Mediziner Steinhäuser allerdings die Haare. Bei der Fernleihe komme ein Buch nach zwei bis drei Wochen, auf dieser Basis sei wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich. "Wenn ich aufgefordert bin, einen Artikel innerhalb von zwei Wochen zu bewerten, dann kann ich nicht drei Wochen auf die Literatur dazu warten", protestiert Steinhäuser.
"Campus & Karriere" / Deutschlandfunk