Viva Cuba Filmemacher auf Fidels Insel

Der Düsseldorfer Medien-Student Daniel Müller wagte für ein halbes Jahr den Sprung nach Kuba. Er kam zurück mit einer Menge neuer Erfahrungen und zwei Filmen im Gepäck.
Von Tino Hanekamp

Es ist noch kalt an diesem Morgen im Oktober. Nebel hängt über der Startbahn des Düsseldorfer Flughafens, die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Daniel Müller wartet im Rumpf einer Boeing auf den Abflug. Er hat bereits mit seinen Freunden Abschied gefeiert, seine Wohnung gekündigt und die Möbel verschenkt. Was von seinem Hausrat übrig blieb, lagert verpackt in acht Kisten im Keller seiner Tante. Daniel macht sich auf den Weg nach Kuba.

Zehn Stunden später landet der Flieger auf dem Flughafen "José Marti" am Stadtrand von Havanna. Ein Kubaner nimmt den 26-jährigen Deutschen in Empfang und fährt mit ihm nach San Antonio de los Baños, in die Escuela Internacional de Cine y Television (EICTV), der angesehenen Internationalen Schule für Film und Fernsehen. Für die nächsten sechs Monate ist das Daniels Heimat. Hier wird er zwei Filme drehen. Doch von vorn.

Seit Oktober 1998 studiert Daniel an der Kunsthochschule für Medien in Köln (KHM) im Studiengang Audiovisuelle Medien, Fachbereich Film und Fernsehen. Sein Ziel: "Ich will Filme machen, vielleicht Dokumentarfilme. Mal sehen." Die KHM pflegt enge Kontakte zur angesehenen kubanischen EICTV. Jedes Jahr reisen jeweils zwei Studenten aus Kuba nach Köln und umgekehrt. Das wollte sich Daniel nicht entgehen lassen: "Wenn einem die Schule die Möglichkeit bietet, so was zu machen, dann los."

Der große Schnitt im Leben

Jetzt steht er hier in San Antonio, 30 Kilometer von Havanna entfernt. Es ist kurz vor Mitternacht, die Hitze ist immer noch drückend. Das weitläufige Gelände der Film- und Fernsehschule gleicht einem Dorf. Daniel teilt sich eine kleine Wohnung mit seiner Kölner Kommilitonin Ruth. Er hat jeden Tag sechs Stunden Unterricht, zusammen mit Film-Studenten aus aller Welt. Man spricht Spanisch, die Einheimischen mit Dialekt. Das macht die Verständigung nicht gerade einfacher. "Oh Mann, ich versteh´ hier fast gar nichts", klagt Daniel. Vor der Reise hat er ein wenig Spanisch gelernt. Nach ein paar Wochen klappt auch das mit der Sprache reibungslos.

"Ich wollte Herausforderungen, einen großen Schnitt im Leben und einen schönen Film drehen", sagt Daniel über seine Zeit in Kuba. Für den Film hatte er 5.000 Mark zur Verfügung, Geld vom Filmbüro Nordrhein-Westfalen und von der KHM. Es ist Daniels erstes Projekt, da gibt es Unterstützung. Und die muss reichen, um Material, Schauspieler, Techniker und Statisten zu bezahlen. Insgesamt 20 Leute arbeiten für Daniel. In Kuba ist so etwas möglich. Hier verdient ein Lehrer umgerechnet etwa zehn Dollar im Monat, ein Arzt 20.

Der Kämpfer

Daniels Filmprojekt heißt "El Peleador" - "Der Kämpfer". Ein Kurzfilm über den jungen kubanischen Boxer Manuel, einen großen Kampf und seine Entscheidung zwischen Freundin und Vater, der gleichzeitig sein Trainer ist. Am Ende gewinnt Manuel den Kampf und verlässt beide, Vater und Geliebte. "Eigentlich wollte ich ein Road-Movie drehen. Aber Kuba ist ein Boxland. Kampfsport ist hier sehr präsent, und so entstand ‚El Peleador'", erklärt der Jung-Regisseur.

In der Filmschule herrscht reger Austausch zwischen Studenten und Professoren. Es lehren Film-Größen aus aller Herren Länder und den unterschiedlichsten Bereichen - Drehbuch-Autoren, Regisseure und Kamera-Männer. An eine Wand des Schulgebäudes hat einst Francis Ford Coppola die Worte "Art never sleeps!" gesprüht. Die Schule ist ein multikultureller Treff der Filmkunst. In einem Land, das in den vergangenen Jahren mit grandiosen Filmen in der Szene Furore machte und in dessen Hauptstadt Havanna alljährlich das berühmte Internationale Festival des Neuen Lateinamerikanischen Kinos stattfindet. "Die Gespräche und Impulse, die ich in Kuba erfahren habe, wären in Deutschland nie möglich gewesen", sagt Daniel. Er genießt die kreative Spannung vor Ort und dreht ganz nebenbei noch einen kleinen Dokumentarfilm über die Bauern hinter der Schule.

Im April kehrt ist Daniel nach Deutschland zurückgekehrt, im Gepäck einige hundert Meter Film und das, was man aus Büchern und Vorlesungen nie mitnehmen kann: Erfahrungen. Zur Zeit schneidet er das Filmmaterial in Köln. Er vollendet den Streifen auf eigene Kosten, denn er hat Großes vor. Ende Juli soll sein etwa zwölfminütiger Kurzfilm fertig sein - in Spanisch mit deutschem Untertitel. Dann schickt er ihn nach Havanna, und mit etwas Glück wird "El Peleador" im Dezember auf dem Internationalen Festival des Neuen Lateinamerikanischen Kinos aufgeführt.

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