Vortrags-Panne Uni Trier brüskiert renommierten Kriegsforscher

Kriegshistoriker Martin van Creveld: Bekannt für provokante Thesen
Foto: AFP"Seine bisherigen Werke sind zahlreich übersetzt und mitunter kontrovers diskutiert worden", heißt es in der Ankündigung des Gastdozenten und Kriegshistorikers Martin van Creveld - einem "weltweit führenden Experten für Militärgeschichte und -strategie". Zum Vortrag van Crevelds schreibt das vom Land Rheinland-Pfalz geförderte Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum (HKFZ) der Uni Trier, van Creveld halte "einige interessante Thesen" zum Thema Frauen und Kriegsspiele bereit.
"Interessant" fanden van Crevelds Thesen am vorvergangenen Montag wohl nicht alle Trierer Zuhörer - einigen Studenten gingen die Ansichten des Wissenschaftlers deutlich über das erträgliche Maß hinaus. In einem Beschwerdebrief des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) werden van Crevelds Thesen als "frauenfeindlich, militaristisch, latent antiisraelisch, nicht zuletzt vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv" bezeichnet. Zusammen mit einer Reihe linker Hochschulgruppen forderte der Asta vier Tage nach dessen Einstandsvortrag die Entlassung des Gastdozenten.
Lieben Frauen das Abschlachten?
Und nicht nur bei den Studenten scheint van Crevelds Vortrag schlecht angekommen zu sein: Am Dienstag gab die Uni Trier bekannt, dass die Zeit des Historikers als Visiting Fellow zum 1. November vorzeitig beendet werde. Die Gründe für die Entscheidung werde die Uni in den nächsten Tagen bekanntgegeben.
Der Vortrag, der den Ärger auslöste, trug den Titel "Männer, Frauen, Kriegsspiele und Kultur". Van Creveld hatte darin unter anderem die These aufgestellt, viele Frauen würden es "genießen, dabei zuzuschauen, wie Männer sich gegenseitig abschlachten". Rund 50 Studenten hatten sich den Vortrag angehört, zuvor waren beim Asta keine Beschwerden über den Dozenten eingegangen.
Obwohl zwei Studenten den Raum verließen, hat Historiker van Creveld die Reaktionen der Anwesenden als überwiegend positiv in Erinnerung. "Es gab einen beachtlichen Applaus, gefolgt von einer Diskussion, die länger dauerte als der Vortrag selbst", sagte er SPIEGEL ONLINE. Nach dem Vortrag habe ihm nur ein Student persönlich gesagt, dass er die Thesen sexistisch fand.
Auch bei einem an die Veranstaltung anschließenden Abendessen mit Trierer Professoren habe keiner der Anwesenden seine Äußerungen kritisiert, sagt van Creveld. Ulrich Port, Dekan des Fachbereichs Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, der dabei war, widerspricht. Er sagt, er selbst habe mit van Creveld über die Inhalte diskutieren wollen, dieser habe sich darauf aber nicht eingelassen. Stattdessen soll van Creveld ständig seine Angst vor dem Verlust der Meinungsfreiheit in Europa zum Ausdruck gebracht haben.
Zur Beschwerde des Astas meint van Creveld, der Brief sei wohl auf Basis von Gerüchten verfasst worden - schließlich dürfte kaum einer der Unterzeichner seinen Vortrag selbst gesehen haben. Es sei auch lächerlich, einen Juden, der seit 1950 in Israel lebt, als latent antiisraelisch zu bezeichnen.
Für provokante Thesen bekannt
Der in den Niederlanden geborene van Creveld, der 37 Jahre lang an der Hebräischen Universität in Jerusalem lehrte, beriet unter anderem das amerikanische Verteidigungsministerium und ist für seine provokanten Ansichten bekannt. Die vertritt er in renommierten Medien ebenso wie in umstrittenen. Mehrmals wurde er in den vergangenen Jahren etwa in der rechts-konservativen Wochenzeitung "Junge Freiheit" interviewt. 2009 sagte van Creveld dem Blatt: "Der wahre Grund, warum es Kriege gibt, ist, dass Männer den Krieg lieben und Frauen den Krieger."
In der deutschsprachigen Wikipedia finden sich kritische Anmerkungen zu van Creveld, er vertrete eine antifeministische Haltung und zeichne ein mittelalterliches Frauenbild. Hat sich die Uni Trier zu wenig mit ihrem Gast beschäftigt? Dekan Port räumt ein, dass ihm van Creveld lediglich in seiner Rolle als renommierter Militärexperte bekannt gewesen sei. Seine Thesen zur Frau als treibender Kraft in militärischen Konflikten habe er nicht gekannt. Eine Stunde vor dem Vortrag habe ihm eine Assistentin den Wikipedia-Eintrag des Gastdozenten vorgelegt. "Erst zu diesem Zeitpunkt ahnte ich, was da auf uns zukommt", sagt Port.
"Hätte ich schon früher mehr über van Creveld gewusst, wäre ich kategorisch gegen seine Gastprofessur gewesen", sagt der Dekan. "Das, was er über Frauen äußert, ist nicht wissenschaftlich, sondern eine Anreihung von Klischees, die insbesondere mit dem aktuellen Stand der Geschlechterforschung nichts zu tun haben." Es sei richtig gewesen, sich von van Creveld zu trennen. Der Asta der Uni Trier begrüßt die Trennung ebenfalls, kritisiert allerdings, die Uni habe nicht genau gewusst, wen sie sich einlade.
Martin van Creveld fühlt sich von den Studentenvertretern und der Hochschule ungerecht behandelt. Er habe in Trier gelernt, "dass einige deutsche Studenten nichts aus der Bücherverbrennung von 1933 gelernt" hätten. Außerdem gebe es unter deutschen Akademikern "Feiglinge, die die Meinungsfreiheit und ihre Kollegen opfern würden, damit sie sich keinen Ärger einhandeln".
Van Creveld hätte in Trier noch ein Seminar und einen weiteren Vortrag halten sollen. Zudem sollte er laut HKFZ-Ankündigung das Zentrum "bei der weiteren wissenschaftlichen Profilierung und Theoriebildung" unterstützen.