
Silvana Koch-Mehrin: FDP-Politikerin unter Abschreibe-Verdacht
Vorwurf von Plagiatsjägern Koch-Mehrin soll seitenweise abgeschrieben haben
Es ist ein Zwischenbericht (hier als PDF ), mit dem die Plagiatsjäger im Netz auf ihre Arbeit aufmerksam machen wollen und den sie an diesem Dienstag veröffentlicht haben: Demnach soll die FDP-Politikerin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Silvana Koch-Mehrin, in ihrer Dissertation nicht nur unsauber gearbeitet, sondern getäuscht haben. Auf mehr als einem Viertel der Seiten seien Textstellen zu finden, bei denen die Quellen nicht korrekt angegeben wurden.
Plagiate seien über die gesamte Dissertation verteilt. Das lasse darauf schließen, "dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden", heißt es bei VroniPlag Wiki , jener Seite, über die sich die anonymen Plagiatsjäger organisieren. Dort präsentieren sie die Ergebnisse - wie im Fall Guttenberg im GuttenPlag Wiki - auch als Strichcode, der auf einen Blick zeigt, wie umfangreich die Fundstellen sind. "Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden auf 56 von 201 Textseiten (...) Plagiatsstellen dokumentiert", heißt es dort.
Die Darstellung zeigt allerdings auch: So gravierend wie im Fall Guttenberg und im Fall der Stoiber-Tochter und Juristin Veronica Saß, die zu den Vorwürfen bislang schweigt, scheinen die Verstöße Koch-Mehrins bei weitem nicht zu sein - sowohl was Ausmaß als auch Art angeht. Die FDP-Frau hat den bisherigen Erkenntnissen nach vor allem darstellende Schilderungen aus Standardwerken und Handbüchern übernommen.
Manche Fundstellen fallen allerdings schwer ins Gewicht: So ist dem Bericht nach eine Seite fast komplett aus Handbüchern wörtlich abgeschrieben worden, ohne die Quellen zu nennen. Andere Fundstellen beziehen sich lediglich auf kurze Sätze.
Plagiatsjäger informierten die Universität Heidelberg
Was die Suche der Aufklärer erschwert: Einige der von Koch-Mehrin verwendeten Quellen lagen zu Beginn der Überprüfung nicht digital vor. Die Plagiatsjäger mussten die Literatur zum Teil erst beschaffen und digitalisieren. Das heißt allerdings auch: Koch-Mehrin hat, als sie ihre Dissertation schrieb, nicht einfach per "Copy and Paste" Texte übernommen. Sie muss sie zumindest abgetippt haben.
Die Plagiatsjäger hatten in der vergangenen Woche bereits bei der Uni Heidelberg angerufen und über den Verdacht informiert. Zu diesem Zeitpunkt ging es erst um 15 Textstellen, mittlerweile ist die Liste massiv angewachsen. In Heidelberg hatte sich Koch-Mehrin vor gut zehn Jahren mit ihrer Arbeit "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik" promovieren lassen. Die Arbeit war mäßig mit "cum laude" bewertet worden. Seit dem Anruf prüft die Hochschule die Vorwürfe. Der Promotionsausschuss wird noch mindestens zweimal tagen, Ende April und Anfang Mai. Danach soll entschieden werden, ob Koch-Mehrin zu einer Stellungnahme eingeladen wird. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg kündigte an, zunächst abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Universität kommt.
Die FDP-Frau selbst schweigt auch auf mehrfache Nachfrage zu den Vorwürfen. Ihr Sprecher verweist an die Uni und die zuständigen Gremien.
Die Plagiatsjäger im Netz sind bemüht, ihre Arbeit ausführlich zu dokumentieren. Sie unterscheiden zwischen verschiedenen Plagiatstypen, etwa dem "Komplettplagiat", bei dem ganze Abschnitte wörtlich übernommen wurden. Oder dem "Bauernopfer", bei dem zwar eine Fußnote angegeben wird, die sich aber nur auf einen Teil des Originaltextes bezieht. Wie genau jede Fundstelle verifiziert wurde, lässt sich auf der Internetseite nachlesen.
Debora Weber-Wulff, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, ist eine der wenigen, die öffentlich zu ihrer Arbeit bei VroniPlag stehen: "Ich bin ein ganz kleiner Teil davon." Das Thema interessiere sie fachlich: Die Informatikerin entlarvte vor fast zehn Jahren ein Drittel der bei ihr eingereichten Arbeiten als abgekupfert, zumindest in Teilen. Seitdem macht sie Jagd auf Mogler und Schummler im Wissenschaftsbetrieb, testet Anti-Plagiats-Software und trainiert Dozenten, damit sie Fälschungen aufdecken. Sie sieht in der Doktorarbeit von Koch-Mehrin klare Verstöße gegen den Codex wissenschaftlichen Arbeitens: "Meine Studenten hätten für so etwas eine Fünf bekommen."