Wehrpflicht-Aussetzung KMK-Präsident warnt vor Studenten-Springflut

Bundeswehr-Rekruten: Drängen 2011 über 50.000 nicht Gezogene an die Hochschulen?
Foto: dapdDie Wehrpflicht ist eine Form, eine Armee zu stellen, die sich kaum ein westliches Land mehr leistet. Sie kostet viel und ist den Anforderungen an eine Armee, die international kämpft, nicht gewachsen. Doch auch, wenn es an der Zeit scheint, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden: Für Studienanfänger und für die deutschen Hochschulen wird die anvisierte Aussetzung des Zwangsdienstes im Jahr 2011 schwer wiegende Konsequenzen haben.
Erneut hat nun der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK) und Bayerns Kultusminister, Ludwig Spaenle (CSU), darauf hingewiesen, dass die deutschen Hochschulen 2011 bei Aussetzung der Wehrpflicht mit bis zu 50.000 zusätzlichen Studenten rechnen müssen. Die KMK habe daher einen Staatssekretärs-Ausschuss beauftragt, nach Wegen zu suchen, wie das Problem gemeistert werden könne. "Dann werden wir sehen, ob möglicherweise eine Ausweitung des Hochschulpaktes notwendig ist", sagte Spaenle der Tageszeitung "Handesblatt". Mit dem Pakt sollen zusätzliche Studienplätze finanziert werden.
GWK-Beschlüsse: Wer gibt wieviel für was?
Bis 2015 sollen 275.000 Studienplätze mehr als 2005 geschaffen werden. Die Kosten von rund 6,4 Milliarden Euro wollen sich Bund und Länder teilen. Gegenüber dem 2007 geschlossenen Hochschulpakt I, der bislang 91.000 zusätzliche Anfängerplätze bis 2010 vorsah, sollen die Ausgaben pro Studienplatz von 22.000 Euro auf 26.000 Euro aufgestockt werden. Hinzu kommt eine Forschungsprogramm- Pauschale von rund 1,5 Milliarden Euro. Sie soll bei Projekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine bessere Sachmittelausstattung an den Hochschulen sorgen. Die Kosten trägt allein der Bund. Quelle: dpa
Für die Fortschreibung der noch bis 2011 laufenden Exzellenzinitiative sind 2,7 Milliarden Euro vorgesehen. Der Bund soll erneut drei Viertel der Kosten tragen, die Länder den Rest. Die Mittel werden erneut im Wettbewerb vergeben. Die erste Exzellenzinitiative, die noch von der rot-grünen Vorgängerregierung gestartet wurde, hatte ein Volumen von 1,9 Milliarden Euro. Ziel ist der Aufbau einer international anerkannten Spitzenforschung an deutschen Universitäten. Geplant sind erneut drei Programmsäulen mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten. In der dritten Programmlinie werden Konzepte für den Ausbau zu Elite-Universitäten prämiert. Quelle: dpa
Der noch vor der Bundestagswahl 2005 geschlossene Pakt soll fortgesetzt werden - ebenfalls bis 2015. Der Bund hat vorgeschlagen, die Etats der großen Forschungsorganisationen jährlich um mindestens fünf Prozent aufzustocken - auch, um Tariferhöhungen und gestiegene Energiekosten auszugleichen. Die Grundförderung der fünf großen Forschungsorganisationen - darunter die Max-Planck-Gesellschaft und die DFG - betrug 2008 rund 5,7 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Schon jetzt ist die Zahl derjenigen, die überhaupt in eine Kaserne einrücken, gering. Nur etwa jeder sechste junge Erwachsene geht zum Bund, über die Hälfte eines Altersjahrgangs wird weder fürs Militär noch zu einem Ersatzdienst herangezogen. Bereits im Juni war der KMK erstmals aufgefallen, dass eine Aussetzung der Wehrpflicht zu einer Studentenschwemme im kommenden Jahr führen kann. Ein Mitarbeiter der Hamburger Wissenschaftsbehörde sprach Ende September gegenüber SPIEGEL ONLINE sogar von knapp 60.000 jungen Männern, die früher als bislang gedacht in die Hochschulen strömen könnten.
War vor allem die bayerische CSU gegen ein Rütteln am Dienst mit der Waffe, sind sich die Unionsparteien inzwischen einig, dass die Wehrpflicht ausgesetzt werden soll. Ungünstiger könnte der Zeitpunkt für die Hochschulen allerdings kaum sein, denn schon ab nächstem Frühjahr wird es ohnehin ungemütlich eng in den Hörsälen. So viele junge Leute wie noch nie zuvor werden ein Studium aufnehmen, auch weil sich die Verkürzung der Gymnasialzeit auswirkt. Die doppelten Abiturjahrgänge strömen an die Hochschulen. In Bayern und Niedersachsen ist es 2011 so weit, sechs weitere Bundesländer folgen bis 2014. Auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, warnte, die Situation werde sich mit der Abschaffung der Wehrpflicht noch verschärfen.
Die Hochschulen würden zwar "alles daran setzen, dieser zusätzlichen Herausforderung gerecht zu werden", sagte Wintermantel. Doch dazu bräuchten sie die flexible Handhabung des Hochschulpaktes. Es müssten also Mittel früher fließen als bisher vorgesehen.