Welt-Aidstag Keine Gratiskondome für Pekings Studenten

Die Universität Peking gibt sich sittenstreng und findet, dass Kondome nur die Zügellosigkeit fördern. Deshalb stoppte sie die Verteilung kostenloser Gummis auf dem Campus. Die Aktion zum Welt-Aidstag passt nicht ins prüde Konzept - die Studenten sollen Askese lernen und auf Sex vor der Ehe verzichten.

"Mach's mit" - mit dieser Losung aus der Anti-Aids-Kampagne in Deutschland hätten Universitätsoffizielle in China größte Schwierigkeiten. Die Leitung der Universität Peking wehrt sich, offenbar erfolgreich, gegen das Vorhaben, zum Welt-Aidstag am kommenden Mittwoch auf dem Campus kostenlos 1000 Kondome zu verteilen.

Die Hochschule ist eine von landesweit 34 Bildungsanstalten, an denen die chinesische Regierung Gratis-Verhüterli verteilen und damit ein Zeichen für den Kampf gegen die Ausbreitung von Aids setzen will, wie die staatliche Nachrichtenagentur "Xinhua" berichtet.

Nichts da, meinte die Universitätsleitung. Es sei "unangemessen, auf dem Universitätsgelände offen Kondome zu verteilen", besonders vor dem größten Hörsaal, wie es geplant war. "Wir sollten das Hauptaugenmerk darauf legen, Studenten dazu zu bringen, dass sie keinen Sex vor der Ehe haben", sagte Zhou Boahua, der Leiter der Pekinger Universitätsklinik. "Kondome sind bloß ein erzieherisches Hilfsmittel für diejenigen, die sich selbst nicht kontrollieren können."

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China: Rebellion gegen rote Sexualmoral

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Manche Universitäten fürchteten, die Ausgabe von Kondomen könne zu unerwünschtem Streit führen, sagte der Arzt Sun Peiyuan, der die Anti-Aids-Kampagne in China mitorganisiert. Die Universitäten stellten sich selbst als "sauber" dar. Entgegen dieser Darstellung seien an Pekings Universitäten seit dem Jahr 2000 wiederholt Aids-Fälle festgestellt worden, so Sun.

China droht Aids-Welle

Chinesische Offizielle tun sich auch sonst schwer damit anzuerkennen, dass Aids ein Problem im eigenen Land ist. Die Zahl der Infizierten wird offiziell auf weniger als eine Million beziffert. Nach Expertenschätzungen sind aber allein in der zentralchinesischen Provinz Henan so viele Menschen infiziert, die sich durch verseuchte Blutkonserven angesteckt haben. Bis zum Jahr 2010, so eine Schätzung der Vereinten Nationen, könnten in China 10 Millionen Menschen an Aids sterben, sollten keine effizienten Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Im bevölkerungsreichsten Land der Erde tobt seit einigen Jahren ein Kulturkampf zwischen der Führung, die sozialistische Prüderie predigt, und Chinas Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Denn die halten sich nicht mehr an den Grundsatz, dass sexuelle Beziehungen vor der Ehe unschicklich seien.

Rund die Hälfte aller Gymnasiasten und 80 Prozent der Berufsschüler haben sexuelle Beziehungen, lautete das Ergebnis einer Studie in der südchinesischen Stadt Kanton. Aufklärung dürfen sie dabei von ihrer Schule kaum erwarten, Schwangerschaftsabbrüche unter Schülerinnen häufen sich. Viele Schüler haben keine Ahnung von Verhütungsmitteln wie Kondomen, Pessaren oder der Pille.

Wiederholt flogen sogar Studenten wegen unehelicher Schwangerschaften von ihrer Hochschule. Dabei debattieren Funktionäre nach wie vor, ob Studenten überhaupt heiraten dürfen.

Ganz konsequent in ihrer gummifeindlichen Politik ist die Pekinger Universität allerdings nicht: Kaufen kann man Präservative auf dem Hochschulgelände schon, weitere 1000 Kondomautomaten werden gerade in der chinesischen Hauptstadt montiert.

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