Rat vom WG-Psychologen Er ist ganz nett, dürfen wir ihn trotzdem rauswerfen?

Putzplanprobleme? Keine. Zu laute Musik? Nein. Dauernd Streit? Auch nicht. Dennoch will Hannas WG ihren Mitbewohner loswerden. Es passt nicht - rechtfertigt das einen Rauswurf? Der WG-Psychologe hat eine klare Meinung.
Es liegt nicht an dir - aber verzieh dich doch bitte

Es liegt nicht an dir - aber verzieh dich doch bitte

Foto: Corbis

WG-Krach war für Ludger Büter lange Alltag. Der Psychologe schlichtete im Auftrag des Kölner Studentenwerks Konflikte in Wohngemeinschaften. Auf dieser Seite lindert er den WG-Kummer. Schreibt uns, was euch in den Wohnwahnsinn treibt (wg-kummer@spiegel.de ).

Hanna*, 22, schreibt:

Lieber WG-Psychologe,

ich wohne mit einer Freundin zusammen, wir verstehen uns gut, machen Party und hängen mit Freunden ab. Wir haben noch einen dritten Mitbewohner. Leider passt er nicht zu uns. Nicht dass er unfreundlich wäre. Man kann mit ihm plaudern, mehr aber auch nicht. Wir sind ganz banal nicht auf einer Wellenlänge. Meine Mitbewohnerin und ich wünschen uns aber jemanden, der auch ab und zu mal zu Hause ist und seinen Lebensmittelpunkt nicht in der Uni hat. Wir haben einen sehr gemütlichen Wintergarten, den wir gerne zu dritt nutzen würden.

Ich fühle mich mit ihm in meiner WG nicht so, wie ich mich gerne fühlen würde. Da fehlt was. Meine Frage: Können wir ihn einfach so rauswerfen? Nur weil wir ihn nicht mögen? Kann ich ein Gespräch mit ihm führen und sagen: Wir finden, dass es nicht passt, und möchten, dass du ausziehst.

Können Sie mir einen Rat geben? Ich bin schon einmal ein ganzes Wochenende zu meinen Geschwistern nach Berlin geflüchtet, weil ich es in der Wohnung nicht ausgehalten habe. Ich möchte die Sache nicht einfach retten. Ich will sie erneuern.

* Name geändert

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Ratgeber fürs Zusammenwohnen: Was nun, Herr WG-Psychologe?

Foto: Corbis

WG-Psychologe Ludger Büter antwortet:

Liebe Hanna!

Ihre Vorentscheidung für eine Lösung scheint gefallen. Es fällt Ihnen schwer, einen Mitbewohner rauszuwerfen, den Sie als freundlich, umgänglich, fleißig im Studium beschreiben und dem Sie nichts vorzuwerfen haben als mangelnde Beteiligung an Ihrem höchst lebendigen WG-Leben. Wenn ich richtig verstehe, wollen Sie ihn verdrängen, weil Sie von dem, was Ihnen in der WG gefällt, gerne noch mehr haben wollen: Nicht zwei Mieter gleicher Wellenlänge sollen im Wintergarten sitzen und Partys feiern, sondern alle drei sollen es sein.

Wenn Sie die Position innehaben, ihm kündigen zu können, müssten Sie auch an seiner Auswahl beteiligt gewesen sein. In diesem Fall ist die Wahl des vermeintlich falschen Mitbewohners Ihr eigenes Versäumnis. Sollten Sie dieses tatsächlich auf Kosten Ihres Mitbewohners und aus dem genannten Motiv bereinigen?

Dieser kaufte sich mit seinem Wohnrecht keineswegs die Verpflichtung ein, seinen Lebensmittelpunkt in die WG zu verlegen. Wenn er seinen Standort so ausgedehnt an der Uni bezieht, könnte das - nebenbei gesagt - auch eine Reaktion auf das sein, was er in der WG erlebt. Darüber hinaus steht im Lebensmittelpunkt von Studierenden vor allem das Lernen, welches sowohl an der Uni als auch zu Hause stattfindet.

Um es klar zu formulieren: Mangel an Verbundenheit und Freundschaftsbekundungen ist kein Kündigungsgrund. Wäre das so, wechselten WG-Nachbarn einander wie die Hemden und WG-Leben bliebe eine Fiktion. Im Übrigen ist ein so intensiver Austausch von Sympathie, wie Sie es sich wünschen, oft auch instabil, was Sie längerfristig mit Ihrer Freundin durchaus noch erfahren könnten und an anderer Stelle gewiss schon erlebt haben.

Ihr Nachbar macht im Grunde alles richtig: Er wahrt eine freundliche Distanz, ist angepasst und nimmt sein Studium ernst. Mein bester Rat für Sie ist es, nicht die WG zu erneuern, sondern die Rolle Ihres Mitbewohners anders wahrzunehmen und die eigenen Ansprüche an Ihr WG-Leben zu überdenken.

Du hast WG-Kummer?
Foto: Silja Götz

Wohngemeinschaften sind toll, das einzig Lästige sind die Mitbewohner. Sie leeren dein Nutella-Glas, haben lauten Sex und noch lautere Musikanlagen. Oder weint dein Zimmernachbar dauernd und wirkt depressiv? Schreist du alle nur noch an? Bei WG-Kummer hilft Erziehungswissenschaftlerin Sabine Stiehler. Schick deine Fragen, Sorgen, Probleme an wg-kummer@unispiegel.de . Mit einer Einsendung erklärst du dich mit einer anonymen Veröffentlichung auf SPIEGEL ONLINE und sämtlichen anderen Medien der SPIEGEL-Gruppe einverstanden.

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WG-Typen: Willst du mit mir wohn'?

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