
Obama vor Studenten: Präsidenten-Fans im Heiligen Land
US-Präsident vor Studenten Obamas Anti-Resignations-Pille
Enttäuscht war er schon, bevor der amerikanische Präsident überhaupt zu reden begann. Schließlich war Jonathan Muehlstein, 24, gar nicht eingeladen, obwohl er Student ist. Die amerikanische Botschaft hatte die Rede von Barack Obama in Israel organisiert, Studenten bewarben sich via Facebook, und die Botschaft wählte aus, wohl vor allem Obama-Unterstützer.
Damit waren auch Muehlstein und seine Kommilitonen ausgeschlossen, die an der Hochschule in Ariel studieren, in einer Siedlung im palästinensischen Westjordanland. Obamas Administration setzte damit ein Zeichen gegen die israelische Sieldungspolitik. Muehlstein empörte sich und fragt: "Bin ich denn kein Israeli? Warum werde ich diskriminiert?" Vor dem Convention Center, wo Obama redete, stand er am Abend allerdings mit einem Mitstudenten allein da, mehr waren zu Muehlsteins Anti-Obama-Demo nicht gekommen.
Im Saal hatte Obama bei seiner Israel-Premiere als Präsident sein ausgewähltes, junges Publikum, etwa 2000 Studenten. Und selbst wenn seine Zuhörer sich nicht immer einig waren, manche demonstrativ nicht klatschten, während andere vor Jubel von ihren Sitzen aufsprangen, hat er Eindruck gemacht. "Diese Rede ist eine Anti-Resignationspille", sagte Noam Herzog, 25. "Hoffentlich."
"Ich will, dass meine Kinder anders aufwachsen"
Ihren Präsidenten kannte die Amerikanerin Kaylee Niss, 21, bisher nur aus dem Fernsehen. Ausgerechnet während ihres Auslandssemesters an der Universität von Haifa, sah die Studentin aus Kalifornien ihn nun erstmals live. "Es ist gut, dass er überhaupt kommt", sagte Kaylee. Ihre israelischen Freunde sorgten sich derzeit vor allem um ihre Sicherheit, sie hätten Angst davor, dass die USA nicht weiter an ihrer Seite stehen. Wenn Obama sie heute beruhige, sei das schon mal ein Erfolg.
Noch bevor Obama ans Pult trat, blitzten im großen Auditorium des Jerusalem Convention Centers die iPhones. Stars and Stripes neben dem blauen David-Stern, über fünf Meter hoch spannen sich die beiden Flaggen auf der Bühne nebeneinander, wie ein Paar, gleich groß. Die Studenten stellten sich im Saal, aus der Ferne davor, fotografierten sich. Dem Präsidenten konnten sie später schließlich schlecht den Rücken zudrehen.
Ella Simhoney, 26, Offizierin der Reserve, hatte Obama sogar eine Torte gebacken. Ein wenig Zuversicht, dass Obamas Sicherheitsleute sie weitergeben, hatte Ella. Auch sie sorgt sich vor allem um die Sicherheit ihres Landes, will, dass sich im Friedensprozess endlich etwas bewegt. "Ich habe im zweiten Libanon-Krieg und in der jüngsten Gaza-Offensive kämpfen müssen. Ich will, dass meine Kinder anders aufwachsen."
Die jungen Männer und Frauen im Publikum sind nicht nur Studenten, sondern in den meisten Fällen auch Soldaten, die ihre Pflichtzeit beim Militär, 20 Monate für die Frauen, 36 Monate für die Männer, erst seit kurzer Zeit hinter sich haben, manche davon auch in den palästinensischen Autonomiegebieten.
Die Studenten plauderten, fotografierten, warteten. Und plötzlich war er da, lugte kurz an den Fahnenstangen auf der Bühne vorbei, wie ein Student, der zu spät in einen vollbesetzten Hörsaal kommt, und federte dann lässig ins Rampenlicht: der Präsident der USA, Barack Obama. Die Studenten jubelten.
Eine ungewöhnlich kritische Rede
Obama sagte das, was Kaylee Niss sich wünschte: Israel werde sich auch weiterhin auf die USA verlassen können. Nur durch Verhandlungen lasse sich dauerhaft Frieden zwischen Israel und den Palästinensern schaffen, von dem jeder profitieren könne. Er beschrieb aber auch sehr deutlich die Ungerechtigkeiten, denen Palästinenser ausgesetzt seien, er beschwor die jungen Israelis, sich in die Lage der Nachbarn hineinzuversetzen. Eine ungewöhnlich kritische Rede, für die ihn Politiker später angriffen. Der Präsident setzte und hoffte, demonstrativ und deutlich, auf die kommende Generation.
Alle klatschten, als Obama versicherte, Israel nach Kräften weiterhin unterstützen zu wollen, als er Israel als jüdischen Staat bezeichnete und die Hisbollah als eine terroristische Organisation. Als er aber die israelischen Siedlungen in der Westbank als ein Hauptproblem im Friedensprozess nannte, applaudierte zwar die Mehrheit, einige hielten ihre Hände aber auch demonstrativ im Schoß.
"Ich bin froh, dass er gekommen bist", bilanzierte Noam Herzog, Student der Jerusalemer Hebräischen Universität. "Es gibt zu viele bei uns, die den Friedensprozess aufgegeben haben, die frustriert und resigniert sind, dass sich etwas ändern wird. Und unsere neue Regierung hat offenbar auch andere Prioritäten. Diese Rede hat die Zwei-Staaten-Lösung zumindest wieder auf die Agenda gesetzt." Und auch Roi Herman, 25, gewann dem Besuch etwas ab: "Ob sich diese idealen Lösungen wie das Räumen von Siedlungen auch umsetzen lassen, wird sich zeigen. Zumindest ist Obama für mich jetzt aber glaubwürdiger, weil er selbst hier gewesen ist. Er kennt des Land nicht mehr nur von der Landkarte."
Enttäuscht hat die Rede Sahar Jawad Jamhour, 19, Studentin des Al-Qasemi College in Baqa al-Gharbiyye nahe Haifa. "Er hat uns arabische Israelis nicht mit einem Wort erwähnt, von Israel immer nur als einem jüdischen Staat gesprochen. Gehören wir denn nicht dazu? Mich hat das verletzt."