Hochschulen in Deutschland Wissenschaftsrat beklagt zu gute Noten an Unis

Vorlesung an der Uni: "Nur eingeschränkte Aussagekraft"
Foto: Fabian Stratenschulte/ picture alliance / dpaHamburg - Auf ihrer Herbsttagung an diesem Freitag in Hamburg sparten die Experten des Wissenschaftsrats nicht mit deutlichen Worten. Ihren über 800 Seiten starken, mit Zahlen gesättigten Arbeitsbericht versahen sie mit einem vorangestellten wissenschaftspolitischen Kommentar - eine ungewöhnliche Textform für das nüchterne Gremium. Tenor: Professorinnen und Professoren hierzulande geben im Schnitt zu gute Noten.
Lehrende an Hochschulen bewerten demnach über drei Viertel aller Abschlussprüfungen mit den Noten "sehr gut" oder "gut". Den Hang zur Kuschelnote teilen indes nicht alle Disziplinen, der Wissenschaftsrat spricht von "spezifischen Fachkulturen".
Während 98 Prozent der Biologiestudenten mit ihrem Diplom eine der beiden obersten Noten erreichen, schaffen dies im Jura-Staatsexamen nur sieben Prozent der Studenten. Deshalb besäßen die Noten "nur eingeschränkte Aussagekraft über Gruppengrenzen hinaus".
"Differenzierungen scheinen sich zunehmend auf den Bereich der Nachkommastelle zu beschränken", heißt es in dem Dokument, das als Diskussionsgrundlage für Hochschulen und Fakultäten dienen soll. Das Votum des Wissenschaftsrates hat Gewicht, ihm gehören neben Vertretern aus der Politik namhafte Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an.
Der Wissenschaftsrat und andere Institutionen haben wiederholt auf die grassierende Noteninflation hingewiesen, allerdings ohne erkennbare Folgen. Die Expertise, die auf allen verfügbaren Prüfungsdaten von 2010 an staatlich anerkannten Hochschulen basiert, stellt eine "fortgesetzte Tendenz" zu milden Noten fest. Demgegenüber sei ein "stärkere Spreizung" der Zensuren wünschenswert.
Besonders problematisch erscheinen dem Wissenschaftsrat zu lasche Zensuren im gestuften Studiensystem von Bachelor und Master, weil sie bei Zulassungsbeschränkungen darüber entscheiden, wer nach dem ersten Abschluss weiterstudieren darf. Hochschulen unterlägen "dem Anreiz, ihren Absolventinnen und Absolventen über gute Prüfungsnoten bildungsbiografische Vorteile zu verschaffen", schreiben die Experten - das Nachsehen haben folglich die Abgänger jener Bildungseinrichtungen, die leistungsgerecht benoten.