Schräge Studentenbuden Zeigt her eure Zimmer

Ungewöhnliche Unterkünfte: Mein Haus, meine Oma, mein Boot
Wohnheim, WG, eigene vier Wände - wie will man leben, und wie kann man leben? Circa 470.000 Menschen werden zum Wintersemester ein Studium beginnen, viele von ihnen müssen vorher ein neues Zuhause finden. Die Suche fängt meist schon Monate vorher an, und die Methoden ähneln nicht selten einer Fernsehshow: Bewerber drehen Videos, müssen für die potentielle Wohngemeinschaft kochen oder sich im Casting präsentieren.
Vor allem in Süden des Landes ist es schwer, eine neue Bleibe zu finden. "Die Wohnungsmärkte in Heidelberg und München entspannen sich nicht mehr", sagt Georg Schlanzke, Leiter des Referates Wohnen beim Deutschen Studentenwerk. 240.000 Wohnheimplätze gibt es in Deutschland. Darin kann rund ein Viertel der Studienanfänger unterkommen - mindestens 25.000 Wohnheimplätze fehlen, schätzt das Deutsche Studentenwerk.
In vielen Städten müssen Studenten nehmen, was sich anbietet - nur wenige haben so viel Glück wie diese fünf: Sie leben unter anderem zur Untermiete bei einer bayerischen Oma, auf einem Hausboot oder im wohl kleinstes Wohnheim Deutschlands. Hier erzählen sie von ihren speziellen Unterkünften. (Klicken Sie auf die Überschriften, um die Texte zu lesen)
Stefan, 23 - Vermieterin? Wir sagen Oma zu ihr!

Stefan Landes studiert Musik, sein Zimmer bei "Oma" ist 28 Quadratmeter groß
"Meine Mitbewohnerin Rosa nennen alle im Haus nur Oma. Sie ist 91 Jahre alt und wohnt sicher schon mehr als 50 Jahre hier. Jetzt teilt sie ihre Wohnung mit mir und noch zwei anderen Studenten.
Wir wohnen seit zwei Jahren zusammen. Davor habe ich etwas außerhalb von München gewohnt und habe immer 45 Minuten bis zur Uni gebraucht, war meist bis 21 oder 22 Uhr in der Stadt. Das Pendeln wurde mir auf Dauer zu anstrengend.
Das Zimmer habe ich über die Privatzimmervermittlung des Studentenwerks gefunden - natürlich stand da nicht, dass man mit einer alten Dame zusammenwohnen würde. Nur der Preis, die Lage und die Größe des Zimmers. Das alles zusammengenommen ist unschlagbar. Wo findet man heute noch ein bezahlbares 28-Quadratmeter-Zimmer in der Nähe des Hauptbahnhofs?
Die Wohnung ist riesig, insgesamt 150 Quadratmeter in einem Altbau. Oma hat zwei Zimmer in dem einen Seitenflügel, in der Mitte sind Bad und Küche, im anderen Seitenflügel wohnen wir drei Studenten. Wir kommen uns eigentlich nie in die Quere, und sie hat sich noch nie beschwert, wenn wir zu fünft oder sechst in meinem Zimmer saßen.
In der Küche könnten wir das allerdings nicht machen. Es nervt ein bisschen, dass man in der Küche nie in Ruhe kochen kann. Oft sitzt Oma selber dort oder meine Mitbewohner kochen. Ich habe mir einfach einen kleinen Kühlschrank, eine Kochplatte und eine Mikrowelle ins Zimmer gestellt. Meist koche ich in meinem Zimmer, aber ich habe natürlich keinen Wasseranschluss. Zum Nudeln-Abgießen und Spülen muss ich doch wieder in die Küche. Dafür überrascht Oma uns manchmal mit einem Essen oder Kuchen, sie backt sehr gern, und wenn sie etwas über hat, schenkt sie es uns.
Bei uns ist nicht alles auf dem neuesten Stand, manchmal vermisse ich eine Spülmaschine. Aber ausziehen mag ich trotzdem nicht. Mir gefällt die familiäre Atmosphäre. Oma und ich reden Bayerisch miteinander, manchmal bringe ich ihr Sachen aus dem Supermarkt mit, und ich habe sie auch schon mit auf ein Konzert vom Hochschulorchester genommen. Da haben meine Eltern sie hingefahren. Sie ist froh, dass sie nicht allein wohnt und jemand nach ihr schauen kann, wenn sie mal stürzt. Ich hoffe, dass sie noch lange fit bleibt."
Felix, 26 - Ein Haus, drei Etagen, 19 Quadratmeter

Felix Grau studiert Produktionsgartenbau, er bewohnt in Osnabrück ein eigenes Häuschen und zahlt dafür 210 Euro - allerdings hat er auch nur 19 Quadratmeter Wohnfläche.
"Es ist ein bisschen, als würde man in einem Baumhaus wohnen. Vor meinem Fenster hängen Äste, manchmal springen Eichhörnchen vor der Scheibe rum, wenn ich oben an meinem Schreibtisch sitze. Mein Haus hat drei Etagen und das obere ist rundherum verglast, damit habe ich rund um die Uhr Sonne.
Ich wohne im wohl kleinsten Studentenwohnheim Deutschlands, es gehört dem Studentenwerk in Osnabrück und heißt "Haus auf der Stadtmauer". Ich habe mich für einen Wohnheimplatz beworben und noch einen persönlichen Brief angehängt, in dem ich erklärt habe, wie gerne ich das kleine Haus in 'mein Haus' verwandeln würde und dass es mich braucht. Aber am Ende war es vielleicht auch nur Glück.
Das Haus ist sehr klein: 19 Quadratmeter, verteilt auf drei Etagen. Unten habe ich nur einen kleinen Flur und ein Bad. Das Bad ist der einzige Raum mit Tür. Meine Dusche ist sehr schön in die Wand eingemauert, eine Badewanne fehlt mir nicht.
Im mittleren Stockwerk steht mein Bett. Viel mehr als schlafen kann ich dort nicht, denn die Decke ist nur 1,80 Meter hoch. Oben habe ich eine kleine Pantryküche und mein Wohnzimmer. Sechs bis acht Leute passen schon rein, dafür muss ich allerdings ein bisschen Möbel rücken. Partys feiern kann ich nicht, aber ein gemütliches Essen ist drin.
Als ich vor drei Jahren eingezogen bin, musste ich mich schon etwas umstellen. Ich habe vorher in einer WG gewohnt, in einem 20-Quadratmeter-Zimmer, hatte ein Sofa, Schränke und lauter Küchenkram. Von dem meisten Zeug habe ich mich getrennt, das war sehr befreiend.
Wie es nach meinem Studium im nächsten Jahr weitergeht, weiß ich noch nicht. Aber bis ich wieder ein eigenes Haus haben werde, wird es noch eine Weile dauern."
Leo, 24 - Auf meinem Schiff ist jeden Nachmittag Urlaub

Leo Hieronymi studiert Literatur in Mainz. Miete muss er nicht zahlen, nur 50 Euro für den Liegeplatz seines Bootes.
"Viele Menschen wohnen am Rhein, ich wohne auf dem Rhein. Mein Boot heißt 'Nette' und ist über 80 Jahre alt. Mein Vater hat es gekauft und renoviert. Als ich aus meiner alten Wohnung ausziehen musste, dachte ich: Warum nicht auf dem Boot wohnen? Schließlich muss ich nur Liegegebühren zahlen - vielleicht ein Fünftel dessen, was mich die Miete kosten würde.
Mein Boot ist ziemlich eng, aber für eine Person reicht es. Wenn ich Freunde einlade, wird mein Bett zur Sitzecke - oder wir sitzen an Deck. Sonst habe ich alles, was andere auch in ihrer Wohnung haben, nur leider kein Internet. Surfen muss ich in der Uni. Aber ich studiere Literaturwissenschaften und muss sehr viel lesen, damit verbringe ich meine Abende.
'Nette' liegt etwas außerhalb von Mainz, in einem kleinen Hafen in einem Naturschutzgebiet. Etwa 15 Minuten fahre ich mit dem Auto zur Uni. Es ist ruhig und man kann gut lernen, wenn man sich aufrafft. Oft schippere ich allerdings auch einfach mit dem Beiboot die Auen entlang.
Auf dem Boot zu leben, fühlt sich ein bisschen an, wie jeden Nachmittag Urlaub zu machen. Es ist aber schwer, aus einem Boot eine Heimat zu machen. Nach Sesshaftigkeit fühlt es sich nicht an. Ich habe selten gesagt: 'Ich fahre nach Hause', sondern immer: 'Ich fahre zurück auf mein Schiffchen'.
Im Sommer ist es besonders schön, wenn Kinder mit ihren Schlauchbooten umherpaddeln und Rentner Skat spielen. Im Winter allerdings kann es ungemütlich werden: Ich habe nur einen kleinen Elektroofen. Wenn ich weg bin und die Sicherung rausfliegt, dann ist es sehr kalt, wenn ich zurückkomme, und es wird auch so schnell nicht wieder warm. Da schlafe ich auch mal in Jacke.
Auch das Duschen wird ungemütlich. Manchmal, wenn es mir im Winter viel zu kalt wurde, habe ich versucht, so lange wie möglich ohne Dusche auszukommen. Aber das kann man den anderen Studenten auch nicht antun, da habe ich mal die Duschen bei den Sportstudenten in der Turnhalle benutzt.
Als es im vergangenen Winter richtig kalt wurde, habe ich die Wochen bei meinen Eltern verbracht. Die wohnen nur eine Stunde von Mainz entfernt, meine Post lasse ich mir zu ihnen schicken. Einen Briefkasten habe ich nämlich nicht am Boot."
Anja, 23 - Meine Mitbewohner? Mama und Papa!

Anja zahlt null Euro Miete, sie wohnt bei ihren Eltern. Ihr Zimmer ist 21 Quadratmeter groß. Sie studiert Fachübersetzen in Mannheim und Heidelberg.
"Ich wohne bei meinen Eltern, aber ich bin nicht das verhätschelte Kind. Wir leben eher in einer Generationen-WG. Ich muss genauso putzen, waschen und kochen, wie wenn ich allein wohnen würde. Auf keinen Fall entspricht mein Leben hier dem Klischee vom 'Hotel Mama', das will ich auch gar nicht.
Ich brauche acht Minuten mit dem Auto von meinem Elternhaus zum nächsten Bahnhof, von dort eine Viertelstunde nach Heidelberg und 35 Minuten nach Mannheim, dann jeweils noch mal zehn Minuten zur Uni. Ich studiere in beiden Städten, den perfekten Wohnort ohne Pendeln gäbe es also ohnehin nicht.
Bei Partys ist es manchmal blöd, weil die Züge nicht die ganze Nacht fahren. Aber dann schlafe ich bei jemandem auf dem Sofa. Das war schon immer so, ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und bin es gewohnt, kreativ werden zu müssen, wenn ich ausgehen will. Nur die Spontaneität geht verloren.
Natürlich habe ich mit dem Gedanken gespielt auszuziehen. Aber Wohnungen in Heidelberg sind unglaublich teuer, da bekommt man für viel Geld nur wenig Platz. Hier bei meinen Eltern habe ich eine ganze Etage für mich und einen großen Garten - und ich wohne mietfrei.
Ich bin nicht Bafög-berechtigt und habe kaum Zeit, neben dem Studium zu arbeiten. Ein wenig verdiene ich natürlich dazu, mit Nachhilfe, schließlich muss ich auch Rechnungen bezahlen. Aber ich will meinen Eltern nicht mit der Miete für eine eigene Wohnung auf der Tasche liegen, wenn es auch so geht. Besonders angenehm am Wohnen bei den Eltern: Dass es am Ende des Monats nur Nudeln zu essen gibt, bleibt mir erspart.
Carmen, 22 - Ziemlich hübsch hier im Polizeirevier

Carmen Eckstein studiert Erziehungswissenschaften, ihr Zimmer ist frisch renoviert, 21 Quadratmeter groß. Sie zahlt 345 Euro Miete.
"Ich wohne in Frankfurt am Main, mitten im Bahnhofsviertel, in einem ehemaligen Polizeirevier. Früher war es hier ziemlich wild: Die Nachbarn erzählten, dass die Polizisten vom Fenster aus mit einem Fernglas die Junkies und Prostituierten beobachtet haben.
Das Studentenwerk hat das Gebäude gekauft und renoviert. Von dem Revier kann man nichts mehr erkennen, auch die Zellen gibt es nicht mehr, nur die Tiefgarage ist noch original. Auch das Bahnhofsviertel hat sich verändert. Es gibt zwar noch ein paar ziemlich bedrückende Straßenecken, man liest auch immer wieder mal, dass Leute überfallen wurden - aber ansonsten ist es ziemlich schön hier.
Ein Wohnheim ist die alte Wache erst seit einem Jahr, alles ist auf dem neuesten Stand. Hier wohnen nur 48 Studenten, jeder in einem Einzelapartment mit Küche und Bad. Wir kennen uns trotzdem alle super, Feueralarm sei Dank.
Am Anfang hatten wir ständig Alarm, denn die Feuermelder sind schon angesprungen, wenn nur jemand Fleisch in seinem Zimmer gebraten hat. Dann mussten natürlich alle raus und warten. Das erste Mal standen wir bestimmt vier Stunden vor der Tür, mittlerweile schaffen sie es in einer halben Stunde, den Alarm auszustellen. Als wir draußen warteten, haben wir auch Polizisten kennengelernt, die früher in dem Wohnheimgebäude gearbeitet haben. Die waren sehr erstaunt, was aus ihrer Wache geworden ist.
Ich habe das Wohnheimzimmer nur zufällig bekommen, weil ich einen Freund begleitet habe, als er seinen Mietvertrag unterschrieben hat. Ich habe dann auch gleich einen abgeschlossen. Weil das Wohnheim neu war, gab es keine Wartelisten. Gibt es eine Liste, ist die hier in Frankfurt meist ziemlich lang. Ein Jahr auf ein Zimmer warten, wer will das schon?"