
Geheimgespräche bei der ESMT: Mögliche Fusion der Manager-Schmieden
Zukunft der Business School ESMT Manager-Schmiede bändelt mit der Konkurrenz an
Im Jahr 2002 hatten die Verantwortlichen der European School of Technology und Management (ESMT) noch Träume. Sie träumten von einem "Harvard an der Spree", das es innerhalb von zehn Jahren unter die Top 10 der Business Schools schaffen sollte. 25 Unternehmen, darunter die Allianz, die Deutsche Bank, Eon und Siemens, taten sich zusammen, um in Berlin die ESMT zu gründen. Optisch wurde sie zu einem wahren Schmuckstück: Die Schule liegt am Berliner Schlossplatz im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR, das für 35 Millionen Euro umgebaut worden war.
Doch schon früh hatte die private Hochschule mit Problemen zu kämpfen: Von Anfang an fehlten ein überzeugendes Konzept und genügend Geld. Noch immer mangelt es an Professoren und Studenten. Auch international konnte die ESMT bislang nicht überzeugen. Noch immer lebt die Schule davon, dass die Sponsor-Unternehmen ihre Mitarbeiter zu Seminaren an die ESMT schicken. Ein Platz im MBA-Programm der Hauptstadt-Schule ist richtig teuer: 57.500 Euro kostet es - so viel, dass viele der derzeit 106 Studenten in beiden MBA-Studiengänge sich das nur dank großzügiger Stipendien leisten können.
Nun könnte sich einiges ändern: Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE kam es Ende Juni zu einem geheimen Treffen mit einem brisanten Thema. "Creating a leading European Business School in Germany: A joint vision for ESMT and Frankfurt School" hieß die Präsentation, die zur Debatte stand. "Gemeinsame Vision", das ist blumig formuliert, könnte aber auch bedeuten: Das war es für die ESMT, die Frankfurt School of Finance and Management ist bereit zur Übernahme.
Aus der Deckung wagt sich noch keiner
Dabei gewesen sein sollen für die ESMT Michael Diekmann, Allianz-Chef und Vorstand der ESMT Stiftung, und Frank Mattern, Chef von McKinsey - die Beratungsfirma hatte das ursprüngliche Konzept für die ESMT mit ausgearbeitet. Außerdem sollen Vertreter der Frankfurt School of Finance and Management dabei gewesen sein - neben dem Hochschulpräsidenten Udo Steffens auch Klaus-Peter Müller, Commerzbank-Aufsichtsratsvorsitzender und Vorsitzender des Stiftungsrates der Frankfurt School.
Offiziell bestätigt wird das Treffen nicht. "Es gibt immer wieder Gespräche über mögliche Kooperationen bis hin zu Zusammenschlüssen von Business Schools", erklärt Michael Diekmann schriftlich. Er bestätigte auch, dass es das Papier über gemeinsame Visionen der Frankfurt School gebe: "Es ist aber nie in irgendeinem Gremium der ESMT diskutiert worden."
Auch wenn sich noch keiner aus der Deckung wagt: Für die Frankfurt School könnte eine Fusion durchaus Vorteile bringen. Die ehemalige Hochschule für Bankwirtschaft hat sich in den letzten Jahren gut entwickelt, ist finanziell gesund und möchte sich gern breiter im Managementbereich aufstellen und wachsen. Bislang dominiert der Finanzbereich.
Bei seiner Akkreditierung 2010 stellte der Wissenschaftsrat der Business School ein gutes Zeugnis aus. Das ambitionierte Leitbild, "eine führende Business School in Deutschland mit internationaler Ausrichtung" zu sein, habe die Hochschule in ihrer bisherigen Entwicklung in vielerlei Hinsicht realisieren können. Allerdings sei die Zielsetzung, auch in der Forschung eine "international wahrgenommene, reputationsgetriebene Business School" zu sein, noch nicht erfüllt.
Die ESMT konnte viele ihrer Ziele nicht erreichen
Ganz anders ergeht es der ESMT. Als der Wissenschaftsrat die Berliner Business School 2008 als wissenschaftliche Hochschule akkreditierte, steckte die 71 Seiten starke Stellungnahme voller Kritik: Die Akkreditierung läuft für lediglich fünf statt für zehn Jahre, wie sonst üblich. Zudem sprach sich der Wissenschaftsrat deutlich gegen das Promotionsrecht aus. Bei seiner Begründung wurde der Wissenschaftsrat sehr deutlich. Die Ziele der ESMT beschrieb er als "ambitioniert", "ehrgeizig" oder schlicht "nicht realistisch". Nicht gerade schmeichelhaft für eine Hochschule, die mit so hohen Zielen gestartet ist.
Auch zur Finanzsituation äußerte sich der Wissenschaftsrat detailliert. Die größten Einnahmen kämen aus dem Seminarbetrieb der Weiterbildung. 10,4 Millionen Euro waren es im Jahr 2007. Für 2010 waren rund 17,5 Millionen anvisiert - so hoch war 2010 nicht einmal der Gesamtumsatz der ESMT und der lag deutlich unter dem von 2008. Rückgänge gibt es auch bei den auf die Bedürfnisse einzelner Unternehmen zugeschnittenen Weiterbildungsprogrammen.
Beim Stiftungsvermögen sieht es ebenfalls düster aus. Laut Bericht des Wissenschaftsrates betrug das Stiftungskapital 66,5 Millionen Euro im Jahr 2007 und sollte bis zum Jahr 2012 auf 200 Millionen Euro anwachsen. Das Ziel verfehlte die ESMT meilenweit. 2010 schossen die Unternehmen zwar eine Geldspritze von 22 Millionen Euro nach. Doch Ende des Jahres kam man trotzdem nur auf ein Stiftungsvermögen von gerade mal 115,2 Millionen Euro. Weitere 28 Millionen Euro wollen die Firmen "in den nächsten Jahren" einzahlen, sagte Anfang des Jahres ESMT-Sprecher Farhad Dilmaghani. Insider berichten jedoch seit langem, dass etliche der Sponsoren längst nach einem Ausstieg aus dem Millionengrab suchen.
Anfang Juli verlor die ESMT auch noch überraschend ihren Präsidenten. Lars-Hendrik Röller, der seinen Vertrag erst Ende 2010 verlängert hatte, wechselte als Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik ins Bundeskanzleramt. Seit seinem Amtsantritt 2006 hat Röller die ESMT zwar vorangebracht. Die Schule baute ihre Fakultät aus und erhöhte ihr Stiftungsvermögen. Allerdings konnte Röller die von ihm selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. Das gilt unter anderem für die Gewinnung von Professoren. Bis 2009 wollte er 30 neue Professoren einstellen, bis 2012 sogar 50 bis 60. Ende 2010 gab es 31 Fakultätsmitglieder aus 20 Ländern, davon 24 Professoren.
Die ominöse Präsentation von Ende Juni, die eine mögliche Fusion mit der Frankfurt School of Finance nahe legt, könnte nun ein weiterer Sargnagel für die Eigenständigkeit der strauchelnden ESMT sein. Die Frankfurt School könnte von einer Fusion profitieren und künftig im Ausland mit einer Adresse in Berlin um neue MBA-Studenten werben. Das kann gelingen - wenn Anspruch und Realität von Anfang an besser zusammenpassen, als es bei der ESMT bislang der Fall war.