Gegen Fauci und die queere Community Elon Musk hetzt auf Twitter – und wird ausgebuht

Elon Musk: US-Medien bezeichnen ihn mittlerweile als »Rechtsaußen-Aktivisten«
Foto:Adrien Fillon / dpa
Der Sonntagabend begann für Elon Musk mit einem ungewohnt unfreundlichen Empfang. Als Gast des Comedians Dave Chappelle kam er im Chase Center in San Francisco auf die Bühne und wurde zunächst minutenlang von Tausenden Menschen im Publikum ausgebuht . Wie er darauf reagieren sollte, schien er nicht zu wissen.
Das Wochenende hatte der Multimilliardär genutzt, um seinem Publikum von 121 Millionen Twitter-Followern seine Verachtung für Twitters ehemaligen Trust-and-Safety-Chef Yoel Roth, die LGBTQIA+-Community sowie Anthony Fauci zu demonstrieren. Es ist unklar, ob er deshalb ausgebuht wurde. Aber was Musk im Netz vorlebt, könnte mancherorts auch offline Folgen haben.
Am Samstag unterstellte Musk zunächst dem Ex-Twitter-Manager Roth, er trete für den Zugang von Kindern zu pornografischen Inhalten ein. In einem nur fünf Worte umfassenden Tweet griff Musk dann am Samstag unverhohlen den US-Immunologen und Regierungsberater Fauci an: »My pronouns are Prosecute/Fauci« (übersetzt: »Meine Pronomen sind: Stellt ihn vor Gericht/Fauci«) schrieb er.
Ein Astronaut bittet Musk um Mäßigung
Er griff damit die Formulierung von Menschen auf, die ihre Geschlechtsidentität mithilfe von Pronomen bekannt machen – was in der LGBTQIA+-Community (aber keineswegs nur dort) verbreitet ist. Die Abkürzung LGBTQIA+ steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual, das Pluszeichen für jede andere sexuelle Orientierung oder Identität.
Als ihn der ehemalige Astronaut Scott Kelly bat, sich nicht über diese ohnehin schon »marginalisierte und dem Risiko von Gewalt ausgesetzte Community« lustig zu machen, wurde Musk deutlicher. »Anderen seine Pronomen aufzuzwingen, auch wenn sie nicht darum gebeten haben«, sei nichts Gutes. Und Fauci habe den Kongress belogen sowie einen Forschungsbereich gefördert, »der Millionen Menschen getötet« habe.
Droht eine neue Hasswelle?
US-Medien bezeichnen Musk mittlerweile als »Rechtsaußen-Aktivisten«, der mit seinen Tweets vor allem für Betrieb auf der Plattform sorgen wolle. Doch weil Musk neulich einst gesperrte rechte Accounts wieder freischalten ließ und Twitters Moderationsteams radikal verkleinert hat, fürchten manche, dass er zum Vorreiter einer neuen Hasswelle auf Twitter wird – schlimmstenfalls mit ganz realen Konsequenzen für die Betroffenen.
Das gilt insbesondere für die LGBTQIA+-Community in Afrika. Aktivisten in Nigeria, Uganda und Ghana berichten, dass es dort derzeit vermehrt zu unfreiwilligen Outings, zu Erpressungen und sogar Todesdrohungen gekommen sei. Ein Rückzug sei aber auch nicht die richtige Antwort, sagt Danny Bediako, Gründer der Bürgerrechtsorganisation Rightify Ghana: »Twitter ist für die Community in vielen afrikanischen Ländern wirklich wichtig geworden. Trotz des zunehmenden Hasses können wir nicht einfach aufhören, die Plattform zu nutzen.« Auf Twitter »haben wir eine Stimme, können die Wahrheit sagen und Unterstützung aus aller Welt bekommen«.
Twitters Mitarbeiter in Ghana wurden Berichten zufolge fast allesamt gefeuert. Musk selbst sprach zuletzt davon, dass der Anteil an Hasspostings seit seiner Übernahme zurückgegangen sei. Doch Bediako hat das Gegenteil beobachtet, sagt er: eine Verdoppelung homophober Tweets im Vergleich zu den Vormonaten – ohne dass Twitter gegen die von seiner Organisation gemeldeten Inhalte vorgegangen wäre. Mit seiner Beobachtung ist er nicht allein. Auch das britische Center for Countering Digital Hate hat nach eigenen Angaben einen Anstieg bei den homophoben und transphoben Inhalten festgestellt.
Sicherheitstraining für bedrohte Menschen auf Twitter
Gleichzeitig sorgen sich Aktivistinnen und Aktivisten um die Datensicherheit bei Twitter. Gleichgeschlechtlicher Sex wird in vielen Ländern Afrikas kriminalisiert. Offen schwul oder lesbisch zu leben, ist mitunter lebensgefährlich. In Uganda könne Twitter gezwungen werden, Mitglieder der LGBTQIA+-Community zu identifizieren, damit sie strafrechtlich verfolgt werden können, sagt Frank Mugisha, dessen Organisation Sexual Minorities Uganda im August aufgelöst wurde.
In Ghana, Nigeria und Uganda wollen Bürgerrechtsorganisationen nun Sicherheits-Workshops für die Nutzung sozialer Medien geben. Teilnehmende sollen unter anderem lernen, wie sie mit Hass umgehen können und wie sie ihre Privatsphäre-Einstellungen verschärfen und die Preisgabe etwa ihres Aufenthaltsortes vermeiden.
Elon Musk muss nur ein paar Buhrufe aushalten.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels stand, Musk habe sich die Buhrufe verdient. Die Formulierung haben wir entfernt, weil sie wertend ist.