Smartphone-Warnsystem für Notfälle So funktioniert Katwarn - oder auch nicht

Smartphone-Warnsystem Katwarn
Foto: Stephan Jansen/ dpa
Warnung in der Katwarn-Smartphone-App
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS
Smartphone-Warnsystem Katwarn
Foto: Stephan Jansen/ dpaSie sollten in ihren Wohnungen bleiben und öffentliche Plätze meiden: Die Münchner Behörden warnten die Bevölkerung am Freitagabend während der noch unklaren Lage nach dem Attentat. Dazu nutzten sie auch das Smartphone-System Katwarn (Katastrophenwarnsystem), über das laut Betreiber nach 20 Uhr vom Landkreis München und von der Stadt drei Warnungen ausgelöst wurden.
Etwa 250.000 Menschen hätten am Freitagabend in diesem Bereich das System genutzt, teilte ein Katwarn-Sprecher mit. Doch das elektronische Warnsystem war offenbar völlig überlastet. Es gibt Kritik: Die App habe nicht richtig funktioniert. Sie sei nicht gestartet, bestätigt eine Münchnerin SPIEGEL ONLINE, und wenn doch, habe man die Pushmeldungen nicht öffnen können.
Wie funktioniert das Informationssystem? Und was waren die Probleme am Freitagabend? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist Katwarn?
Das Informationssystem Katwarn soll bei Notfällen wie Unwettern, Bränden, Chemieunfällen, Bombenfunden oder Schießereien die Nutzer warnen und Verhaltensempfehlungen geben - per SMS, E-Mail oder Pushmeldung via Smartphone-App. Eingespeist werden die Nachrichten von Behörden, Rettungsdiensten oder dem Deutschen Wetterdienst.
Wer kann Katwarn nutzen?
Jeder, der ein Handy, Smartphone oder eine E-Mail-Adresse hat und dessen Stadt oder Region den Dienst verwendet. Seit 2010 ist Katwarn im Einsatz, mittlerweile in mehr als 65 Städten und Landkreisen (eine Übersicht finden Sie hier). Etwa 1,5 Millionen Menschen haben sich bereits für den Warndienst angemeldet. Wer Warnungen für seine Umgebung erhalten möchte, muss sich vorher per SMS mit dem Inhalt KATWARN über die bundesweite Servicenummer (0163-7558842) registrieren oder die App fürs Smartphone runterladen - alles zur Anmeldung erfahren Sie hier. Die Meldungen können dann über soziale Medien wie Twitter geteilt werden.
Warnung in der Katwarn-Smartphone-App
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS
Woher weiß Katwarn, wer in Gefahr ist?
Behörden, die Katwarn nutzen, wählen im Notfall über ein spezielles System die betroffenen Empfängergruppen nach Postleitzahlen aus. Die Nutzer können vorab mehrere Postleitzahlen angeben, zudem wird ihr aktueller Standort über Basisstationen und WLAN-Zugangspunkte berücksichtigt - wer sich in einem aktuellen Gefahrenbereich befindet oder diesen betritt, wird laufend informiert. Diese Ortungsfunktion kann abgeschaltet werden.
Wer hat Katwarn entwickelt?
Das System wurde vom Fraunhofer-Institut im Auftrag der öffentlichen Versicherer entwickelt, die es auch betreiben. Katwarn soll die vorhandenen - teilweise kostspieligen - Warnsysteme wie Lautsprecheransagen, Sirenen und Rundfunkmeldungen ergänzen oder ersetzen. Eine ähnliche Warn-App stammt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und heißt Nina (Notfall-Informations- und Nachrichten-App).
Was kostet Katwarn?
Für die Nutzer ist der Dienst kostenlos. Landkreise, kreisfreie Städte, Bundesländer und Stadtstaaten zahlen für die Einführung einmalig 15.000 Euro sowie jährlich 3000 Euro für technische Unterstützung, eine Warnung per SMS kostet sie sechs Cent. Nachrichten per E-Mail und Smartphone-App sind kostenfrei.
Was waren die Probleme nach dem Amoklauf in München?
Katwarn ist seit 2014 für München freigeschaltet. Am Freitagabend war das System jedoch völlig überlastet, der Dienst war zeitweise nicht erreichbar. Grund sei die hohe Zahl von Nutzern in München und anderen Teilen der Republik gewesen, in denen es Unwetter gab. "Wir sind an die Belastungsgrenze gestoßen", sagte ein Katwarn-Sprecher am Samstag. "Das ist nicht gut - die Kritik ist berechtigt." Die Kapazitäten des Systems müssten schnellstmöglich erweitert werden.
Generell kann Katwarn jedoch technisch keine hundertprozentige Zustellsicherheit gewährleisten. Insbesondere bei Störungen des Mobilfunknetzes, des Internets oder der Stromversorgung kann es immer wieder dazu kommen, dass Warnungen die Empfänger nicht erreichen.
Update, 28. Juli: Nach dem Amoklauf in München haben die Katwarn-Betreiber die Serverkapazitäten ihres Systems verdoppelt. "Wir sind jetzt in der Lage, bis zu zwei Millionen Zugriffe gleichzeitig zu verarbeiten", sagte Arno Vetter, Geschäftsführer des Mitbetreibers Combirisk, der Zeitung "Heilbronner Stimme".
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Polizeifahrzeuge vor dem Olympia-Einkaufszentrum in München: Hier waren am Freitagabend um 17.52 Uhr die ersten Schüsse bei einem Schnellrestaurant gefallen. Inzwischen ist klar, dass es zehn Tote gegeben hat, darunter den mutmaßlichen Schützen.
Blumen am Zugang zur U-Bahnstation Olympia-Einkaufszentrum in München: Am Freitagabend und in der Nacht gab es nach Angaben der Polizei 2300 Einsatzkräfte in München.
Polizeifahrzeuge nahe dem Münchner Hauptbahnhof am Freitagabend: Nach den Schüssen am Einkaufszentrum war in manchen Teilen der Stadt Panik ausgebrochen. Stundenlang ging die Polizei von mehreren Tätern aus, die womöglich noch flüchtig waren.
Untersuchungen am Tatort: Von weiteren Tätern geht die Polizei inzwischen nicht mehr aus. Die Polizei glaubt nun vielmehr, dass der mutmaßliche Schütze, ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, allein gehandelt hat. Er hat sich selbst getötet.
Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä: Die Ermittler haben die Bevölkerung aufgerufen, ihnen mögliche weitere Handyvideos vom Tatort zur Verfügung zu stellen. Das helfe, den Ablauf der Tat zu klären.
Rettungskräfte am Georg-Brauchle-Ring nahe dem Einkaufszentrum: Ärzte und Schwestern wurden nach der Tat in die Krankenhäuser der Stadt gerufen.
Blumen zur Erinnerung: Die Stadt und das Land trauern um die neun Opfer des Todesschützen. Am Samstag gibt es bundesweit Trauerbeflaggung an deutschen Bundesbehörden, außerdem auch an bayerischen Regierungsgebäuden.
Journalisten arbeiten nach der Gewalttat in einem Autohaus nahe dem Einkaufszentrum: Hier hatte die Polizei ein provisorisches Pressezentrum eingerichtet.
Weinende Frau auf einer Münchner Straße: Mehrere Fehlalarme sorgten für zusätzliche Angst in der Stadt. So kursierte anfangs das Gerücht, dass es in der Innenstadt eine weitere Attacke gab.
Verrammeltes Café in der Münchner Fußgängerzone: Der öffentliche Nahverkehr - U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen - wurde in der Stadt für mehrere Stunden komplett eingestellt, auch...
...der Zugverkehr stand still. Der Münchner Hauptbahnhof wurde evakuiert. Polizisten blieben vor Ort, um die Lage zu sichern.
Sondereinsatzkräfte am Freitagabend: Die Polizei hatte die Antiterroreinheit GSG9 des Bundes und Spezialeinheiten aus mehreren anderen Bundesländern angefordert.
Leere Straßenbahn am Freitagabend: Inzwischen läuft der Verkehr wieder weitgehend normal. Nur die U-Bahnstation am Einkaufszentrum ist noch gesperrt.
Polizei auf dem Weg zu einer Hausdurchsuchung: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich nach dem Anschlag am Samstag ein Bild von der Lage machen. "Es ist schrecklich und gänzlich unfassbar, was in München passiert ist", sagte er.
Zerstörtes Auto wird abgeschleppt: Im Laufe des Abends hat Facebook für München den sogenannten "Safety Check" aktiviert - damit Menschen mitteilen können, dass sie in Sicherheit sind.
Fußgänger reicht einem Polizisten Blumen: Nach der Gewalttat hatte eine Zivilstreife den Angreifer gestellt und auch auf ihn geschossen. Unklar ist bislang, ob der 18-Jährige dabei auch getroffen wurde.
Spezialeinsatzkommando: Vor Journalisten sprach Polizeipräsident Andrä vom bisher schwersten Tag seiner Karriere. "Das Geschehen von gestern Abend und heute Nacht macht uns traurig, sprachlos, und die Gedanken sind insbesondere jetzt auch bei den Opfern", sagte er.
Polizeifahrzeug im Einsatz: In den sozialen Netzwerken wurde die ruhige und besonnene Kommunikation der Beamten sehr gelobt.
Bundeskanzleramt in Berlin: Hier berät am Samstag das Bundessicherheitskabinett.
Baseballstadion in New York: Auch international, wie bei diesem Spiel der New York Yankees gegen die San Francisco Giants wurde der Opfer von München gedacht - auch wenn zu diesem Zeitpunkt kaum klar war, was eigentlich genau in der Stadt passiert war.
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