Soziales Netzwerk Mastodon So funktioniert die freie Twitter-Alternative

Elon Musks Twitter-Übernahme könnte der Konkurrenz neue Nutzerinnen und Nutzer zutreiben. Das dezentrale Netz Mastodon ist dem US-Original in vielen Punkten ähnlich – doch es gibt wichtige Unterschiede.
Mastodon-App auf einem Smartphone: Erst mal einen Witz machen

Mastodon-App auf einem Smartphone: Erst mal einen Witz machen

Foto: Torsten Kleinz

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Kaum hatte Twitter die bevorstehende Übernahme der Plattform durch Elon Musk verkündet, wurde einem bisher kaum beachteten Konkurrenzangebot viel Aufmerksamkeit zuteil: Mastodon. Der Begriff trendete am Dienstagvormittag – auf Twitter. Bekannte Nutzer des sozialen Netzwerks, wie der ZDF-Comedian Jan Böhmermann, richten sich dort bereits ein. Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer, die die neue Unternehmensführung unter Elon Musk ablehnen und für die Kommunikationsplattform das Schlimmste fürchten, hoffen, auf der Plattform einen Zufluchtsort zu finden.

Mastodon wurde im Jahr 2016 von dem Entwickler Eugen Rochko gegründet, von den großen Medien jedoch bisher kaum beachtet. Wesentlicher Unterschied zum kommerziellen Konkurrenten: Das alternative Netzwerk ist werbefrei und dezentral.

Was das bedeutet, merkt man sofort, wenn man die neue offizielle Mastodon App für iPhones  oder für Android  herunterlädt. Denn schon im ersten Schritt müssen sich neue Nutzerinnen und Nutzer für eine »Community« entscheiden.

Eine neue Heimat

Zwar kann man als Mastodon-Nutzer mit den Mitgliedern aller anderen Communitys kommunizieren, aber die Heimat-Community bestimmt unter anderem den Verhaltenskodex für ihre Mitglieder. So gibt es Server, die besonderen Wert auf Zensurfreiheit legen, während andere betonen, dass sie ein gutnachbarschaftliches Verhältnis ohne Spam und persönliche Attacken bevorzugen.

Die Heimat-Community bestimmt auch die Adresse, unter der man in Mastodon zu finden ist. Die sehen ähnlich aus wie E-Mail-Adressen – also nicht @neuernutzer wie bei Twitter, sondern zum Beispiel @neuernutzer@mastodon.social oder @neuernutzer@koeln.social.

Die App ist nicht unbedingt nötig. Mastodon lässt sich problemlos auch im Mobilbrowser oder auf einem PC aufrufen. Es gibt mittlerweile einige Apps , die es zum Beispiel ermöglichen, Twitter und Mastodon gleichzeitig zu nutzen.

Eigeninitiative ist gefragt

Hat man die Registrierung hinter sich gebracht und seine E-Mail-Adresse bestätigt, steht man zuerst vor einer leeren Timeline. Anders als bei Twitter oder Facebook wird man nicht aufgefordert, der App sein Adressbuch zur Verfügung zu stellen, um seine Bekannten automatisch auf der neuen Plattform zu finden. Stattdessen muss man selbst tätig werden.

Je nach verwendetem Mastodon-Server werden eine Reihe von Nutzern vorgeschlagen, die bereits sehr aktiv sind und einen guten Ausgangspunkt bieten, um die neue Plattform kennenzulernen. Man kann sich aber auch im Profilverzeichnis der verschiedenen Mastodon-Server umsehen oder Communitys durchstöbern, die den eigenen Interessen entsprechen. So gibt es sogenannte Mastodon-Instanzen für Musik-Freunde , für Softwareentwickler  und sogar für Mitglieder bestimmter Parteien . Insgesamt sind derzeit mehr als 11,5 Millionen Accounts im Mastodon-Netzwerk registriert. Allein auf dem größten Server, mastodon.social, sind mehr als 660.000 Accounts versammelt.

Keine Macht den Algorithmen

In der Voreinstellung liefert Mastodon eine chronologische Timeline, ohne Einfluss von Sortier-Algorithmen. Mit der Suchfunktion erhalten neuen Nutzer aber einen Überblick, was in dem Netzwerk aktuell los ist: Wie bei Twitter gibt es Hashtags und Trends. Man kann sich aber auch eine Liste der meistdiskutierten Nachrichtenartikel anzeigen lassen. Diese Funktion findet man in der App unter dem Lupen-Symbol ganz unten, im Desktop-Browser unter »Entdecken«.

Auf diese Weise kann man sich nach und nach seine eigene Timeline zusammenstellen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Anders als bei Twitter gibt es keine authentifizierten Nutzer. Deshalb sollte man sich Profile genau anschauen, bevor man ihnen folgt. Auch findet die Suchfunktion neue Nutzerinnen und Nutzer nicht immer sofort.

Viele der grundlegenden Funktionen sind denen von Twitter sehr ähnlich. Statt 280 Zeichen liegt das Limit bei Mastodon 500 Zeichen. Es gibt Favoriten, Retweets, Listen und sogar Umfragen. Wer sich durch die Benutzeroberfläche klickt, findet einige Zusatzfunktionen. So kann man seine Nachrichten automatisch mit einem Verfallsdatum versehen, oder sich in der »Föderation« alle Mastodon-Nachrichten ansehen, die derzeit weltweit verbreitet werden. Für jede einzelne Nachricht lässt sich festlegen, ob sie für die Öffentlichkeit oder nur für Freunde sichtbar sein soll.

Durch den aktuellen Ansturm fühlt sich das Netzwerk derzeit etwas träge an. Eugen Rochko arbeitet aber gerade daran, die Serverkapazitäten auszubauen, sodass Mastodon die neuen Nutzer besser wegstecken kann.

Ob sich die Twitter-Alternative nun vom Nischenangebot zur ernsthaften Konkurrenz für kommerzielle Angebote entwickeln kann, liegt aber auch daran, ob sich genug Leute finden, die das Projekt mit Spenden, eigenen Servern und Mithilfe bei der Moderation  von Inhalten unterstützen.

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