

Preiserhöhung in Deutschland Netflix gibt ein schlechtes Bild ab


Netflix: Die Videoflatrate hat weltweit fast 200 Millionen Abonnenten
Foto: Wedel / imago images/Kirchner-MediaMan könnte mich einen Netflix-Sympathisanten nennen: Mein Abo läuft seit vielen Jahren, und ich war bereits zahlender Abonnent, bevor es Netflix offiziell in Deutschland gab – beim US-Pendant. Bei Streiten im Freundeskreis, was den Katalog, die Bedienbarkeit und technische Qualität von Diensten wie Prime Video oder Sky Ticket angeht, war Netflix oft mein Positivbeispiel. Auf angeberisches Namedropping toller Serien, die ich über Netflix entdeckt habe, sei an dieser Stelle verzichtet.
Zunehmend aber macht Netflix mich wütend. Der Streamingdienst hat soeben mitten im Corona-Lockdown angekündigt, in Deutschland seine Preise zu erhöhen, ähnlich wie in Großbritannien. Der Standardtarif kostet fortan rund 13 statt 12 Euro im Monat, der Premiumtarif 18 statt 16 Euro. Für ein Jahr Topvariante werden künftig also satte 216 Euro fällig. Nur der sogenannte Basistarif bleibt mit acht Euro unverändert.
Die zwei Preissprünge, die für Neukunden sofort und für Bestandskunden in den nächsten Monaten in Kraft treten, wirken auf den ersten Blick moderat. Man sollte jedoch wissen, dass der Premiumtarif noch Anfang 2019 gerade mal 14 Euro kostete. Es sind also vier Euro pro Monat mehr binnen zwei Jahren. Mit Datenübertragungskosten lässt sich das schwer rechtfertigen.
Netflix versucht das auch gar nicht. Der Dienst verweist auf steigende Investitionen in Inhalte, darunter Produktionen aus dem deutschsprachigen Raum. Netflix will also mehr Geld pro Kundenkonto, weil es sein Angebot breiter aufstellt (mehr zu Netflix' Plänen für das Filmjahr 2021 lesen Sie hier). Ob das gut oder schlecht ist, darüber lässt sich ewig streiten, entscheidend ist letztlich der persönliche Film- und Seriengeschmack.
Wer mehr zahlt, bekommt ein besseres Bild
Es sind auch weniger die Inhalte, die mich an Netflix zweifeln lassen. Mich irritiert die Staffelung der Tarife. Hier gilt: Wer Netflix in höchster Bildqualität schauen will, muss unverhältnismäßig viel zahlen oder sich Mitnutzer suchen – die man vielleicht gar nicht haben will.
Das Netflix-Angebot ist so aufgebaut:
Für acht Euro kann nur eine Person gleichzeitig schauen, in – das ist der größere Haken – sogenannter SD-Qualität, die im Jahr 2021 aus der Zeit gefallen und auf modernen 4K-Fernsehern eine Beleidigung für das Auge ist. (Ich weiß das, denn ich schaue auf meinem 4K-TV zum Beispiel RTL und ProSieben in SD.) Im Grunde ist dieser Basistarif, den Netflix seit dem Deutschlandstart im Jahr 2014 noch nie angefasst hat, so nur noch ein Feigenblatt.
Für künftig 13 Euro bekommen Nutzer zwei Streams gleichzeitig – und sie dürften Inhalte in HD sehen.
Und für 18 Euro gibt es dann das volle Paket: Vier zeitgleiche Streams und, hurra, Ultra-HD-Qualität, wie man sie auch schon 2014 freischalten konnte, damals übrigens für zwölf Euro.
Einzelnutzer werden besonders kräftig zur Kasse gebeten
Fragwürdig an diesem Modell ist, dass Nutzer, die sich ihre Accounts mit anderen teilen, stark davon profitieren. Eine WG mit vier Mitbewohnerinnen oder Mitbewohnern etwa, in der jeder in Ultra-HD streamen darf, zahlt ebenso 18 Euro wie jemand, der allein wohnt und nicht auf gleichzeitige Streams, sondern auf vernünftige Bildqualität oder auch nur auf Dolby-Atmos-Audio aus ist. Diese Audio-Option gibt es nämlich ebenfalls nur im teuersten Tarif.
Man könnte auch sagen: Netflix' einziges zeitgemäßes Angebot für Einzelnutzer, die ihre Zugangsdaten mit niemandem teilen wollen, ist mittlerweile unverschämt teuer.
Nun kann man argumentieren, dass sich ja nicht nur WGs oder Familien ein Premium-Abo teilen oder teilen könnten, was den Premiumpreis sofort akzeptabler erscheinen lässt, sondern auch Freunde und Bekannte. Und auch Netflix selbst posaunt fragwürdige Sätze wie »Liebe ist es, ein Passwort zu teilen« in die Welt. In seinen Nutzungsbedingungen aber schreibt der Dienst eindeutig, dass man seinen Netflix-Zugang »nicht mit Personen, die nicht im gleichen Haushalt leben«, teilen darf. Geld sparen kann so also nur, wer eine Grauzone betreten mag.
Würde es Netflix wirklich um jeden einzelnen Nutzer gehen und nicht primär um Einnahmen durch eine Masse im Zweifel gegen Richtlinien verstoßender Zuschauer, müsste es mindestens einen weiteren Tarif einführen: Ultra HD mit nur einem Stream, für deutlich weniger als 18 Euro.
Oder Netflix könnte sagen: Die Preise sind nur noch an die Zahl der gleichzeitigen Streams gekoppelt, nicht mehr an die Auflösung. Auch so würde die Firma ein besseres Bild abgeben als jetzt.