Rechtes soziales Netzwerk Parler ist offline – die Inhalte bleiben

Netzwerk Parler: Hunderttausende Beiträge sind wohl bald öffentlich zugänglich
Foto: IAN LANGSDON/EPA-EFE/ShutterstockBevor das rechte soziale Netzwerk Parler offline ging, hat eine Hackerin nach eigenen Angaben nahezu alles gesichert, was Nutzer und Nutzerinnen dort rund um den Sturm aufs Kapitol am 6. Januar veröffentlicht und geteilt haben. Zum von ihr archivierten Material gehören demnach Profilbeschreibungen, Bilder und Videos – inklusive Geodaten, Informationen dazu also, wo sich jemand befand, als er in dem Netzwerk aktiv war.
Auf Parler hatten sich Nutzer vor den Unruhen in Washington, D.C. organisiert: Sie teilten Standorte, riefen zu Gewalt auf und kommentierten Geschehnisse. Später löschten viele Nutzer ihre Beiträge – wohl auch aus Angst vor einer Strafverfolgung.
Die Hackerin, die sich auf Twitter @donk_enby nennt, wollte die Parler-Postings archivieren, damit diese Informationen nicht verloren gehen und damit Personen identifizierbar und Beiträge zuordenbar bleiben. »Die Dinge, die dort zugänglich sind, sind kriminell«, erklärte sie auf Twitter.
Archivierung als Crowdsourcing-Projekt
Das Dokumentieren der Geschehnisse auf Parler hatte eine neue Dringlichkeit bekommen, als Parler-Chef John Matze bekannt gab, dass die Seite offline gehen würde: Amazon Web Services (AWS) hatte angekündigt, Parler nach Sonntag nicht mehr zu hosten.
Die Hackerin begann daraufhin, die Archivierung zu crowdsourcen, sodass mehrere Nutzer gleichzeitig Inhalte herunterladen konnten. Ihre Arbeit verglich sie auf Twitter mit einer Gruppe Menschen, »die in ein brennendes Gebäude rennen und versuchen, so viel wie möglich mitzunehmen«. Alle Beiträge, insgesamt wohl rund 70 Terabyte an Daten, sollen laut @donk_enby auf den Seiten des sogenannten Internet Archive veröffentlicht werden und so Journalisten, Wissenschaftlern und auch den Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden.
Auch gelöschte Beiträge archiviert
Dass bei ihrem Vorgehen sogar gelöschte Beiträge archiviert werden konnten, verdanken die Hackerin und ihre Mitstreiter einer Sicherheitslücke. Weil das Unternehmen Twilio, das zuvor neue Parler-Accounts verifizierte, nicht mehr mit dem Netzwerk zusammenarbeitet, kamen die Hacker auf simplem Weg an massenweise Administratoren-Accounts. Diese hatten die Berechtigung, auch als gelöscht markierte Beiträge einzusehen und zu speichern.
Entgegen erster Meldungen speicherte das Team nach eigenen Angaben aber keine privaten Daten wie Telefonnummern, Mailadressen oder Kreditkartennummern, »es sei denn, du hast es selbst auf Parler gepostet«. »Was ich mache, ist das Gegenteil von Zensur«, schrieb @donk_enby auf Twitter klar.
Die Archivierung ist nicht der erste Zwischenfall, bei dem Parler-Daten anderswo im Netz landeten. Letzten November gelang es dem Aktivisten Aubrey Cottle, mehrere Gigabyte Daten von der Website zu speichern. In einem Interview mit »Business Insider« bestätigte Parler-Chef Matze den Zugriff, schränkte aber ein, dass es sich nur um öffentlich zugängliche Daten gehandelt habe.
Netzwerk beliebt bei Rechten
Parler bezeichnet sich selbst als »Free Speech Network« und gilt als eine Art Twitter-Ersatz für extrem Rechte und Verschwörungstheoretiker. Hier posten vor allem Menschen, deren Reichweite auf anderen Plattformen beschränkt wurde. Inhalte werden kaum oder nur wenig moderiert, sodass auch explizite Aufrufe zu Gewalt, Todesdrohungen, rassistische oder antisemitische Inhalte problemlos veröffentlicht und geteilt werden können.
Seitdem bekannt wurde, dass sich Nutzer vor dem Angriff auf das Kapitol auf Parler organisiert hatten, haben Apple und Google die App aus ihren App-Stores entfernt. Durch das Ende der Zusammenarbeit mit AWS ist Parler seit der Nacht zu Montag offline.