Frust für Pendler Wie Bahn-Apps im Streik versagen

Information über Ausfall im DB Navigator: Wer verlässliche Verbindungen sucht, muss aufpassen
Foto: Guido Schiefer / IMAGODieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Ein typischer Ratschlag am heutigen Streik-Montag lautet: Reisende sollten sich vor Antritt nochmals vergewissern, ob ihr Bus, ihre Straßenbahn oder ihr Zug wirklich fährt. Und wer öfter mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, hat heutzutage vermutlich sowieso mindestens eine ÖPNV-App auf dem Handy. Denn darüber kann man nicht nur Fahrkarten kaufen, sondern bekommt oft auch Echtzeitdaten dazu, wie viel Verspätung die eigne Bahn hat und ob eine andere Verbindung nicht schneller ist. In Zeiten, in denen kaum zwei Drittel der Fernverkehrszüge pünktlich ankommen , sind solche mobile Hilfen unverzichtbar.
Es gibt mittlerweile Dutzende Apps, die sich Reisenden als ultimative Lösung anbieten: vom Bahn-eigenen DB Navigator über die Navi-Apps von Google und Apple bis zu den Alternativen von Nahverkehrsunternehmen und anderen Dienstleistern. Das Problem: Fast jedes dieser Angebote ist ganz auf die Dienste eines Unternehmens zugeschnitten, sodass sich die Apps oft widersprechen, wie man konkret fahren sollte. Und gerade im Streik zeigt sich ein weiteres Defizit vieler Angebote.

Verbindungsübersicht in Apples Navigations-App: Erst ein weiterer Klick verrät, dass die Bahnen nicht fahren
Foto: AppleWer routinemäßig zu Apples »Karten«-App greift, wird mitunter überrascht: Zwar zeigt das iPhone an, dass beispielsweise die Verbindung Köln-Düsseldorf von Streikmaßnahmen betroffen ist: Sie tut in der Übersicht aber weiterhin so, als ob man in unter einer Stunde von einer Innenstadt in der anderen wäre.
Schlimmer noch: Welche Fahrten ausfallen, ist nicht sofort klar ersichtlich und wird von Apple auch nicht konsistent erfasst. Eine Route von Köln nach Düsseldorf zeigt zwar nur vom Streik nicht betroffene Angebote innerhalb Kölns an. Beim Reiseziel tut die App allerdings so, als ob die Straßenbahnen der Rheinbahn in Düsseldorf weiter fahrplanmäßig verkehren, obwohl diese heute in ihren Depots bleiben.
Google hat in den vergangenen Jahren zwar zahlreiche Kooperationen mit Nahverkehrsunternehmen geschlossen, um den eigenen Nutzerinnen und Nutzern möglichst viele Echtzeitinformationen anzuzeigen und sogar Hinweise zu geben, welche Busse besonders vollgestopft sind. Doch am Streiktag offenbart sich, dass auch der Internetkonzern noch nicht die Tücken des deutschen Nahverkehrs in seine Logiken integrieren konnte.
Das Ergebnis einer erneuten Routenabfrage von Köln nach Düsseldorf: Zwar versichert Google Maps den Reisenden, dass im Hauptbahnhof Düsseldorf »weniger Besucher als gewöhnlich« unterwegs sind – dass der in seinem Routenvorschlag vorgesehene Regionalzug ausfällt, ist bei dem Datenkonzern aber offenbar nicht angekommen.
Störungshinweise selbst nachschlagen
Immerhin: Reisewege, von denen Google weiß, dass sie nicht funktionieren werden, werden nach unten in eine Kategorie namens »Fahrten mit Störungen« wegsortiert. Dass die erwähnte Störung aber die Fahrt insgesamt unmöglich macht, müssen sich die Reisenden aus der Detailansicht selbst zusammenreimen. Ein kleiner Trost noch: Google integriert in seine App zahlreiche Werbelinks, sodass man auch ein Taxi oder einen E-Scooter ordern kann – falls diese während des Streiks denn noch zu bekommen sind.

Reiseempfehlung von Google Maps: Nur manche Ausfälle sind eingepflegt
Foto: GoogleWer meint, mit den offiziellen Angeboten der Verkehrsbetriebe besser voranzukommen, wird insbesondere dann enttäuscht werden, wenn die avisierte Strecke über Tarifgrenzen hinaus führt. Die Deutsche Bahn hat zu aller Verwirrung gleich mehrere Ausspielkanäle für Reiseempfehlungen, die sich mitunter widersprechen. Darauf, dass wenigstens eine Auskunft stimmt, kann man sich auch nicht verlassen.
Zwar zeigt die App DB Navigator eindeutig an, welche Bahnen ausfallen und sucht nach Verbindungsalternativen. Wer dann aber in die Verbindungsdetails schaut, erfährt, dass die dreistündige Schienenersatzverkehr-Busfahrt von Köln nach Düsseldorf doch nicht ans erwünschte Ziel führt. Auch die Deutsche Bahn hat die Streiks in Düsseldorf augenscheinlich nicht komplett eingepflegt, sodass sich der Fahrgast an der Haltestelle Lörick selbst um die Weiterfahrt kümmern müsste.
Noch kurioser: Wer auf dem ebenfalls Bahn-eigenen Angebot Bahn.de im Browser nach der gleichen Verbindung sucht, bekommt andere Zeiten angezeigt. Das liegt daran, dass die Browser-Version der Reiseauskunft die Streiks in Köln nicht richtig eingepflegt hat.

Kostenlose Android-App Öffi: Viele Datenquellen integriert
Wer angesichts dessen zu den Apps der lokalen Verkehrsbetriebe greift, stößt mitunter auf die gleichen Defizite in anderer Richtung. Die eigenen Fahrtausfälle sind gut dokumentiert, die der Deutschen Bahn oder der benachbarten Verkehrsverbünde aber nicht oder zumindest nicht vollständig. So scheinen viele Apps die Informationen über den Fernverkehr in Echtzeit zu verarbeiten, die Informationen über Regionalzüge aber nicht.
Und selbst wenn die Ausfälle gut dokumentiert sind, macht sich mitunter eine gewisse Hoffnungslosigkeit breit: Zwar liefern viele Verkehrsverbünde lange Listen mit ausgefallenen Verbindungen, Alternativen können sie aber oft nicht anbieten.
Gute Daten kosten Geld
Der Grund für dieses Chaos liegt zum einen in der zersplitterten Struktur des deutschen Nahverkehrs mit über 70 lokalen und regionalen Verkehrsverbünden, zum anderen im Geschäftsmodell Daten. Zwar bieten die meisten Unternehmen mittlerweile ihre Fahrplandaten als Open Data an, sodass sie kostenlos in andere Apps integriert werden können.
Wer jedoch an Echtzeitdaten oder weitergehende Informationen zu Umsteigezeiten und Haltestellen kommen will, muss oft tief in die Tasche greifen. Die App-Anbieter behelfen sich oft damit, dass sie die Datenquellen integrieren, die ihnen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Dennoch macht gerade eine kostenlose und werbefreie App in Zeiten des Streiks eine besonders gute Figur. »Öffi « zeigt sowohl die Streiks in Köln als auch Düsseldorf richtig an, sofern man die richtige Datenquelle wählt. Die Auskunft hilft praktisch allerdings auch nicht viel weiter: Bei der veranschlagten Fahrtzeit von vier Stunden kann man gleich mit dem Fahrrad fahren.