Nach Urteil Apple entfernt schwules soziales Netzwerk Hornet aus türkischem Store

In der Türkei werden digitale LGBTQ+-Angebote immer wieder gesperrt. Nun ist das homosexuelle soziale Netzwerk Hornet aus dem App Store verschwunden. Nutzer sprechen von Zensur und twittern: »Wir haben Angst.«
Trotz Verbots haben sich Hunderte in Istanbul zur Pride-Parade versammelt: Seit Jahren wächst in der Türkei der Druck auf die LGBTQ+-Community

Trotz Verbots haben sich Hunderte in Istanbul zur Pride-Parade versammelt: Seit Jahren wächst in der Türkei der Druck auf die LGBTQ+-Community

Foto: Emrah Gurel / dpa

Vor rund einem Jahr hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan LGBTQ+-Aktivisten im Land beschuldigt, »unsere nationalen und spirituellen Werte« zu untergraben und junge Menschen zu »vergiften«. Die verbale Attacke war kein Einzelfall. Immer wieder fallen Regierungspolitiker in der Türkei mit homo- und transphoben Aussagen auf – sie schüren damit ein feindseliges Klima.

Die Angriffe auf die LGBTQ+-Community nehmen zu. Allein Anfang des Jahres sorgten drei Gewalttaten gegen Transfrauen binnen wenigen Tagen in der Türkei für Schlagzeilen. Zudem wurden bereits das siebte Jahr in Folge Pride-Veranstaltungen verboten. Gegen Verstöße des Verbots ging die Polizei mit Härte vor.

Soziale Netzwerke, Dating-Apps und Foren galten jedoch lange als sicherer Ort für Mitglieder der LGBTQ+-Community, um sich austauschen. Die englische Abkürzung steht für  lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer oder questioning sowie weitere Gruppen. Seit einiger Zeit geraten jedoch auch die digitalen Rückzugsräume vermehrt ins Visier der türkischen Behörden. Seit Montag ist nun die App Hornet nicht mehr im App Store von Apple verfügbar. Ähnlich wie bei Instagram bietet Hornet seinen Nutzern die Möglichkeit, Storys zu posten, es gibt einen Feed, Nachrichtenartikel und die Möglichkeit, sich privat auszutauschen und zu verabreden.

Website bereits seit einem Jahr gesperrt

Apple hat die App des »weltweit führenden schwulen sozialen Netzwerks« – wie sich Hornet auf seiner Website selbst bezeichnet – entfernt. Grund dafür sei ein türkisches Gerichtsurteil aus dem vergangenen Jahr, heißt es in einer Mitteilung von Hornet. Man arbeite daran, eine Lösung mit Apple und den türkischen Behörden zu finden, teilte das Unternehmen weiter mit. Eigenen Angaben zufolge nutzen mehr als drei Millionen Menschen in der Türkei Hornet.

Bereits am 6. August 2020 wurde Hornet unter Berufung auf Gesetz 5651 gesperrt. Ursprünglich sollte das Gesetz die türkische Öffentlichkeit vor Cyberkriminalität bewahren. Allerdings räumt es der Regierung weitgehende Überwachungs- und Sperrrechte im Internet ein.

Gründe für eine Sperrung können Aufrufe zu Gewalt, Beleidigung des Türkentums oder auch Verstöße gegen die Moral sein. Der Gesetzestext ist dabei allerdings äußerst schwammig formuliert. Was online erlaubt und nicht erlaubt ist, liegt daher im Ermessen der staatlichen Kommunikations- und Technologiebehörde (kurz BTK). Diese kann Websites auf eigene Initiative sperren. Ein Gericht muss die Entscheidung erst bestätigen, wenn die Angebote bereits nicht mehr abrufbar sind.

Im Fall von Hornet habe man die Seite wegen Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte gesperrt, sagte der türkische Digitalexperte Yaman Akdeniz dem SPIEGEL. »Wessen Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, konnte man der Entscheidungsbegründung nicht entnehmen.« Dass zwischen der Sperrung der Website und Apples Entscheidung, Hornet aus dem App Store entfernen, gut ein Jahr liegt, habe damit zu tun, dass das US-Unternehmen erst kürzlich von den türkischen Behörden informiert worden sei.

Nutzerinnen und Nutzer der App reagierten empört darauf. Auf Twitter wurde mehrfach die »Zensur« im Land kritisiert. »Der Druck auf #Schwule in der Türkei wächst von Tag zu Tag. Wir wissen nicht, wohin das noch führen wird, und haben Angst«, hieß es in einem Tweet.

Mit dieser Angst ist der Verfasser nicht allein. Bereits im vergangenen Jahr warnte der bekannte türkische Aktivist Yildiz Tar davor, dass Mitglieder der LGBTQ+-Community durch Netzsperren zunehmend isoliert werden.

Angst vor zunehmender Isolation

Die Angebote im Netz seien ein wichtiges Instrument, um sich »zu finden, zu erreichen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen«, sagte Tar der unabhängigen Nachrichtenseite »Bianet«  im vergangenen Jahr. Die Websites würden innerhalb von Gruppen, die mit großen gesellschaftlichen Hindernissen konfrontiert seien, die Einsamkeit lindern.

Dabei reiht sich Hornet in eine ganze Reihe ähnlicher Fälle ein. Ebenfalls im vergangenen Jahr wurde die Plattform gabile.com gesperrt. Die Seite ist 1999 in der Türkei entstanden und die älteste Dating- und Austauschplattform der LGBTQ+-Community im Land. Bereits seit 2013 ist zudem die schwule Dating-App Grindr in der Türkei nicht erreichbar.

Seit Jahren kämpfen Aktivisten dafür, dass Grindr entsperrt wird. Der Fall liegt beim Verfassungsgericht. Dort soll auch über die Zukunft von Hornet entschieden werden, wie Digitalexperte Akdeniz sagte. Er wies allerdings auch darauf hin, dass die Bemühungen der türkischen Behörden, die Apps komplett zu verbannen, wenig aussichtsreich seien.

»Der Versuch, den Zugriff auf Hornet einzuschränken, ist vergeblich«, sagte er. Zwar sei die App nicht mehr im App-Store verfügbar. Man könne jedoch die Ländereinstellungen ändern und sich dann ein neues Profil anlegen. Ähnliche Angebote seien ebenfalls weiter nutzbar. Für Android sei Hornet außerdem nicht gesperrt. Und wer die App bereits auf seinem iPhone hat, kann sie auch weiterhin nutzen.

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