Wechsel des E-Mail-Anbieters Yahoo ausmustern? Fast unmöglich!

Unser Autor hat ein dunkles Geheimnis: einen E-Mail-Account bei Yahoo. Der nervt seit Jahren. Jetzt soll das Postfach endlich weg - leichter gesagt als getan.
Mann vor Yahoo-Logo

Mann vor Yahoo-Logo

Foto: © Albert Gea / Reuters/ REUTERS

Hinweis: Dieser Text ist ursprünglich am 8. Oktober erschienen. Wir veröffentlichen ihn aus Anlass des jetzt bekannt gewordenen Hackerangriffs aus dem Jahr 2013, bei dem zahlreiche Nutzerdaten erbeutet wurden, erneut. Stand Donnerstagmorgen ist Yahoos Weiterleite-Funktion wieder aktiv.

Nein, für die geistige Gesundheit ist es nicht förderlich, bis in die Nacht hinein ständig zwischen drei E-Mail-Konten hin- und herzuwechseln. Neue Nachrichten testweise um- und weiterleiten, alte archivieren - was mir Mittwochabend wie eine Sache von einer Stunde erschien, ging mir ab Mitternacht nur noch auf die Nerven.

Am nächsten Morgen bin ich immer noch durcheinander. Ich öffne mein Postfach und erschrecke wegen einer E-Mail mit dem Betreff "Zwangsmigration". Was geht jetzt ab?, denke ich, bis ich den zweiten Teil der Zeile sehe. "Konferenz am 19.10. in Berlin" steht da. Erst jetzt merke ich, dass es nicht mehr um meine E-Mails geht, sondern um Wissenschaftler, die über Fluchtbewegungen diskutieren wollen.

Wie konnte es so weit kommen, dass mich Presseeinladungen verunsichern?

Yahoo nervte schon lange

Ich habe seit vielen Jahren einen E-Mail-Account bei Yahoo. Es ist nicht mein einziges Postfach, ich bin auch beim deutschen Anbieter Mailbox.org und bei Gmail, zusätzlich habe ich eine berufliche Adresse. Aber die Yahoo-Adresse ist vielen Menschen von früher bekannt, ab und zu bekomme ich dort außer Pressemitteilungen und Werbung auch interessante Anfragen.

Ich weiß nicht mehr genau, wieso ich ausgerechnet bei Yahoo gelandet bin, denn cool fand ich das Unternehmen noch nie. Es ist einfach passiert.

Yahoo Mail war nie ein toller Anbieter, vor allem das Web-Interface nervte oft. Manchmal konnte man nicht einmal Bilder an E-Mails anhängen. Doch irgendwann waren so viele Foren-Log-ins, so viele Webshop-Accounts mit dem Yahoo-Account verbunden, dass ich schlicht zu faul war, diese Sachen mit einem meiner anderen Accounts zu verbinden.

Stattdessen versuchte ich, den Yahoo-Account vernünftig abzusichern, mit Zwei-Faktor-Authentifizierung, dem bewussten Verzicht auf Sicherheitsfragen und, natürlich, einem langen, exklusiven Passwort.

In den letzten Wochen jedoch merkte ich, dass ich wechseln muss. Ich möchte nicht mehr, dass Yahoo auch nur im Ansatz wichtige Daten von mir aufbewahrt, aus mehreren Gründen.

Das ist problematisch an Yahoo

  • Yahoo wird samt E-Mail-Service gerade an Verizon verkauft, einen US-Telekommunikationskonzern, der in den letzten Jahren unter anderem durch eine Kooperation mit der NSA Negativschlagzeilen machte. Selbst vor diesen Berichten wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mir bei Verizon einen E-Mail-Account anzulegen.
  • Ein zweiter aktueller Anlass ist ein Ende September bekannt gewordener Hackerangriff auf Yahoo, bei dem 2014 persönliche Daten von mindestens 500 Millionen Nutzern abgegriffen wurden. Auch das stärkste Passwort bringt nichts, wenn sich Angreifer meine Daten direkt beim Anbieter besorgen können. Das Krisenmanagement von Yahoo war mehr als mies: Ein FAQ zum Hack etwa ist bis heute nur auf Englisch abrufbar . Und Yahoo informiert mich bei jedem einzelnen Log-in über das Problem, dabei hatte ich sofort mein Passwort geändert.
Sicherheitswarnung beim Log-in

Sicherheitswarnung beim Log-in

  • Das Fass endgültig zum Überlaufen brachte jetzt der Vorwurf, dass Yahoo auf Anweisung von US-Behörden die E-Mails all seiner Kunden nach einer bestimmten Zeichenkette durchforstet haben soll. Und zwar 2015, nach den Snowden-Enthüllungen. Das Unternehmen dementierte den Vorfall nicht wirklich, es nannte den entsprechenden Bericht "irreführend".

Tastenkombis statt Kündigungstipps

Daraufhin wollte ich impulsartig meinen Yahoo-Account loswerden. Einfach ist das aber nicht. In der Hilfe-Funktion im Mail-Programm jedenfalls sind Infos zum Account-Löschen gut versteckt. Wer "kündigen" und "löschen" ins Suchfeld tippt, wird über Tastenkombinationen zum E-Mail-Sortieren informiert.

"Hilfe"-Funktion im Mailprogramm: Nicht die Infos, die man sucht

"Hilfe"-Funktion im Mailprogramm: Nicht die Infos, die man sucht

Am Ende musste ich googeln, wie ich meinen Yahoo-E-Mail-Account (und damit meinen gesamten Yahoo-Account) löschen kann, ein bezeichnender Vorgang. Um anderen Leidensgenossen diesen Schritt zu ersparen: Hier finden Sie die entsprechende Unterseite .

Dort findet man dann immerhin Fakten, wenn auch keine guten: Sofort löschen kann man seinen Account nämlich nicht, er wird vom Konzern noch 90 Tage aufrechterhalten - für den Fall, dass man es sich doch noch einmal anders überlegt.

Bestätigung der Account-Löschung (hier am Beispiel eines Test-Accounts): Jetzt müsste man noch 90 Tage warten

Bestätigung der Account-Löschung (hier am Beispiel eines Test-Accounts): Jetzt müsste man noch 90 Tage warten

Gedanken machen muss man sich auch darüber, wie man seine bisherigen E-Mails sichert, sofern man das vorhat. Bei mir ging es um fast 13.000 Nachrichten, die ich nicht mehr ordnen, sondern nur irgendwo archivieren wollte.

Blöd nur: Anders etwa als Gmail bietet Yahoo keinen automatischen E-Mail-Export. Unter "Speichern Sie die Daten Ihres Yahoo-Accounts " rät das Unternehmen ernsthaft, man könne seine Nachrichten einzeln ausdrucken oder per Copy-and-paste etwa in einer Word-Datei speichern. Alternativ könne man eine Nachricht nach der anderen an eine andere Adresse weiterleiten.

Thunderbird an, E-Mails rein

So bleibt nur eine vernünftige Lösung: Man nimmt sich eine E-Mail-Software wie Outlook oder Thunderbird und greift damit auf seinen Yahoo-Account zu. So lassen sich die Online-Nachrichten dann auch herunterladen und auf der Festplatte speichern. Per Thunderbird klappte das bei mir ganz gut.

Mein Yahoo-Postfach habe ich letztlich dann doch nicht gelöscht, ich entschied mich irgendwann für einen Kompromiss: Ich lasse den Account erst einmal weiterlaufen. Schließlich wird er auch auf einigen sehr alten Visitenkarten erwähnt. Und - auch das ist bedenkenswert - wenn ich meinen Account wirklich lösche, wird Yahoo die Adresse neu vergeben: Dann könnte plötzlich jemand anderes mit meiner Adresse Nachrichten verschicken und empfangen.

Alle kommenden Yahoo-Mails lasse ich nun aber von einem der anderen Accounts aus abrufen. Zudem habe ich bei allen noch irgendwie interessanten Diensten die E-Mail-Adresse geändert. Dank eines Passwortmanagers ging zumindest das halbwegs einfach. Yahoo von den wichtigeren Daten abzuklemmen, war wohl der wichtigste Schritt des Abends. Man muss schließlich bedenken, dass sonst zum Beispiel noch "Passwort vergessen"-E-Mails oder ähnliches bei Yahoo landen könnten.

Über Nacht verschwand eine wichtige Funktion

Zwischenzeitlich hatte ich übrigens eine automatische Weiterleitung aller ankommenden E-Mails als gute Lösung gesehen. Am späten Abend hatte das auch noch gut funktioniert, als ich die Funktion ausprobierte, dann aber wieder abstellte.

Infoseite zum Weiterleiten am 5. Oktober: Einfach einrichten

Infoseite zum Weiterleiten am 5. Oktober: Einfach einrichten

Als ich die Weiterleitung morgens dann wieder aktivieren wollte, hatte sich Yahoo binnen weniger Stunden gewandelt. Die entsprechenden Menü-Buttons waren verschwunden und statt der Erklärung, wie man die Weiterleitung einrichtet,  fand sich auf derselben Website nun der Hinweis, die Funktion befinde sich "in der Entwicklung". Sie sei vorübergehend deaktiviert worden, offenbar für alle Accounts.

Infoseite zum Weiterleiten am 6. Oktober: Geht plötzlich nicht mehr

Infoseite zum Weiterleiten am 6. Oktober: Geht plötzlich nicht mehr

In diesem Moment war ich mir zumindest in einem sicher: Yahoos Service endlich auszumustern ist auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

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