Haushaltsverhandlungen Sondertopf der Bundesregierung für Digitalprojekte soll offenbar gestrichen werden

Glasfaserverlegung in Ostfriesland
Foto: Sina Schuldt / dpaIn der Bundesregierung gibt es offenbar Überlegungen, ein digitales Leuchtturmprojekt aus dem Koalitionsvertrag endgültig abzuräumen und das vereinbarte Digitalbudget auch im kommenden Haushaltsjahr nicht umzusetzen.
Das ambitionierte Projekt liege bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen »auf der Schlachtbank«, beklagt Daniel Abbou, Geschäftsführer des KI-Bundesverbandes. In einem Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner, Digitalchef Volker Wissing (beide FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), zeigen er und weitere Verbände sich alarmiert: Für die deutsche Wirtschaft seien »hier entwickelte digitale Anwendungen unverzichtbar«. Momentan kämen 73 Prozent der KI-Anwendungen aus den USA, 15 Prozent aus China – was Deutschland abhängig mache.
»Für die Bundesregierung sollte es daher oberste Priorität haben, die in der Digitalstrategie definierten Projekte und Vorhaben auch umsetzen zu können.« Ohne das dazugehörige Digitalbudget »bleiben viele Ministerien in ihren Ambitionen zurückhaltend«.
Noch liefen die Gespräche, heißt es aus dem Verkehrsministerium
Ein »zentrales zusätzliches Digitalbudget« war Teil des »umfassenden digitalen Aufbruchs«, den die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag dem Land versprochen hatte. Seine genaue Höhe wurde nie beziffert. Es müsse erst ein »über die bereits finanzierten Maßnahmen hinausgehender Bedarf« ermittelt werden, hieß es noch im Herbst von der Bundesregierung.
Im Sommer hatte sich auch Digitalminister Volker Wissing in Interviews noch entschlossen gegeben. »Das Digitalbudget wird kommen«, sagte er dem Tagesspiegel . »Klar ist, dass die Dinge, die wir in der Digitalstrategie vereinbart haben, auch umgesetzt werden und dafür auch die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Mein Ansatz ist, erst die Inhalte klären und dann die Finanzen«.
Das Bundeswirtschaftsministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Aus dem Digitalministerium heißt es: »Derzeit laufen in der Bundesregierung die Verhandlungen über den kommenden Bundeshaushalt. Den Ergebnissen dieser Gespräche können wir nicht vorgreifen.«
Geredet wird über den versprochenen zentralen Haushaltsposten, der vor allem Digitalminister Wissing mehr Handlungsmöglichkeiten einräumen würde, schon lange. Im Dezember antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, zum Digitalbudget fänden »aktuell noch grundsätzliche Gespräche und Abstimmungen im Ressortkreis statt«. Vor einer »finalen Konkretisierung oder Verabschiedung eines Digitalbudgets können daher aktuell keine Angaben über die möglichen Verwendungszwecke gemacht werden«.
Der Branchenverband Bitkom hatte im Oktober konkrete Vorschläge veröffentlicht , wie das Digitalbudget verwendet werden könnte – und damals bereits zur Eile gemahnt.
»Ich glaube nicht mehr daran«, sagt die Digitalexpertin der Linken
Das Projekt sei eine der tragenden Säulen der Digitalpolitik der Ampel gewesen, sagt der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Reinhard Brandl. Sollte es nicht zustande kommen, bedeute das eine »Bankrotterklärung für die Digitalpolitik der Ampel und eine schlechte Nachricht für die Digitalisierung in Deutschland«.
»Ich glaube nicht mehr daran«, sagt auch die Digitalexpertin der Linken, Anke Domscheit-Berg. Jedes Jahr vertröste die Koalition auf den nächsten Bundeshaushalt. »Wenn es doch kommt, dann vermutlich nur als winziges Alibi-Budget, damit mal ein Haken dran ist, aber nicht mehr als das, was es mal sein sollte: ein Treiber für die schnelle Digitalisierung.«
Informell verlautet aus Regierungskreisen, die wichtigen Digitalisierungsprojekte seien finanziell ohnehin gut ausgestattet. Zudem werden die Milliarden aus bereits bewilligten Förderungen oft nur schleppend abgerufen. Beispiel Breitbandförderung: Von den zwischen 2015 und 2022 insgesamt dafür bewilligten 13 Milliarden an Fördermitteln wurden bislang nur 3,1 Milliarden ausbezahlt.
Domscheit-Berg hielte das ursprünglich angekündigte Digitalbudget dennoch für sinnvoll und nennt Beispiele: »Hilfreich wäre es etwa für eine ressortübergreifende Bildungsoffensive für mehr Digitalkompetenz im Bund, für Open-Source-Förderung, mehr Nachhaltigkeit in der Digitalisierung, für ein Bund-Länder-Digitalbudget zur Digitalisierung der Verwaltung.«
Für die Linke steht das Gezerre um die zusätzlichen Mittel beispielhaft für die bisherige Digitalbilanz der Bundesregierung. »Die Ampelkoalition verkündet viel und hält wenig, und das liegt vor allem an ihrer fehlenden Konsensfähigkeit, die auch die Digitalpolitik extrem bremst«, so Domscheit-Berg. Der Digitalausschuss des Bundestags warte eineinhalb Jahre nach Regierungsbeginn noch immer auf eine längst zugesagte Übersicht zu den Zuständigkeiten für digitalpolitische Themen innerhalb der Bundesregierung – offenbar sei man sich in der Ampel selbst darüber bisher »partout nicht einig«.