Papierkalender statt Apps Handwerker verweigern die Digitalisierung

Handwerker mit Laptop und Kugelschreiber: Die Digitalisierung erreicht insbesondere kleine Betriebe kaum
Foto: Eugenio Marongiu / Westend61 / IMAGOWer derzeit einen Handwerker sucht, der braucht viel Geduld. Wartezeiten von mehreren Monaten sind völlig normal. Elektriker, Trockenbauer und Schreiner sind fast überall ausgebucht. Dahinter steckt allerdings nicht nur der Fachkräftemangel. Offenbar haben viele Betriebe in Deutschland die Digitalisierung verpennt – und vergeuden Zeit mit Papierlisten und Terminen auf Wandkalendern.
Laut einer Studie des E-Commerce-Centers (ECC) Köln spielt die Digitalisierung im Handwerk derzeit fast keine Rolle. Rund jeder zweite Handwerker setzt lieber auf Kugelschreiber und Papier als auf Smartphone-Apps und Inventursoftware. Fliesenvorrat und Fahrtenbuch werden am liebsten auf Zetteln notiert.
»Die Digitalisierung steht bei vielen Betrieben noch in den Startlöchern«, sagt Joanna Czock, Mitautorin der Studie. Dabei ließe sich durch digitalisierte Prozesse viel Zeit einsparen. »Ich hatte gehofft, dass die Betriebe weiter sind«, sagt Czock. »Aber dass einige Aufgaben in kleineren Handwerkerbetrieben noch bis zu 70 Prozent auf Papier erledigt werden, das ist schon erschreckend.« Das Forscherteam hatte rund 350 Handwerkerinnen und Handwerker zu ihren Betrieben befragt.

Studienergebnisse: Je kleiner die Betriebe sind, umso mehr setzen sie auf Papier
Foto: ECC KÖLNDer vertrödelte Anschluss an die Digitalisierung verschärft die ohnehin angespannte Lage auf dem Handwerkermarkt noch weiter. Das bekommen vor allem Häuslebauer zu spüren, die mit höheren Preisen, längeren Wartezeiten oder abgelehnten Aufträgen rechnen müssen.
So schnell wird sich daran wohl auch nichts ändern: In der Umfrage landet die Digitalisierung auf dem letzten Platz der größten Herausforderungen. Als wesentlich wichtiger schätzen Handwerksbetriebe die steigenden Materialkosten, hohe Benzin- und Gaspreise sowie den Fachkräftemangel ein. Zwei Drittel der Befragten aus Betrieben mit weniger als fünf Angestellten geben an, dass man keine neuen Technologien im Arbeitsalltag benötige, denn »alles klappt auch so, wie es bisher ist«.
WhatsApp statt Bürosoftware
Immerhin verwenden fast alle Handwerker ein Smartphone oder einen Laptop bei der Arbeit. Laut dem Marktforschungsunternehmen IFH Köln nutzten drei Viertel die Geräte mehrmals täglich. Doch der Bildschirm zeigt nur selten den Lagerbestand an. Stattdessen chatten Handwerkerinnen und Handwerker per WhatsApp mit Kollegen, googeln nach Handbüchern und schauen sich Tutorials auf YouTube an.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) reagiert jedoch verwundert auf die Studie. »Unsere Untersuchungen spiegeln diese Ergebnisse nicht wider«, sagt ZDH-Digitalexperte Stephan Blank im Gespräch mit dem SPIEGEL. »Diese zeigen vielmehr, dass 83 Prozent der Betriebe gegenüber Digitalisierung sehr aufgeschlossen sind.« Schließlich könnten Aufgaben ausgelagert und Fachkräfte entlastet werden. »Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben dann viel mehr Zeit, um sich um andere Dinge zu kümmern.« Das sei bereits sinnvoll in Betrieben mit zwei oder mehr Mitarbeitern.
Eigene Untersuchungen zeigen laut Blank, dass viele Betriebe die Digitalisierung nicht als Risiko, sondern als Chance und einen regelrechten »Booster für Bereiche wie die Kommunikation« sehen. Als Beispiele nennt Blank etwa KI-Chatbots, die Kunden antworten, und Elektroinstallateure mit VR-Brillen, die 3D-Videos von Schaltschränken empfangen. Auch Drohnen, die Baustellen vermessen, und Social-Media-Auftritte für Werbung und Stellenanzeigen zählen dazu.
Solche Vorzeigebeispiele gehören allerdings nicht zur Norm. Der Verbandssprecher gibt zu bedenken, dass solche Umrüstungen für kleinere Betriebe eine große Herausforderung sein können. Denn dort gebe es meist keinen Technikchef. »Da kümmert sich der Geschäftsführer um alles«, sagt Blank. Oft fehle Zeit und Geld, wenn die Software überdimensioniert sei. Dazu komme noch die Aufgabe, sich um die Cybersicherheit zu kümmern.
Bei größeren Firmen ist die Digitalisierung laut ECC-Studie deutlich weiter fortgeschritten. Doch die Branche besteht vor allem aus kleineren Betrieben . Dort kommt es selten vor, dass Urlaubsplanung per App erledigt, Werkzeuge per QR-Code eingescannt und Baustellen vorher am Rechner durchgeplant werden. Etwa die Hälfte der Befragten gibt allerdings an, dass vorgesehen ist, in den kommenden zwei Jahren einige Arbeitsabläufe zu digitalisieren. Ganz oben auf der Wunschliste stehen Buchhaltung, Einkauf und Projektplanung.