
Konrad Zuse: Der Tüftler, der nicht selbst Rechnen wollte
100 Jahre Zuse Der Computer, eine deutsche Erfindung
Berlin - Manchmal lachen Informatikstudenten in den USA darüber. Der Computer eine Erfindung aus Deutschland? Unvorstellbar. Aber wahr. Zum 100. Geburtstag des Berliner Computerpioniers am 22. Juni 2010 rufen Museen die Erinnerung an den genialen Erfinder wieder wach. 1936 baute Zuse, gerade mal 26 Jahre alt, in einer Berliner Altbauwohnung einen Rechner zusammen. Der war so groß wie ein Doppelbett und bockte, wenn sich die mechanischen Schaltglieder verklemmten. Doch er hatte fast alles, was ein moderner Computer braucht. Zuse nannte seine Erfindung Z1 - Z wie Zuse.
Vielleicht wäre er ein reicher Mann wie Bill Gates geworden, wenn er ähnliche Chancen bei der Vermarktung gehabt hätte. Doch Konrad Zuse, studierter Bauingenieur mit einem Faible für Architektur und Maschinenbau, lebte in Nazi-Deutschland. Als er seinen ersten Rechner im Mai 1941 zum Z3 weiterentwickelt hatte, dem ersten funktionsfähigen Digitalrechner weltweit, herrschte schon Krieg.
Kontakte nach Großbritannien oder in die USA, wo Wissenschaftler für große Firmen an Rechnern tüftelten, hatte Zuse deshalb nicht. Der Erfinder blieb ein Einzelkämpfer, der sein Geld als Ingenieur bei den Berliner Henschel-Flugzeugwerken verdiente. Dort bestärkten ihn die monotonen Berechnungen für Flugstatik in dem Wunsch, eine Maschine für die lästige Arbeit zu konstruieren. "Ich bin zu faul zum Rechnen", begründete Zuse humorvoll seinen Erfinderdrang.
Privat gründete er in Berlin die Zuse-Apparate-Bau, die erste Computerfirma der Welt. Doch 1945 fiel eine Bombe auf den Firmensitz, der Z3 wurde zerstört, der Nachfolger Z4 war unfertig. Konrad Zuse fing in Westdeutschland neu an.
Keine Traumkarriere
Es war eine Zeit, an die sich Horst Zuse, sein ältester Sohn, Jahrgang 1945, noch gut erinnert. Als kleiner Junge durfte er aus der Computerbau-Firma seines Vaters in Hessen Abfallteile mitnehmen. "Die habe ich in meine Märklin-Eisenbahn eingebaut", sagt er heute schmunzelnd. "Wenn mein Vater gewusst hätte, wie viele elektrische Schläge ich mir geholt habe, hätte er mir das sicher nicht erlaubt."
Konrad Zuse war ein Vater wie viele Wirtschaftswunder-Väter. Er arbeitete 16 Stunden am Tag und sah seine Kinder selten. "Er lebte bescheiden und war eher zurückhaltend", erinnert sich sein Sohn. Doch in der Familie habe er den Ton angegeben.
Nach den ersten Märklin-Versuchen verwundert es nicht, dass Horst Zuse später Elektrotechnik studierte und Informatik-Professor wurde. Mit den Leistungen seines Vaters setzt er sich jedoch erst seit wenigen Jahren im Detail auseinander. Mit 64 baut er gerade den zerstörten Z3-Computer von 1941 für das Technikmuseum nach und zieht den Hut vor seinem alten Herrn. "Das ist eine geniale Architektur für eine Maschine, ganz wenige Bausteine und hoch abstrakt", lobt er.
Genutzt hat Konrad Zuse das alles wenig. Eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte blieb seiner Firma auch in Hessen versagt. Die Konkurrenz in den USA und Deutschland holte in Sachen Computern schnell auf, 1967 schluckte Siemens die verschuldete Zuse KG. Natürlich sei sein Vater damals traurig gewesen, dass er so wenig aus seinen Ideen machen konnte, erinnert sich Horst Zuse. Später rettete sich Konrad Zuse in Galgenhumor und gab als Berufsbezeichnung "verkannter Weltverbesserer" an. Erst im Alter baute er seinen zerstörten Z1 für das Berliner Technikmuseum nach und malte - vielleicht nicht zufällig auch ein Porträt von Bill Gates.
"Wenn mein Vater die heutige Aufmerksamkeit erleben könnte, bekäme er feuchte Augen", betont sein Sohn. Im Zuse-Jubiläumsjahr gibt es neben Berlin Ausstellungen in Dresden, Paderborn, Hünfeld (Hessen), Hoyerswerda und Kiel. Zuses Werk gehöre zu den Grundlagen für eine erfolgreiche deutsche Technologiewirtschaft mit 140 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr, lobte zuletzt Oliver Günther, Vizepräsident der Gesellschaft für Informatik. Denn noch im kleinsten Laptop findet sich oft eine Zuse-Grundstruktur aus binären Zahlen, Rechen-, Speicher- und Programmwerk.