Neuronale Netzwerke Computer malen wie van Gogh

Tübinger Stadtansicht à la van Gogh: Zerlegt und neu zusammengesetzt
Foto: Leon Gatys/ Ecker/ bethgelab.orgMalen wie Kandinsky, wie van Gogh, wie Munch, nur auf Basis einer Fotovorlage? Natürlich gibt es begabte Kunstfälscher, die das können. Jetzt aber gelingt es auch Computern, und zwar auf höchst eindrucksvolle Weise. Drei Forscher von der Universität Tübingen haben es geschafft, einem sogenannten künstlichen neuronalen Netzwerk das Malen beizubringen. Ihr System kann beliebige Fotos in Motive im Stil großer Meister umwandeln.
Wie das vonstatten geht, erklärten sie in einem vergangene Woche veröffentlichten Aufsatz "Ein neuraler Algorithmus für künstlerischen Stil" (PDF ). Darin beschrieben sie, wie ihr Rechenmodell aus Fotos Kunstfälschungen macht: "Das System benutzt neuronale Repräsentationen, um Inhalt und Stil beliebiger Bilder zunächst zu trennen und dann neu zu kombinieren", so die Forscher. Ein Bild wird also in seine Bestandteile zerlegt und dann neu zusammengesetzt - auf Basis einer konkreten Vorlage.
Ein neuronales Netzwerk ist eine im Computer simulierte Ansammlung von Knoten, gewissermaßen Analogien zu Nervenzellen, und Verbindungen, in Anlehnung an Nervenfasern. Durch ein solches Netzwerk werden Informationen geschickt, jede Schicht der simulierten Nervenzellen trägt dabei zur Verarbeitung bei (siehe Kasten unten). Die Gewichtungen der Verbindungen verändern sich, und so lernt das Netzwerk. Zum Beispiel eben malen.
Was die Trennung der Bildelemente und deren neuerliche Zusammenführung praktisch bedeutet, führen die Forscher anhand eines Beispielfotos vor. Naheliegenderweise stammt das Motiv aus Tübingen, die Aufnahme zeigt die Tübinger Neckarfront und wurde der Wikipedia entnommen . Nun durchlief das Foto einen Analyse- und Neuaufbauprozess. Je nach Vorlage, also dem Kunststil, den das Netzwerk imitieren sollte, fielen auch die Ergebnisse aus:
Die Erforschung der Prozesse, mit denen neuronale Netzwerke Inhalte verarbeiten, läuft schon seit Jahrzehnten. Inzwischen ist die Entwicklung weit fortgeschritten, und gerade in jüngerer Zeit sind dadurch teils ziemlich schräge Ergebnisse entstanden. Google-Forscher zum Beispiel haben ein System entwickelt, dessen Überinterpratationen von Bildern stark an menschliche Fantasie- und Traumbilder erinnern.
Von einer praktischen Anwendbarkeit sind die drei Forscher mit ihrem Projekt noch weit entfernt - oder vielleicht auch gar nicht daran interessiert. Eine Bildbearbeitungs-App wird in näherer Zeit wohl nicht als Nebenprodukt entstehen. Die Forscher waren im Zuge ihrer Untersuchungen vor allem davon fasziniert, wie lernfähig ein neuronales System sein kann, das eine der Kernaufgaben biologischen Sehens erledigen soll. Nach ihrer Erkenntnis erwirbt das System automatisch Fähigkeiten, die die Trennung von Bildinhalt und Stil erlauben.
Die menschliche Fähigkeit, in der Wahrnehmung Inhalt und Stil unterscheiden zu können, sei eng mit der Fähigkeit verbunden, Kunstwerke zu schaffen und zu genießen, so die Forscher.