

Jetzt ist die Produktreihe komplett: Mit dem Lumia 720 schließt Nokia die Lücke in der Serie seiner Windows-8-Smartphones. Vom Lumia 520 bis zum Lumia 920 sind jetzt alle Stufen vom Einsteigergerät bis zum Spitzenmodell besetzt - zumindest was Preise und technische Daten angehen. Denn wenn man es eine Weile ausprobiert hat, stellt man fest: So richtig fügt sich das Lumia 720 nicht in diese Rangfolge - es ist zu gut.
Das fängt schon beim Design an. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein minimal geschrumpfter Klon des Lumia 920. Mit 4,3 Zoll Diagonale ist sein Display nur 0,2 Zoll (rund fünf Millimeter) kleiner als das des Top-Modells. Beim Anfassen stellt man dann aber gewaltige Unterschiede fest. Mit 128 Gramm liegt das 720 angenehm leicht in der Hand, gerade im Vergleich zum 920er-Modell, dessen 180 Gramm ein schwerwiegender Kritikpunkt ist.
Darüber hinaus haben die Designer beim Lumia 720 einige Kanten abgeschliffen, die am Lumia 920 noch stören konnten. In Kombination mit dem einteiligen Kunststoffgehäuse machen diese umlaufenden Rundungen das Gerät zu einem Handschmeichler, der warm und griffig in der Hand liegt.
Besser als das Datenblatt verspricht
Für Staunen sorgt das Display. Läppische 800 x 480 Pixel zeigt der Bildschirm an und sorgt für den nächsten Unterschied zum Oberklassemodell, das eine Auflösung von 1280 x 768 Bildpunkten hat. Doch anders als erwartet fällt der sichtbare Unterschied minimal aus: Schriften werden scharf und ohne Pixelkanten dargestellt, Bilder mit kräftigen Farben wiedergegeben. Deutliche Kontraste und ein tiefes Schwarz kennzeichnen diesen Bildschirm. Die Darstellung profitiert auch davon, dass die Kacheloberfläche von Windows Phone 8 ohne filigrane Details auskommt.
Die nächste Überraschung liefert die Kamera des Mittelklasse-Smartphones. Mit einer Auflösung von 6,7 Megapixeln liegt auch sie technisch unter dem aktuellen Standard von acht bis 13 Megapixeln. Doch genau wie das Display liefert auch die Kamera bessere Qualität, als man ihr zutrauen würde. Bei gutem Licht macht sie sehr gute Aufnahmen und glänzt besonders, wenn in der Dämmerung das Licht schwächer wird und sie trotzdem erstaunlich helle Bilder liefert - sofern man sie ruhig genug halten kann. Der optische Bildstabilisator, der dem Lumia zu langen Belichtungszeiten verhilft, wurde hier eingespart.
Zu wenig Speicher
Gespart hat Nokia auch am Speicher. Magere acht Gigabyte sind eingebaut. Nutzbar sind aber nur etwas mehr als fünf, den Rest belegen Betriebssystem und vorinstallierte Apps. Für Multimedia, also Filme, Fotos und Musik bleibt da kaum Platz. Gut also, dass das 720 im Gegensatz zum 920 per MicroSD-Karte um bis zu 64 Gigabyte aufgerüstet werden kann. Den Preis einer Speicherkarte sollte man beim Kauf einkalkulieren.
Dass auch beim Arbeitspeicher (nur 512 Megabyte) und dem Prozessor (1 GHz Dualcore) gespart wurde, kann man daran erkennen, dass Menüs gelegentlich etwas zögerlich aufklappen oder es ein wenig auf dem Bildschirm ruckelt. Als wirklich störend habe ich das beim Test nicht empfunden. Aber das Lumia 720 könnte mit künftigen Betriebssystem-Updates zu kämpfen haben.
Eingeschränkte Navigation, kein LTE
Eine weitere Sparmaßnahme seitens Nokia ist, dass man beim Lumia 720 auf LTE-Datenfunk verzichten und sich mit HSPA begnügen muss. Diese Technik ist in Deutschland allerdings viel weiter verbreitet als LTE. Außerdem muss man eine deutliche Einschränkung bei Nokias Navigations-App Here Drive in Kauf nehmen. Während Here Drive+, wie es auf den Lumia-Modellen 620, 820 und 920 installiert ist, weltweit nutzbar ist, funktioniert die sprachgesteuerte Navigation bei der hier installierten Version ohne Plus im Namen nur im Land, aus dem die Sim-Karte bei Inbetriebnahme kommt.
Wer also eine deutsche Sim-Karte einsetzt, kann damit nur in Deutschland navigieren. Außerhalb der Landesgrenzen sind die Karten zwar noch nutzbar, aber nur im Zusammenhang mit Fußgängernavigation. Eine schwer verständliche Einschränkung. Immerhin verspricht Nokia, ein kostenpflichtiges Upgrade anzubieten, sobald die Navigations-App den Beta-Status verlassen hat.
Fazit
Ebenfalls verzichten muss man auf die drahtlose Ladefunktion des Lumia 920. Die gibt es nur gegen Aufpreis (40 Euro) in Form einer aufsteckbaren Schutzhülle. Dafür muss man mit dem Lumia 720 aber sowieso nicht so oft an die Steckdose. Im Test hielt der Akku bei durchschnittlicher Nutzung zwei Tage und mehr durch. Länger also als die meisten Smartphones und deutlich länger als das Lumia 920.
Wer auf einen optischen Bildstabilisator, LTE und einen hochauflösenden Bildschirm verzichten kann, bekommt mit dem Lumia 720 das bessere Windows-Smartphone: Es ist leichter, hält länger durch und erledigt fast alle Aufgaben genau so gut wie sei großer Bruder Nokia 920 - kostet dabei aber gut 150 Euro weniger (Straßenpreis Mitte Mai 350 Euro).
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Nokia Lumia 720: Nach dem Top-Modell Lumia 920 und dessen Billig-Ablegern Lumia 520 und Lumia 620 ein regelrechter Lowcost-Klon des Nokia-Top-Geräts.
Aus einem Guss: Lumia 920 (links) und Lumia 720 können ihre Verwandtschaft nicht leugnen. Beide sitzen in einem einteiligen Kunststoffgehäuse, das beim 720 aufgrund des geringfügig kleineren Displays ein wenig handlicher ist.
Rückenansicht: Beiden Lumias sind fest verschlossen, bieten keinen Zugang zum Akku, der also nicht einfach auswechselbar ist.
Feine Unterschiede: Gegenüber dem Top-Modell ist das Lumia 720 1,7 Millimeter dünner gebaut. Der Bildschirm geht bei dem billigeren Modell sogar besser ins Gehäuse über als beim Lumia 920.
Passiver Rücken: Anders als beim Lumia 920 ist in die Rückseite des Handys keine Technik zum drahtlosen Aufladen des Akkus integriert. Wer so etwas haben möchte, kann für 40 Euro ein entsprechendes Ladecover hinzukaufen, das auf das Handy aufgesteckt wird - und es dadurch etwas klobiger macht.
Makellos: Die Fertigungsqualität des Lumia 720 ist sehr gut. Wer bei Autos auf Spaltmaße achtet, wird an diesem Handy seinen Freude haben.
Feinarbeit: Unten am Gehäuserücken sind drei Kontaktpunkte angebracht. Sie dienen dazu, das Cover für die drahtlose Ladefunktion anzuschließen.
Akustik: Links unten sieht man Löcher für den Freisprech-Lautsprecher. Wie beim Lumia 920 dürften sie gebohrt und nicht gestanzt sein.
Für Video-Chats: Links neben dem Telefonlautsprecher ist über dem Bildschirm eine Kamera für Selbstporträts und Videotelefonate angebracht. Die Bildqualität ist in Ordnung, aber nicht beeindruckend.
Objektiv: Das optische System lässt sich Nokia auch hier von Carl Zeiss zuliefern. Auf die PureView-Technik des Lumia 920 muss man verzichten, die Auflösung der Kamera beträgt 6,7 Megapixel, der Blendenwert 1.9.
Fotovergleich: Diese Quietschente haben wir unter identischen Lichtbedingungen nacheinander mit dem Lumia 920 (links) und dem Lumia 720 aufgenommen.
Fotovergleich Samsung Galaxy S4: Diese Aufnahme haben wir mit dem Samsung Galaxy S4 gemacht und nahezu zeitgleich dasselbe Motiv mit dem Lumia 720 fotografiert.
Fotovergleich Nokia Lumia 720: Hier dieselbe Aufnahme mit dem Nokia-Smartphone. Der Bildausschnitt ist etwas größer, die Farben sind kräftiger. In dunklen Bereichen sind kaum noch Kontraste sichtbar.
Display: Der Bildschirm liefert mit 800 x 480 Bildpunkten eine deutlich niedrigere Auflösung als das Lumia 920 (1280 x 768). Kräftige Kontraste und starke Farben machen das aber weitgehend wett.
Unverzichtbares Werkzeug: Um eine Sim- oder Speicherkarte in das Lumia 720 einzusetzen, ist feines Werkzeug nötig.
Speicher-Steckplatz: MicroSD-Speicherkarten mit bis zu 64 Gigabyte Kapazität werden seitlich in das Lumia 720 eingeschoben und sind dringend nötig. Ab Werk sind nur acht Gigabyte eingebaut, von denen nur rund fünf für den Anwender nutzbar sind.
Sim-Steckplatz: Die Sim-Karte des Mobilfunkanbieters muss ebenfalls mit Hilfe einer Schublade in das Gerät geschoben werden.
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