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Gizmodos iPhone 4G: Prototyp oder Fake?

Apple-Prototyp Hausdurchsuchung beim iPhone-Blogger

Der Fall des verlorenen iPhone 4G wird immer abenteuerlicher. Die Polizei hat das Haus des "Gizmodo"-Redakteurs durchsucht, der über den Apple-Prototypen berichtet hatte, diverse Gadgets und Computer wurden beschlagnahmt. US-Blogger toben: Für Blogger müsse Quellenschutz gelten.

Gegen 21.45 Uhr kam Technik-Blogger Jason Chen mit seiner Frau von einem Abendessen nach Hause. Ihm sei aufgefallen, dass die Garagentür halboffen gestanden habe, berichtet er auf der Web-Seite seines Arbeitgebers "Gizmodo" . Als er versuchte, die Tür ganz zu öffnen, ging plötzlich alles sehr schnell: Polizeibeamte stoppten ihn, erklärten, sie hätten einen Durchsuchungsbefehl gegen ihn. Schließlich musste er seine Hände hinter dem Kopf verschränken, wurde von den Beamten auf Waffen und scharfe Gegenstände abgesucht.

Der Grund für die verstörenden Maßnahmen: Chen hatte über ein Mobiltelefon berichtet, das angeblich ein Prototyp des nächsten iPhone sein soll. Ein Apple-Ingenieur hatte das Gerät demnach in einem deutschen Brauhaus im kalifornischen Redwood City verloren. Der Finder aber gab es nicht zurück, sondern verkaufte es für 5000 Dollar an das Techblog "Gizmodo". Die Profi-Blogger wiederum zerlegten und fotografierten das iPhone nach Kräften, landeten ihren Coup des Jahres - und gaben das Gerät schließlich zurück, als Apples Rechtsanwälte danach verlangten.

Doch jetzt hat die Geschichte ein Nachspiel, mit dem die Blogger wohl nicht unbedingt gerechnet haben. Eine Spezialeinheit für Computerkriminalität der örtlichen Polizeibehörden ermittelt seit einigen Tagen, ob in dem Fall ein Straftatbestand vorliegt. Geprüft werden soll dabei beispielsweise, ob sich der bislang anonyme Finder des Prototypen oder die "Gizmodo"-Mitarbeiter der Hehlerei strafbar gemacht haben. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde nun auch Chens Haus durchsucht.

Kostenerstattung für die eingeschlagene Tür

Dabei sind die Beamten offenbar sehr sorgfältig vorgegangen, waren nach eigenen Angaben schon einige Stunden im Haus des Bloggers zugange, als der schließlich selbst die Szene betrat. Dabei katalogisierten sie gründlich, welche potentiellen Beweismittel sie sicherstellten. Darunter: mehrere Laptops und Desktop-PC, einen iPod, ein iPad, Handys und Festplatten. Sogar ein Paket Visitenkarten hielten die Mitarbeiter des R.E.A.C.T., des Rapid Enforcement Allied Computer Team, für wichtig genug, um es sicherzustellen. Zum Abschied überreichten sie Chen eine List der 22 beschlagnahmten Gegenstände und rieten ihm, einen Antrag auf Kostenerstattung zu stellen: Um während seiner Abwesenheit in sein Haus zu kommen, hatten sie kurzerhand die Tür eingeschlagen.

Kaum hatte "Gizmodo" einen Bericht über die Polizeiaktion veröffentlicht, fing es an in der Blogosphäre zu rumoren. "Gizmodo"-Konkurrenten wie der " Technologizer " Harry McCracken gaben sich verwirrt, dass eine solche Aktion gegen einen Profi-Blogger wie Chen überhaupt durchgeführt werden konnte. McCracken weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass er kein Rechtsexperte ist, vertritt aber die Meinung, dass Blogger wie Chen denselben Quellenschutz genießen müssten wie traditionelle Journalisten.

Die Electronic Frontier Foundation (EFF), vertrat gegenüber " Business Insider " die klare Meinung, dass die Durchsuchungsaktion illegal war und nie hätte angeordnet werden dürfen. US-Gesetze würden Journalisten und Reporter gegen derartige Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen schützen, erklärte EFF-Rechtsexpertin Jennifer Granick. Der "Business Insider" hat sogar nachgeforscht, wer die Durchsuchung durchgeführt hat, und präsentiert genüsslich das Linkedin-Profil des verantwortlichen Spezialisten für Computer-Forensik , einem studierten Soziologen und Mitglied der National Police Bloodhound Association.

Quellenschutz für Blogger

Auf Protest der "Gizmodo"-Anwältin hat nun aber der zuständige Bezirksstaatsanwalt die Ermittlungen und sämtliche Untersuchungen der bei Chen beschlagnahmten Gegenstände gestoppt. Möglicherweise, so Stephen Wagstaffe von Büro des Bezirksstaatsanwalts gegenüber "Techcrunch" , sei Chen doch durch den für Journalisten geltenden Quellenschutz geschützt. Im Vorfeld der Durchsuchungsaktion sei man da anderer Ansicht gewesen und erst durch die Argumente der Anwältin umgestimmt worden. Der Bezirksstaatsanwalt müsse nun entscheiden, ob die "Gizmodo"-Argumente stichhaltig sind und Blogger tatsächlich denselben staatlichen Schutz genießen wie Journalisten der alten Schule.

"Techcrunch"-Chef Michael Arrington  jedenfalls betrachtet auch die Durchsuchung von Chens Privathaus noch als eine PR-wirksame Aktion, die Gizmodo weitere Aufmerksamkeit garantiert. Gleichzeitig aber weist er darauf hin, dass sein Konkurrenz-Blog nach seiner Ansicht einen radikalen Fehler gemacht hat, als es 5000 Dollar für den iPhone-Prototypen zahlte. So etwas sei im Medienbetrieb einfach nicht üblich, und er selbst würde das auch nicht tun. "Gizmodo"-Chef Nick Denton sieht das freilich anders. "Alles für die Geschichte", twitterte er und gestand ganz offen ein, auch zu bezahlen, wenn es gelte, eine exklusive News zu bekommen. Üblich ist das nicht.

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