Neue Funktionen kommen im Herbst Apple wird iPhones nach Fotos von Missbrauch durchsuchen

Verdächtige Fotos werden vor dem iCloud-Upload gescannt, Kinder, die Nacktfotos über iMessage empfangen oder versenden, werden automatisch gewarnt. Kritiker fürchten, Apple öffne »die Büchse der Pandora«.
iPhones im Apple-Store: »Wenn diese Art von Inhalten empfangen wird, wird das Foto unscharf«

iPhones im Apple-Store: »Wenn diese Art von Inhalten empfangen wird, wird das Foto unscharf«

Foto: LOREN ELLIOTT / REUTERS

Apple hat sich für einen gewagten Schritt entschieden, um die Verbreitung von Bildern zu bekämpfen, auf denen der sexuelle Missbrauch von Kindern zu sehen ist. Das Unternehmen kündigte an , mit den für den Herbst geplanten Betriebssystemversionen iOS 15, iPadOS, watchOS 8 sowie macOS Monterey entsprechende neue Funktionen einzuführen. Das gelte zunächst aber nur für US-Kundschaft.

Zum einen wird es künftig die Möglichkeit geben, dass Eltern eine Warnmeldung erhalten, wenn ihr Kind über iMessage Nacktfotos erhält oder verschickt. Die Nacktheit in den Bildern wird dabei von Software auf dem Gerät erkannt. Apple selbst erfährt nichts davon. »Wenn diese Art von Inhalten empfangen wird, wird das Foto unscharf und das Kind wird gewarnt«, erklärte das Unternehmen.

Zum anderen will Apple die Fotos auf iPhones, iPads und Macs mit einer Liste von bereits bekanntem Missbrauchsmaterial abgleichen, bevor sie in den Online-Speicherdienst iCloud hochgeladen werden. Dazu soll auf die Geräte eine Datei mit sogenannten »Hashes« von bereits bekannten Inhalten geladen werden – eine Art digitaler Fingerabdruck des Bildes. Darüber lässt sich bei einem Vergleich mit speziellen Verfahren eine Kopie des Fotos erkennen, das Original kann aus dem Hash aber nicht wiederhergestellt werden.

Alarm, wenn eine öffentlich nicht bekannte Zahl von Treffern erreicht ist

Bei einer Übereinstimmung werden verdächtige Bilder mit einem Zertifikat versehen, dank dem Apple sie nach dem Hochladen zur iCloud ausnahmsweise öffnen und einer Prüfung unterziehen kann. Das System schlägt aber erst Alarm, wenn es eine bestimmte Anzahl von Treffern gibt. Wie viele es dafür sein müssen, hat Apple noch nicht erklärt. Wird bei der Überprüfung tatsächlich Missbrauchsmaterial entdeckt, meldet Apple dies der amerikanischen Nichtregierungsorganisation NCMEC (National Center for Missing & Exploited Children), die wiederum Behörden einschalten kann.

Während die Funktion nur für Apple-Kunden mit US-Accounts aktiviert wird, ist die Datei mit den Hashes fester Teil des Betriebssystems. Sie soll damit auf alle iPhones geladen werden, auf denen diese Systemversion installiert wird. Aktualisiert werden soll die Liste auf den Geräten entsprechend mit dem Erscheinen neuer Versionen der Betriebssysteme. Vor einer internationalen Einführung der Funktion müssen erst noch rechtliche Voraussetzungen geklärt werden.

Nutzerinnen und Nutzer, bei denen durch den Abgleich bekanntes kinderpornografisches Material gefunden wird, werden darüber nicht unterrichtet. Allerdings wird ihr Konto gesperrt.

Diese Art von Abgleich nutzen auch andere Techfirmen

Den Abgleich über Hashes nutzen zum Beispiel auch Onlineplattformen, um solche Inhalte bereits beim Hochladen zu entdecken und ihre Veröffentlichung zu verhindern. Zu den bekannten Unternehmen, die auf vergleichbare Verfahren setzen, gehören Microsoft, Facebook und Google. Sie funktionieren nach Branchenangaben praktisch fehlerfrei für Fotos, greifen aber noch nicht bei Videos.

Kritiker der auch bei Apple gängigen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von privater Kommunikation in Chatdiensten und auf Smartphones führen oft den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch als Argument auf, um Hintertüren für Behörden zu fordern. Apples angekündigtes System ist ein Versuch, das Problem auf andere Weise zu lösen. Das Unternehmen wehrte sich wiederholt gegen Forderungen von US-Sicherheitsbehörden, die Verschlüsselung seiner Geräte bei Ermittlungen auszuhebeln.

Auch andere Inhalte ließen sich so erkennen

Matthew Green, Kryptografie-Experte an der US-Universität Johns Hopkins, kritisierte die Entscheidung  dennoch. Er sieht speziell die Gefahr, dass autoritäre Regierungen Vorschriften zur Suche nach anderen Inhalten erlassen könnten.

Greg Nojeim vom Zentrum für Demokratie und Technologie in Washington sagte, dass »Apple sein branchenübliches verschlüsseltes Ende-zu-Ende-Nachrichtensystem durch eine Infrastruktur für Überwachung und Zensur« ersetze. Dies mache die Nutzer »anfällig für Missbrauch und Ausspähung nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt«.

Der Informatiker Henning Tillmann schrieb auf Twitter : »Die Büchse der Pandora wird geöffnet. Genauer: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung könnte prinzipiell ausgehebelt werden, indem generell Checks auf Geräteebene durchgeführt werden.«

Apple entgegnet Kritikern, dass es keinen direkten Zugriff auf die Bilder habe und Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit ergriffen habe.

pbe/dpa/AFP
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