Apples iCloud Alles auf Automatik

Ein neues Mac-Betriebssystem, das dem Nutzer Verantwortung abnimmt, neue iPhone-Software, die vieles automatisch macht, und ein kostenloser Online-Speicher: Auf der Entwicklerkonferenz WWDC glänzt Apple mit vielen Software-Innovationen - und enttäuscht am Ende doch.
Apples iCloud: Alles auf Automatik

Apples iCloud: Alles auf Automatik

Foto: Paul Sakuma/ AP

Die magischen Worte kamen, aber sie kamen spät: Erst knapp zwei Stunden nachdem er die Eröffnungsrede der alljährlichen Apple-Entwicklerkonferenz WWDC gesprochen hatte, sagte Steve Jobs jene Worte, auf die seine gut 4000 Zuschauer gewartet hatten: "There's one more thing", da gibt es noch etwas. Doch es war weder ein neues iPhone-Modell, auf das viele gehofft hatten, noch ein Touchscreen-iMac. Nicht einmal eine neue Netzwerkfestplatte hatte der Apple-Chef im Gepäck, nur Software.

Die allerdings hat es in sich. Das Thema, das sich durch die gesamte Vorstellung zog, waren Automatikfunktionen. Apple will dem Anwender das Leben leichter machen, indem ihm lästige, wiederkehrende Aufgaben abgenommen werden. Jobs selbst übte überraschende Selbstkritik, als er sagte: "Dass wir uns darum kümmern müssen, dass die Daten aller Geräte stets miteinander synchron sind, macht uns wahnsinnig."

Gemeint war damit der in zehn Jahren antrainierte Umgang mit Geräten wie den iPods, die man wegen jeder Datei, die man ändern möchte, mit einem PC oder Mac verbinden und mit iTunes synchronisieren muss. Und die Tatsache, dass man um ein neues iPhone oder iPad überhaupt benutzen zu können, das Gerät zuerst mit einem Computer verbinden muss, um es online zu aktivieren.

Kappt die Kabel!

Damit soll jetzt Schluss sein. Die Kombination aus dem neuen iOS 5, das am Montag in San Francisco vorgestellt wurde, und dem Cloud-Computing-Dienst iCloud soll viele alte Zöpfe abschneiden. So wird es endlich möglich sein, neue i-Geräte ohne Rechner in Betrieb zu nehmen. Statt des Symbols, das zum Anschließen an einen Computer auffordert, wird man beim ersten Einschalten künftig von einem freundlichen "Willkommen" begrüßt, anschließend kann man das Gerät per W-Lan oder Mobilfunknetz aktivieren.

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Neuvorstellungen auf der WWDC: Apple zieht in die Wolken

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Daten, die man zuvor mit anderen Geräten zusammengetragen hat, werden im zweiten Schritt von Apples iCloud drahtlos auf das Gerät gespielt. iCloud ist der Nachfolger von Apples wenig erfolgreichem Online-Dienst MobileMe, der nun abgeschaltet werden soll. Jobs selbst sagt dazu: "Das war nicht gerade unsere beste App." Für iCloud hat Apple ein mit großem Aufwand betriebenes riesiges Rechenzentrum auf die grünen Wiesen von North Carolina gesetzt, will den Dienst aber kostenlos anbieten und auch alle Funktionen des bisherigen MobileMe integrieren. Für MobileMe war noch eine Jahresgebühr von 79 Euro fällig.

Jahrelange Vorarbeit

Für Steve Jobs ist iCloud ein Projekt, das er seit fast eineinhalb Jahrzehnten verfolgt, das aber längst noch nicht abgeschlossen sein dürfte. Auf der WWDC 1997 schwärmte er davon, wie toll es sei, dass er sich überall, egal ob bei Apple, Pixar oder Disney, mit seinem Nutzernamen einloggen könne und denselben Datenbestand vorfinde, weil die Daten nicht auf der Festplatte, sondern auf einem Server gelagert sind.

Ganz ähnlich sollen durch iCloud Apple-Anwender künftig mit ihren Daten umgehen können. Macs beispielsweise werden mit der nächsten Betriebssystemversion, Mac OS X 10.7 Lion, in allen Programmen eine Funktion zum automatischen Speichern von Daten und zum Protokollieren von Änderungen haben. Die wird durch iCloud derart erweitert, dass diese Daten ebenso automatisch in der Datenwolke gesichert werden. Auf iPhones und iPads werden etwa Fotos sofort nach der Aufnahme auf iCloud gesichert.

Updates per Datenfunk

Sind die Daten einmal in der Wolke angekommen, werden sie von dort aus an alle mit dem jeweiligen Apple-Account verbundenen Gerät weiterverteilt, automatisch. Datenabgleich und Synchronisation dürften auf diese Weise bald Begriffe sein, mit denen Apple-User nichts mehr zu tun haben. Denn derselbe Mechanismus greift auch bei Musik, Texten, Tabellen und Präsentationen. So ziemlich alles, was man auf einem iPhone speichern kann, kann man auch iCloud anvertrauen.

Bei der Vorstellung des Dienstes war beeindruckend, dass der automatische Abgleich oft nur wenige Sekunden benötigte. Es bleibt abzuwarten, ob das ebenso reibungslos klappt, wenn mehr als ein paar Betatester das Rechenzentrum belasten.

Ein weiterer Vorteil, den Apples Abkehr von der kabelgebundenen Synchronisation bietet: Software-Updates können künftig direkt auf die i-Geräte geladen werden, ohne Umweg über Mac und PC. Und sie werden erheblich kleiner ausfallen, weil nicht mehr das ganze System mit seinen mehreren hundert Megabyte, sondern nur noch kleine Änderungsdateien, sogenannte Delta-Updates, übertragen werden. Positiv für den Alltag: iPhones, iPads und iPods können sich mit iOS 5 drahtlos mit iCloud und dem Rechner ihres Besitzers verbinden und Daten austauschen. Automatisch natürlich, beispielsweise nachts, wenn sie ungenutzt am Ladegerät hängen.

20.000 Songs für 25 Dollar

Worauf aber alle gewartet hatten, das war die Integration von Musik in iCloud. Und tatsächlich, die gibt es. Mit "iTunes in the Cloud" kann man auf jedem seiner i-Geräte alle Songs, die man im iTunes Store gekauft hat, herunterladen. Neue Einkäufe können überdies automatisch auf alle Geräte, die mit dem jeweiligen Account verbunden sind, geladen werden. Zusätzlich kann man per "iTunes Match" auch Songs in iCloud speichern, die man von eigenen CDs gerippt hat - ohne sie hochladen zu müssen. Die Software erkennt, um welche Songs es sich handelt und ordnet einfach die entsprechenden Titel aus Apples Angebot zu. Damit ist Apple Google und Amazon einen Schritt voraus, denn dort muss man seine Musikdateien stets vollständig hochladen.

Für diesen Service wird eine Jahresgebühr von 24,99 Dollar fällig, die allerdings weit unter dem liegt, was Amazon für sein äquivalentes Angebot fordert. Dort zahlt man für bis zu 5000 Songs 50 Dollar, für 20.000 Songs 200 Dollar. Doch so gut sich das anhören mag: Vorerst ist "iTunes Match" auf die USA beschränkt. Wie lange es dauern wird, bis entsprechende Verträge mit den Plattenfirmen in Europa ausgehandelt sind, ist unklar.

Klar ist dagegen: Mit seinem neuen Mac OS X und iOS 5 nimmt Apple seinen Kunden viel Arbeit und Ärger ab. Etliche lästige Routineaufgaben werden der Vergangenheit angehören - wenn die Software veröffentlicht wird. Denn iOS 5 wird erst im Herbst kommen, Mac OS X 10.7 im Juli. Nur iTunes in the Cloud steht, zumindest als Vorabversion, schon jetzt bereit.

Die unausgesprochene Ankündigung

Viel Konkretes hatten Apple und Steve Jobs in San Francisco also nicht zu bieten. An einigen Stellen übertrieben es die Manager auch deutlich. Etwa, als es als große Innovation gelobt wurde, dass Programme in Lion im Vollbildmodus laufen können. So schön das sein mag, neu ist es nicht. Der Webbrowser Firefox etwa bietet eine solche Darstellungsoption längst. Ebenso ist die Möglichkeit, i-Geräte ohne Rechneranschluss in Betrieb zu nehmen und mit neuen Softwareversionen zu versorgen, keine Apple-Erfindung. Android-User beispielsweise kennen es gar nicht anders.

Unterm Strich aber zeigen die Software-Updates, dass der Konzern sich auf das besinnt, was er immer am besten konnte: es dem Anwender leicht zu machen. Das scheint mit Mac OS X 10.7, iOS 5 und iCloud wieder weit oben auf der Prioritätenliste zu stehen.

Gleichzeitig dürften mit Apples neuen Cloud-Diensten aber neue Datenschutzbedenken aufkommen. Welche Auswirkungen hat es, wenn ein Betriebssystem per Online-Shop-Download erworben und somit an den Account und die Daten des jeweiligen Nutzers gebunden werden könnte? Welche Auswirkungen kann es haben, wenn iTunes Match eine Musiksammlung durchsucht, die womöglich nicht nur aus legalen Quellen zusammengestellt wurde? Apple wird sich in den kommenden Monaten mit solchen Fragen auseinandersetzen müssen, Fragen, die man bisher eher an Google herantrug.

Eine Frage aber muss man nicht mehr stellen: Wann kommt das neue iPhone? Das nämlich, daran wird wohl kaum jemand zweifeln, wird nun erst im Herbst kommen, zusammen mit dem neuen iOS und dem bis dahin längst eingeführten Mac OS X 10.7.

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