Diskussion über bewaffnete Drohnen Taser-Hersteller pausiert umstrittenen Plan gegen Schulamokläufer

Es gab massive Kritik an seiner Idee: Nach dem Massaker in Uvalde hatte der Chef der Firma Axon dafür geworben, im Fall solcher Amokläufe Drohnen mit Elektroschocktechnik einzusetzen. Nun rudert Rick Smith zurück.
Taser 7 der Firma Axon bei einem Training: Produkte für den Kampf gegen Schulamokläufer?

Taser 7 der Firma Axon bei einem Training: Produkte für den Kampf gegen Schulamokläufer?

Foto: Jacquelyn Martin / AP

Rick Smith, der Chef des Taser- und Technik-Herstellers Axon Enterprise, sieht sich gern als Vordenker. Sein Unternehmen stelle sich ständig »der Herausforderung, anders zu denken und über den Tellerrand hinauszuschauen«, betont er auch in seiner neuesten öffentlichen Erklärung  vom Sonntag, »denn zu viele Familien und Gemeinschaften haben unsägliche Tragödien erlebt.«

Diesmal jedoch, so scheint es, ist Smiths Blick so schnell und weit nach vorn gegangen, dass sogar der Ethikrat seiner eigenen Firma öffentlichen Protest als das letzte Mittel sah, seinen Übereifer zu stoppen.

Smiths Name kursiert seit Tagen durch zahlreiche US-Medien, weil er eine Idee in den Raum gestellt hatte, die manchen originell und hilfreich, anderen aber irre und gefährlich erscheint. Im Nachgang des Schulmassakers in Uvalde, Texas, hatte Smith angeregt, mit Elektroschocktechnik seiner Firma ausgestattete Drohnen zur Bekämpfung von Schulamokläufern einzusetzen. Solche ferngesteuerten Drohnen könnten Täter mithilfe von Taserpfeilen aus einer Entfernung von bis zu zwölf Metern unschädlich machen, hieß es. Die Kosten schätzte Smith auf rund 1000 Dollar pro Jahr pro Drohnensystem.

Smith hielt den Zeitpunkt für genau richtig

Aus solchen Äußerungen entspann sich eine Debatte, die von moralischen Fragen schnell zu ganz praktischen führte, wie der, ob sich solche Taserdrohnen überhaupt vernünftig durch Schulflure navigieren lassen. Im Zuge einer Befragung auf dem Portal Reddit schrieb Smith : »Ich weiß: Drohnen in Schulen können verrückt klingen. Aber es kann nicht verrückter sein als eine weitere Massenerschießung in einer Schule.«

»Ich hatte das Gefühl, wenn ich noch sechs Monate warte, wird sich die Welt verändern und die Menschen werden diesen Schmerz vergessen«, erklärte Smith den Zeitpunkt seiner Ankündigung. Nach diesem Stimmungswandel könnten sich Menschen »viel mehr darauf konzentrieren, was schiefgehen könnte, als auf den Schmerz dieses Problems, das wir lösen müssen.«

Lautstarke Kritik an Smiths Idee kam bald aber sogar aus dem Umfeld seiner Firma. Verschiedene Mitglieder des sogenannten Ethikrats, eines externen Beratungsgremiums von Axon, meldeten sich über Medien zu Wort.

Die Ethikberater sind skeptisch

Dass Smith die Idee verfolgt, Drohnen mit Tasern gegen Amokläufer einzusetzen, wussten die Ethikexperten schon länger. Intern wurde bei Axon angeblich bereits getestet, ob eine fliegende Drohne Taserpfeile abfeuern könnte. Bei Smith jetzigem Vorstoß aber, solche bewaffneten Drohnen ausgerechnet für Schule in Aussicht zu stellen, fühlten sich die Mitglieder des Ethikrats übergangen, zumal sie offenbar massive Zweifel an der Idee haben.

»Drohnen können nicht durch geschlossene Türen fliegen«, sagte etwa der Rechtsexperte Barry Friedmann. »Die physikalischen Eigenschaften des Universums gelten nach wie vor. Wenn man also nicht in jedem einzelnen Klassenzimmer in Amerika eine Drohne hat – was verrückt erscheint –, wird die Idee einfach nicht funktionieren.« Man habe das Unternehmen angefleht, die neueste Ankündigung nicht zu machen, so Friedmann.

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge planten zwischenzeitlich neun von zwölf Mitgliedern des Ethikrats angesichts des plötzlichen Vorpreschens von Smith zurückzutreten.

»Eine Idee, kein Produkt«

In seiner Erklärung vom Sonntag rudert der Axon-Chef nun jedoch öffentlich zurück. »Ich räume ein, dass unsere Leidenschaft, neue Lösungen zur Verhinderung von Massenerschießungen zu finden, uns dazu veranlasst hat, schnell zu handeln«, schreibt Smith darin. Angesichts des erhaltenen Feedbacks habe man jetzt aber entschieden, das Projekt zu pausieren.

»Ich möchte mich klar ausdrücken«, schreibt Smith: »Ich habe ein potenzielles Lieferdatum in einigen Jahren angekündigt, um zu zeigen, was möglich sein könnte; es handelt sich nicht um einen tatsächlichen Zeitplan für den Start, zumal wir dieses Programm pausieren. Eine ferngesteuerte, nicht-tödliche Taser-fähige Drohne in Schulen ist eine Idee, kein Produkt, und es ist noch ein weiter Weg bis dahin.«

Und bevor man diese Idee weiterführe, so Smith, müsse man nun herausfinden, »ob diese Technologie überhaupt realisierbar ist und ob die Bedenken der Öffentlichkeit angemessen berücksichtigt werden können«.

mbö/AP/Reuters

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