BenchmarkBooster Samsung manipuliert Smartphones für Leistungstests

Tech-Blogger haben den Verdacht bestätigt: Handy-Hersteller Samsung hat beim Galaxy S4 ein wenig nachgeholfen, damit es in Benchmark-Programmen gute Resultate erzielt. Im Alltag, so der Vorwurf, kann man die so erreichte Leistung nie ausnutzen.
Testprogramm auf Samsung-Handy: Volle Leistung nur für Benchmark-Software

Testprogramm auf Samsung-Handy: Volle Leistung nur für Benchmark-Software

Foto: SPIEGEL ONLINE

Ein Beitrag im Forum der Technik-Website "Beyond 3D" gab den Ausschlag. Ende Juni beschuldigte Forumsmitglied Nebuchadnezzar  Samsung, bei Benchmark-Programmen zu schummeln. Nur wenn ein solches Testprogramm auf den Galaxy S4 liefe, würde dessen Grafikprozessor auf volle Leistung hochgeschaltet, alle anderen Apps müssten sich mit weniger begnügen.

Das wollten die Experten von AnandTech  nicht so im Raum stehen lassen und überprüften, ob der Vorwurf stimmt. Sie besorgten sich zwei Exemplare des Galaxy S4, die mit dem Achtkern-Prozessor Exynos 5 Octa ausgestattet sind und machten sich daran, das Verhalten der Handys bei Benchmark-Tests zu untersuchen.

Das Ergebnis ihrer Nachforschungen: Tatsächlich läuft der Grafikprozessor im S4 nur bei Benchmarks mit seiner maximalen Taktfrequenz von 533 MHz. In allen anderen Apps, auch anspruchsvollen Spielen, meldet das System dagegen eine Taktfrequenz von nur 480 MHz.

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Damit nicht genug entdeckten die Experten, dass auch der Hauptprozessor manipuliert wird. Beim Aufruf bestimmter Benchmark-Programme wurde er dauerhaft auf seine Maximalfrequenz von 1,2 GHz umgeschaltet, wenn das Benchmark-Programm läuft oder nur das Hauptmenü der Software zeigt. In anderen Apps hingegen schaltete der Prozessor sich auf bis zu 500 MHz runter, um Strom zu sparen.

Offenbar wird das Verhalten der Prozessoren von einer App namens TwDVFSApp.apk gesteuert, in deren Programmcode die "AnandTech"-Autoren unter anderem einen Variable mit der Bezeichnung "BenchmarkBooster" fanden. Außerdem sind in der App einige Benchmark-Programme aufgeführt. Offenbar handelt es sich um eine Liste jener Apps, bei denen die Leistung hochgefahren werden soll.

Freischalten oder abschalten

Ist Samsungs Tun wirklich verwerflich? Benchmark-Programme dienen dazu, die Leistung von Computern, Tablets und Handys zu messen. Die meisten davon haben nur einen eingeschränkten Nutzen, weil sie synthetische Messungen vornehmen, mit komplizierten Algorithmen bestimmte Fähigkeiten eines Prozessors testen, aber nicht die Gesamtleistung eines Geräts bewerten können. Realistischer sind Benchmark-Programme, die reale Alltagssituationen nachstellen und beispielsweise wiederkehrende Büroarbeiten oder Szenen aus Computerspielen nachstellen. Beide Varianten jedoch können und werden seit Jahren von Hardware-Herstellern manipuliert  .

Trotzdem sind Benchmarks nützlich. Wenn man sich nicht von den reinen Zahlenwerten ablenken lässt, sind sie eine gute Möglichkeit, zumindest Leistungsunterschiede zwischen verschiedenen Geräten einschätzen zu können. Auch SPIEGEL ONLINE verwendet beim Testen von Computern, Tablets und Smartphones verschiedene solcher Programme.

Samsungs selbst begründet die unterschiedlichen Taktfrequenzen  des Grafikprozessors damit, dass man bei bestimmten Spiele-Apps eine Überlastung des Chips verhindern will und die Taktfrequenz deshalb von 533 auf 480 MHz senkt. Für andere Apps, "so wie den S Browser, die Galerie, die Kamera, der Videoplayer und einige Benchmark-Apps, die ebenfalls besonders viel Leistung benötigen", sei die volle Geschwindigkeit aber abrufbar. Zudem heißt es von Samsung, die unterschiedlichen Taktfrequenzen seien eingebaut worden, um Kunden "ein optimales Erlebnis zu ermöglichen". Sie seien nicht "dazu gedacht, bestimmte Benchmark-Ergebnisse zu verbessern".

Der erste Kommentar unter diesem Statement zeigt aber, dass sich nicht alle Kunden mit dieser Erklärung zufrieden geben. Nutzer "Muffy Puffin" fordert, der Konzern solle doch bitte einen Menüpunkt "Erweiterte Einstellungen" einführen, über den Anwender selbst die Taktfrequenzen bestimmen können. Ob das allerdings zielführend wäre, muss man bezweifeln: Die meisten Handynutzer würde eine solche Option überfordern und im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie die Chips dauerhaft zu schnell laufen lassen und so die Akkulaufzeit verkürzen.

mak
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