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Passport im Test Blackberry versucht es noch mal - mit Quadrat-Bildschirm

Statt weiter dem Touchscreen-Trend nachzulaufen, wagt Blackberry mit dem Passport Neues: Der Bildschirm ist quadratisch, die Tastatur zugleich Touchpad. Ein Konzept mit Zukunft oder doch bloß der Mut der Verzweiflung?

"It's Hip to be Square", so begründete Blackberry vor Kurzem in einem Blog-Eintrag  die ungewöhnliche Form des Passport-Smartphones. Es ist schick, quadratisch zu sein, ein Zitat aus einem Popsong der Achtzigerjahre. Denn das ist das Besondere an dem neuen Gerät: Der Bildschirm ist quadratisch. Die meisten Kollegen, denen ich das Gerät während des Tests zeigte, reagierten allerdings so, wie es Huey Lewis and the News mit ihren Song 1986 meinten, und sagten: "Das ist ja schräg." Aber ist es wirklich hip, schräg zu sein?

Mutig ist das ungewöhnliche Design auf jeden Fall. Aber Mut ist es, was Blackberry jetzt braucht. Der Marktanteil des kanadischen Smartphone-Pioniers ist in den vergangenen Jahren von 20 auf zwei Prozent gesunken. Viel zu lange hatte das Unternehmen den Touchscreen-Trend verpennt, den das iPhone ausgelöst hatte.

Das Unternehmen wurde vom Vorreiter zum glücklosen Nachläufer. Der erste Versuch, das Blackberry-System auf einen Touchscreen zu übertragen, war ein Flop. Beim Blackberry Storm gab der Bildschirm beim Tippen nach, um das Schreibgefühl einer Tastatur zu imitieren. Das Konzept war interessant, kam bei den Kunden aber nicht an. Blackberry-Stammkunden, die ein Tastaturhandy wollen, mussten sich seither mit Mittelklassemodellen begnügen. Die jeweiligen Top-Geräte waren stets mit Touchscreens bestückt.

Die Tastatur ist extrabreit

Der Passport soll das jetzt ändern. Zusätzlich zum Touchscreen hat er eine Hardware-Tastatur eingebaut, wie sie die alte Stammkundschaft lange vermisst hat. Diese Tastatur dürfte auch der Grund sein, weshalb der Bildschirm quadratisch sein muss. Die Ingenieure haben einfach ein Stück vom Display abgeschnitten, um es durch Tasten zu ersetzen.

Fotostrecke

Blackberry Passport im Test: Das Quadrat-Smartphone

Foto: SPIEGEL ONLINE

Die so gewonnene Tastatur dürfte für Blackberry-Schnelltipper eine Wonne sein. Weil das Gehäuse so breit ist - neun Zentimeter -, sind auch die Tasten vergleichsweise breit und leicht zu treffen. Allerdings bildet diese Tastatur nur Buchstaben ab. Sonderzeichen und Ziffern werden je nach Bedarf auf dem Bildschirm eingeblendet. Daran muss man sich erst gewöhnen.

Das Gerät rät

Bemerkenswert ist, dass das Tastenfeld nicht nur Tastatur, sondern zugleich Touchpad ist. Indem man mit dem Finger darüber streicht, kann man zum Beispiel im Browser scrollen oder bestimmte Textstellen buchstabengenau ansteuern. Das funktioniert hervorragend und viel schneller als per Touchscreen. Schade nur, dass das Touchpad nicht immer und überall aktiv ist, so funktioniert es in der Karten-App und dem Fotoalbum nicht.

Doch bei Blackberrys geht es ja primär darum, Nachrichten schnell zu verfassen und zu bearbeiten. Und das klappt bestens, sofern man sich nicht schon zu sehr an Bildschirmtastaturen gewöhnt hat. Ein großes Plus ist die Textvorschlag-Funktion, die auf Basis der eingegebenen Buchstaben zu erraten versucht, was man schreiben will, und jeweils drei Wortvorschläge einblendet. Diese Funktion soll selbstlernend sein und sich dem Vokabular des Nutzers anpassen. Bei mir hatte das System aber auf Anhieb eine gute Trefferquote.

Gebaut wie ein Mercedes

An das ungewöhnliche Format des Bildschirms konnte ich mich schnell gewöhnen. Ich neige bei Smartphones sowieso dazu, sie oft im Querformat zu benutzen, weil manches so einfach besser geht oder besser aussieht. Das kann ich mir beim Passport sparen, der quasi immer im Hoch- und Querformat gleichzeitig ist. Die hohe Auflösung von 1440 x 1400 Punkten sorgt dafür, dass Text sehr gut lesbar ist. Knallige Farben und Kontraste, wie man sie von Samsung oder Sony kennt, bekommt man hier aber nicht. Außerdem spiegelt das Deckglas des Displays leider recht stark.

Den Komfort der großen Tastatur und des üppigen Bildschirms erkauft man sich allerdings mit einem ungewöhnlich breiten, schweren Gehäuse. Mit seinen neun Zentimetern Breite und fast 200 Gramm Gewicht ist der Passport nicht für schlanke Hände gebaut. Das meiste davon geht zulasten des großen Akkus, der im Test auch mal zwei Tage durchhielt. Der Passport wirkt robust wie eine E-Klasse von Mercedes.

Android-Apps von Amazon

Genau wie die großen Limousinen hat er auch technisch einiges zu bieten. Quadcore-Prozessor, reichlich Speicher, schnelles W-Lan und LTE gehören ebenso zur Ausstattung wie NFC und eine 13-Megapixel-Kamera. In die USB-Buchse kann man auch einen microHDMI-Adapter einstöpseln, über den sich ein Projektor oder Fernseher an das Handy anschließen lässt.

Auch das Betriebssystem wurde überarbeitet und bietet in der Version 10.3 etliche Detailverbesserungen. Über die neue Blackberry-Blend-Software kann man den Passport an einen Computer oder Tablet koppeln, um auf dem größeren Gerät beispielsweise E-Mails zu bearbeiten. Viel wichtiger ist jedoch, dass Blackberry jetzt die App für Amazons App Store vorinstalliert. So kann man sich bequem mit Android-Apps versorgen. Eine wichtige Neuerung, denn in Blackberrys App Store, der Blackberry World, klaffen immer noch große Lücken.

Fazit

Blackberrys Passport ist kein Spielzeug, er ist ein Arbeitsgerät. Natürlich kann man mit ihm Fotos knipsen und Musik hören, aber das ist nicht seine Bestimmung. Seine Stärke sind E-Mails und Texte. Wer Blackberrys mag und gern auf einer echten statt einer virtuellen Tastatur tippt, wird ihn lieben. Fraglich ist nur, auf wie viele Menschen diese Attribute noch zutreffen.

Technische Daten

Hersteller Blackberry
Modell Passport
Maße (Millimeter) 128 x 90 x 9
Gewicht (Gramm) 196
Sprechzeit Bis zu 23 Std.
Standby Bis zu 18 Tage
Display-Diagonale 4,5 Zoll
Display-Auflösung 1440 x 1400
Prozessor 2,2 GHz Quadcore
Arbeitsspeicher 3 GB
Massenspeicher 32 GB
Speichererweiterung microSD bis zu 128 GB
Kamera (hinten/vorne) 13 Mpx / 2 Mpx
Mobilfunktechnik LTE
W-Lan 802.11b/g/n/ac
Bluetooth 4.0
Betriebssystem Blackberry OS 10.3
Besonderheiten USB/HDMI-Kombianschluss
Preis (Euro) ca. 450 Euro
Alle Daten sind Herstellerangaben
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