Was wurde aus Blackberry? Erst Mail, dann Fail

Blackberry-Smartphone
Foto: JUSTIN SULLIVAN/ APTasten, echte Tasten: perfekt für die schnelle Texteingabe mit beiden Daumen, ohne nervige Touchscreen-Vertipper. Die Macher des Blackberry Key2 LE wissen genau, was sich treue Fans der Brombeer-Marke wünschen. Und so haben sie ihr neues Smartphone wieder mit einer physischen Tastatur zum Tippen ausgestattet. So wie die Blackberrys von einst: die "Crackberries", wie E-Mail-Junkies ihre Apparate nannten.
Eine Ewigkeit scheint die Crackberry-Zeit her zu sein. Tatsächlich ist es keine zwölf Jahre her, da war ein Blackberry das Statussymbol für erfolgreiche Wallstreet-Broker, Manager und Politiker - oder solche, die es sein wollten. Die Marke des Herstellers Research in Motion (RIM) aus Waterloo in Kanada galt als Synonym für Innovation.
Gleich der erste Brombeeren-Handheld von 1999 war eine Revolution: Der Blackberry 850, mit dem man unterwegs E-Mails abrufen und schreiben konnte. 2002 brachte RIM dann den Blackberry 5810 auf den Markt - eine Art Frühzeit-Smartphone mit Push-E-Mail und Telefonfunktion. 2004 folgte der Blackberry 7270, mit Farbdisplay und WLAN.

Blackberry-Smartphones: Vom E-Mail-Handy zum Android-Smartphone
Blackberry war in dieser Zeit das Nonplusultra. Mehr als 100 Millionen Geräte verkaufte RIM in die Welt. Fast alle hatten die Mini-Tastatur, die es wunderbar einfach macht, Texte einzugeben. Poweruser wie Barack Obama liebten sie.
"It's OK. We'll be fine"
Aber dann kam der 9. Januar 2007. Der Tag, an dem Apple sein iPhone präsentierte. Mit Touchscreen-Display. Und Blackberry sah schlagartig alt aus.
"It's OK. We'll be fine", wiegelte Jim Balsillie, einer der beiden Blackberry-Gründer, nach der Vorstellung des Apple-Handys ab. Zunächst liefen die Geschäfte der Kanadier gut weiter: 2009 kam noch jedes fünfte weltweit verkaufte Smartphone von RIM aus Kanada. Bis zu 80 Millionen Menschen benutzten damals Blackberrys E-Mail-Service.
Dann begann der Niedergang. Blackberry hielt nicht nur an der Tastatur fest, sondern auch an seinem Betriebssystem. Apps gab es dafür nur wenige. Deshalb lagen die Geräte bald wie Blei in den Verkaufstresen. Die Tastaturfreaks wurden zur Nischengruppe. Touchscreens waren angesagt.
Ab jetzt nur noch Software
RIM, das sich in Blackberry umtaufte, schrieb Millionenverluste in Serie. Die beiden Gründer mussten abtreten. Immer neue Manager kamen und gingen, unter ihnen der Deutsche Thorsten Heins. Schließlich wurde der in Hong Kong geborene Geschäftsmann John Chen zum Chef erkoren.
Massenhaft wurden Mitarbeiter entlassen, der Konzern radikal geschrumpft. Von einst 16.500 Beschäftigten blieben nur noch rund 4000 übrig. Der Jahresumsatz sank von fast 20 Milliarden auf 932 Millionen US-Dollar. Blackberrys Marktanteil am weltweiten Smartphone-Markt fiel 2016 unter die 0,1-Prozent-Marke.
Am 28. September 2016 zog CEO Chen den Stecker. Er kündigte an, die verlustreiche Telefon-Produktion komplett einzustellen. Und erklärte, Blackberry werde sich auf Software konzentrieren.
Bis heute kommen immer wieder neue Blackberry-Smartphones auf den Markt, wie der Key2 LE. Doch gebaut werden sie von TCL. Der chinesische Hersteller zahlt den Kanadiern Lizenzgebühren für den Namen und das Brombeerlogo. Blackberry selbst liefert Software.
"Wir stellen für diese Gerate eine besonders gesicherte Android-Version bereit", sagt Marketing-Chef Mark Wilson im Gespräch mit dem SPIEGEL. Bei der Hardware-Produktion seien andere Unternehmen besser aufgestellt. Aber: "wir haben immer sehr gute Software in unseren Smartphones gehabt."
Bescheiden sind die Kanadier nicht: eines ihrer Geräte bewerben sie als das "weltweit sicherste Android Smartphone." Die Massenkundschaft zieht das allerdings nicht an: Blackberrys sind Nischenprodukte - vor allem für Tastatur-Liebhaber.
"Künftig in jedem Auto mit dabei"
Sichere Softwarelösungen für Mobiltelefone, Unternehmen oder Autos sollen nunmehr Blackberrys Kerngeschäft sein. Großes Wachstum erhoffen sich die Manager vom Engagement in der PKW-Industrie. Schon jetzt stecke ihre Software in 120 Millionen Fahrzeugen weltweit, behauptet Marketing-Chef Wilson. "Wenn Sie einen Audi, BMW oder Mercedes mit einem Infotainment-System fahren, ist die Wahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent, dass Sie Blackberry nutzen." Auch Ford und große Automobilzulieferer wie Denso, Bosch oder Magna arbeiten mit den Kanadiern zusammen.
Je smarter Autos würden, desto größer werde die Nachfrage nach sicherer Software, prophezeit Wilson: "Die Zukunft ist das autonome Fahren. Wenn Sie dann eines Tages kein Steuerrad mehr haben, müssen Sie sich darauf verlassen, dass das Fahrzeug sicher ist."

Blackberry Passport im Test: Das Quadrat-Smartphone
2017 ging der erste autonome Testwagen, der mit einer Software der Blackberry-Tochter QNX ausgerüstet war, auf die Straße. In den nächsten Jahren will QNX 500 Ingenieure einstellen - und nahe der kanadischen Hauptstadt Ottawa für 76 Millionen Dollar ein Zentrum für autonomes Fahren aufbauen. "Ich will sicher gehen, dass wir künftig in jedem Auto mit dabei sind", formuliert Vorstandschef Chen ganz und gar unbescheiden.
Patentrecht als Einnahmequelle
Das Kleingeld für die großen Pläne versucht sich Blackberry unter anderem vor Gericht zu beschaffen. Immer wieder verklagt der einstige Smartphone-Pionier erfolgreiche Tech-Firmen: ob Facebook, Snap oder Qualcomm. Der US-Chipkonzern etwa musste 815 Millionen Dollar an die Kanadier zurückzahlen - weil Blackberry weniger Smartphones verkauft hatte, als die Vereinbarung mit Qualcomm vorsah.
Oft drehen sich Blackberrys Klagen um Patentverletzungen. Facebook werfen die Kanadier unter anderem vor, ihre geschützte Idee abgekupfert zu haben, das App-Symbol mit einem Zähler für die Anzahl neuer Nachrichten zu versehen. Zwei Milliarden Dollar fordern sie von Facebook, mehr als das Doppelte ihres eigenen Jahresumsatzes. Der US-Konzern hat allerdings kürzlich eine Gegenklage eingereicht: ihm zufolge sollen die Kanadier selbst Patente von Facebook verletzt haben.
Wie der Streit ausgeht, ist ungewiss. Das Urteil könnte für die Zukunft von Blackberry entscheidend werden. Ohne die Zahlungen von Qualcomm hätten die Kanadier auch 2017 wieder tiefrote Zahlen geschrieben.