Chaos Communication Congress Dieses Smartphone ist ein Eigenbau

Ein 30-Euro-Kleincomputer, ein Touchdisplay, ein Akku und eine Tupperdose - so sieht das Smartphone einer Berliner Hackerin aus. Das Eigenbau-Projekt soll der Autodidaktin helfen, einen Ausbildungsplatz zu finden.
Selbstgebautes Smartphone

Selbstgebautes Smartphone

Foto: SPIEGEL ONLINE

Wenn Susanne S. in der Berliner S-Bahn oder im Café ihr Smartphone aus der Tasche holt, wird sie regelmäßig darauf angesprochen. Die erste Frage lautet meist: Was ist das?

Tatsächlich ist auf den ersten Blick nicht klar, dass es sich um ein Smartphone handelt. Das Gerät besteht aus einem Akku für die Stromversorgung sowie einem Minicomputer vom Typ Raspberry Pi 3B und einem Vier-Zoll-Display, die zusammen in einer durchsichtigen Tupperdose stecken. Susanne S. hat es selbst gebaut.

Sie ist nicht die erste, die so etwas versucht. Ähnliche Projekte heißen PiPhone , ZeroPhone  oder TyTelli . Aber S. wollte die entsprechenden Anleitungen nicht einfach nachbauen. Sie hat eigene Maßstäbe, und die machen die Sache nicht einfacher. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie nun daran, inklusive einer sechsmonatigen Pause. Am Samstagabend will sie in einem Vortrag auf dem Chaos Communication Congress  erklären, auf welche Probleme sie gestoßen ist, welche Fehler sie gemacht und welche Lösungen sie gefunden hat. Und sie will ihrem Publikum vermitteln, "dass der Weg ein tolles Ziel sein kann", wie sie sagt.

Linux, Löten und Learning by Doing

Die 34-Jährige sucht derzeit einen Ausbildungsplatz, sie möchte Fachinformatikerin werden. Aufgrund einer Traumafolgestörung kann sie nicht in Vollzeit arbeiten, das erschwert die Suche. Bei der Deutschen Rentenversicherung habe man ihr sogar ins Gesicht gesagt, sie sei "nicht intelligent genug", um ihren Traumberuf auszuüben.

Nun absolviert sie ein Technisches Jahr, um sich selbst und anderen das Gegenteil zu beweisen. Um, wie sie sagt, "Firmen zu zeigen, dass ich was drauf habe". Was sie drauf hat, hat sie sich selbst beigebracht oder in Linux User Groups  und Hackerspaces gezeigt bekommen: den Umgang mit Linux und Servern, Löten, Programmieren in Python, Konfigurationsdateien schreiben, Debugging und einiges mehr.

Susanne S.

Susanne S.

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Das bisherige Ergebnis: Ihr Eigenbau-Smartphone kann sich mit einem WLAN verbinden, PDF-Dateien und Fotos anzeigen und MP3-Dateien abspielen. Voice-over-IP-Telefonie funktioniert über das Programm Linphone, zumindest aus einem LAN oder WLAN heraus und "mit einer Festnetznummer über SIP (Session Initiation Protocoll - Anm. der Red.) ", wie S. sagt. Ein Dateimanager ist installiert, die Spiele "Sudoku" und "Tanglet" auch. Den Kalender programmiert sie gerade selbst, muss dafür aber noch mehr über objektorientiertes Programmieren  lernen.

Eine funktionstüchtige Kamera hatte sie schon verbaut, doch dann ist das Kabel gebrochen, bisher hat sie es nicht ersetzen können. Einen Vibrationsmotor, den sie aus einem alten Handy ausgebaut hat, will sie auch noch integrieren.

Exotische Software-Kombination

Weil sie im Laufe des Projekts möglichst viel lernen und möglichst Freie Software verwenden will, und weil sie obendrein mit einem Gigabyte Arbeitsspeicher auskommen muss, hat sie sich für eine vergleichsweise exotische Variante entschieden: Das Betriebssystem ist Arch Linux, die grafische Oberfläche heißt LXQT, die Tastatur xkbd und der Browser Midori. Die weltweite Zahl von Smartphones mit dieser Kombination dürfte im einstelligen Bereich liegen.

Die Benutzeroberfläche des Eigenbaus hat wenig mit handelsüblichen Smartphones gemeinsam.

Die Benutzeroberfläche des Eigenbaus hat wenig mit handelsüblichen Smartphones gemeinsam.

Foto: SPIEGEL ONLINE

"WhatsApp will ich gar nicht erst installieren können", sagt sie. Stattdessen setzt sie auf Pidgin und das XMPP-Protokoll - allerdings muss ihr Gegenüber bestimmte Apps wie ChatSecure verwenden, um mit ihr chatten zu können.

Der Raspberry Pi hat auch keinen Audioeingang, "was Telefonieren zu einer eher einseitigen Angelegenheit machen würde", wie sie sagt. Also hat sie auf die Platine eine USB-Soundkarte gelötet, an die sie ein Headset anschließt.

Etwa 120 Euro hat die Hardware gekostet, die sie bisher verbaut hat. Wann wird das Smartphone fertig sein? "Ich glaube, das ist eine never ending story", sagt S. "Mir fällt immer noch etwas ein, das ich gerne verändern möchte. Aber irgendwann werde ich es als kompletten Smartphone-Ersatz benutzen können."

Hinweis: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, Chats mit iPhone-Nutzern seien über das Eigenbau-Smartphone nicht möglich. Das ist nicht richtig, der Artikel wurde entsprechend aktualisiert.

Die Videoaufzeichnung des Vortrags findet sich hier .

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35C3: So oder so ähnlich sieht es auf dem Hackerkongress aus

Foto: Peter Endig/ dpa
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