Computermesse in Hannover Liebe Leserin, lieber Leser,

nach mehreren Jahren Abstinenz kehre ich diese Woche zur Cebit zurück. Mit gemischten Gefühlen. Ich bin Cebit-Gänger der ersten Stunde. Schon als Schüler ließ ich keine Gelegenheit aus, das "Centrum für Büro- und Informationstechnik" zu besuchen, das damals noch als Teil der Hannover Messe in Halle 1 passte. Damals, vor mehr als 30 Jahren, bestaunte ich dort die Neuheiten von Commodore und fasste den Entschluss, doch lieber einen Atari zu kaufen.

Cebit-Plakat - natürlich mit Hipster-Bart
Foto: Friso Gentsch/ dpaÜber Jahrzehnte war die Messe für mich ein Fixpunkt: Morgens mit dem frühen ICE hin, abends mit dem letzten Zug zurück nach Hamburg. Für Tech-Journalisten war das Pflichtprogramm. Bill Gates präsentierte in Hannover Windows 95, Intel seine Centrino-Technologie, Siemens UMTS-Handys.

Aber das ist lange her. Längst haben die CES (Consumer Electronics Show), der MWC (Mobile World Congress) und die IFA die Cebit als Neuheitenmessen verdrängt. Die Zuschauerzahlen in Hannover gingen stetig zurück. Versuche, die Massen, die einst die Zufahrtswege verstopften, mit Konzepten wie der Sub-Messe Cebit Home oder Gaming-Hallen zurückzugewinnen, scheiterten grandios.
Mit einem vollkommen umgekrempelten Gesamtkonzept und einem neuen Termin will die Cebit nun zu alter Größe finden. Vom März wurde sie in den Juni verlegt, CES und MWC sind da längst vergessen, die IFA noch Monate entfernt. Die eigentliche Messe, jetzt Expo genannt, wird von einem Konferenzprogramm und einem Festival samt Popkonzerten flankiert. So will man wieder ein jüngeres Publikum ansprechen.

Doch wenn ich meine Cebit-E-Mails durchforste, macht mich das nicht sehr optimistisch. Da wird ein "State of the Nation aus der Sicht des Maschinen- und Anlagenbaus" angeboten, eine "innovative Lösung mit Microsoft Azure Stack" angepriesen und zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Multi-Cloud und Hybrid-Cloud in der Praxis" eingeladen. Nicht ganz die Themen also, für die sich junge Leute interessieren.
Das Interesse scheint trotzdem groß, bei wem auch immer: Der Take-off-Montag, so nennt die Messegesellschaft den ersten Cebit-Tag, an dem es nur Konferenzprogramm gibt, ist ausgebucht. Dass aber viele jüngere Besucher kommen, die das 100 Euro teure Tagesticket selbst bezahlt haben, wage ich zu bezweifeln.

Messegelände mit Riesenrad von SAP
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaJunge Besucher dürfte wohl eher das Abendprogramm anziehen, das bei der Cebit - voll hip - Fireside heißt. Bei Ticketpreisen von jeweils 15 Euro werden die Auftritte von Mando Diao am Dienstag und Jan Delay am Mittwoch ihren Zweck als Publikumsmagneten erfüllen und damit vielleicht tatsächlich dafür sorgen, dass die Messegesellschaft am Ende höhere Besucherzahlen als im Vorjahr präsentieren kann. Ich bin jedenfalls gespannt und fühle mich auf der Fahrt nach Hannover fast so, als wäre es meine erste Cebit.
E3: Sony und Co. zeigen ihre Spieleneuheiten

Eine E3-Neuheit: " Sekiro: Shadows Die Twice" von From Software
Foto: From SoftwareNeben der Cebit findet diese Woche noch eine große Techmesse statt, die E3 in Los Angeles. Sie ist die wichtigste Videospielmesse der Welt, Firmen wie Sony und Microsoft zeigen dort ihre Highlights. Wie in den Vorjahren ist mein Kollege Markus Böhm vor Ort, um für SPIEGEL ONLINE zu berichten. Einige besonders interessante E3-Neuheiten hat er gemeinsam mit unserem Autor Matthias Kreienbrink heute auch schon in einem Artikel vorgestellt.

Seltsame Digitalwelt: Kreative Captchas
eine Anekdote von Patrick Beuth
Captchas sind lästig. Aktiviere ich mein Virtual Private Network auf dem Smartphone, und das mache ich praktisch immer, glaubt Google sogleich, mit mir stimme etwas nicht. Bevor ich Suchergebnisse zu sehen bekomme, muss ich Bilder mit Straßenschildern markieren oder solche, auf denen Geschäfte zu sehen sind. Gern auch zweimal. Dass es - wenn jemand schon sichergehen muss, dass ich kein Roboter bin - auch unterhaltsamer geht, habe ich nun auf der Homepage des Peng-Kollektivs gesehen. Wer sich in eine Unterstützerliste der Aktionskünstler eintragen will, bekommt vier Logos zu sehen. Beispielsweise die von Monsanto, Brot für die Welt, Oxfam und Foodwatch - zusammen mit der Bitte, jene Organisation anzukreuzen, "die unsere Nahrung genetisch manipuliert". Oder auch die Logos von Privacy International, WikiLeaks, der Electronic Frontier Foundation (EFF) und Google - und dazu die Aufforderung, jene Organisation anzuklicken, "die den Datenschutz bedroht". Das ist plakativ und nicht wenig differenziert, aber allemal unterhaltsamer als unscharfe Fotos von Vorfahrtszeichen.
App der Woche: Google Lens
getestet von Tobias Kirchner

Die App Google Lens macht die Smartphone-Kamera ein bisschen schlauer. Es wird nur ein Foto gebraucht, um Dinge zu identifizieren. Hilfreich ist das beispielsweise, wenn man wissen möchte, vor welchem Gebäude man steht oder welche Pflanze man vor sich hat. Die Erkennung funktioniert in den meisten Fällen ziemlich schnell. Die App verknüpft sich auch mit weiteren Anwendungen. So lassen sich beispielsweise Speisekarten in einer fremden Sprache direkt übersetzen, eine Websuche starten oder Texte ins Notizbuch einfügen.
Gratis von Google, ohne In-App-Käufe: Android
Fremdlink: Drei Tipps aus anderen Medien
- "In Newark, Police Cameras, and the Internet, Watch You" (Englisch, fünfzehn Leseminuten)
Die Polizei von Newark will offenbar jedermann zum Blockwart machen. In New Yorks Nachbarstadt kann jetzt jedermann die Videoübertragungen von mehreren Dutzend Überwachungskameras anschauen. Die "New York Times" erklärt, was das soll und zu welchen absurden Situationen die Generalüberwachung führen kann. - "War's das mit der Privatsphäre?" (Deutsch, 10 Leseminuten)
Was können private Satelliten sehen, was dürfen Internetanbieter damit machen und wie gefährlich ist eigentlich der ganze Schrott, den sie im Orbit hinterlassen? "Zeit Online" ist Fragen wie diesen nachgegangen. - "Sie haben gedacht, es sei Zauberei" (Deutsch, Fünf Leseminuten)
Jahrzehntelang hatten Ranger in Kenia keine Chance gegen Wilderer, die Nashörner und Elefanten abschlachteten. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden, dank Wärmebildkameras, Drohnen und künstlicher Intelligenz.
Ich wünsche Ihnen eine wunderbare Woche,
Ihr Matthias Kremp