Lieferverzögerungen Nachfrageboom bei PCs, Notebooks - und Haarschneidern

Deutschlands Büroarbeiter sind ins Homeoffice umgezogen - und dafür brauchen sie neue Hardware. Doch der Nachschub aus Asien kommt ins Stocken.
Notebooks in einem Elektronikgeschäft (Symbolbild)

Notebooks in einem Elektronikgeschäft (Symbolbild)

Foto: SCOTT OLSON/ AFP

Die Coronakrise hat das Homeoffice in Deutschland nicht nur salonfähig, sondern zumindest vorläufig zum Standard gemacht. Um die Verbreitung des neuen Coronavirus Sars-CoV-2 zu verlangsamen, mussten viele Menschen ihren Arbeitsplatz in ihre Privatwohnung verlegen. Darauf waren bei Weitem nicht alle betroffenen Firmen und Mitarbeiter vorbereitet. Viele mussten und müssen die für den Heimbetrieb notwendige Hardware erst anschaffen.

Für manche Produkte könnte das allerdings bald schwierig werden, erklärt Alexander Maier, Deutschlandchef von Ingram Micro, dem weltweit wohl größten Großhändler für IT-Produkte, dem SPIEGEL. "Mittlerweile kommt es in einigen Bereichen zu Engpässen. Dies betrifft beispielsweise Infrastruktur-Produkte, PCs und Notebooks, wo es aktuell zu Lieferverzögerungen von sechs bis acht Wochen kommt. Auch bei Displays sehen wir erste Auswirkungen, doch hier gibt es in Europa noch relativ hohe Lagerbestände", sagt Maier.

Der Grund dafür sei, "dass die Lieferketten aufgrund der Corona-Infektionen in Mitleidenschaft gezogen wurden". Die rasante Einführung von Homeoffice und Homeschooling habe kurzfristig "eine extrem hohe Nachfrage nach entsprechenden Produkten ausgelöst", erklärt Maier weiter.

Auch andere Produkte erleben einen Boom

Diesen Nachfrageschub haben auch die großen Elektronikketten zu spüren bekommen. Bei MediaMarkt und Saturn seien "insbesondere Notebooks, Webcams, Speichermedien, Tintenpatronen - eigentlich alles, was man an Equipment fürs Homeoffice benötigt" in großer Zahl verkauft worden, sagt eine Unternehmenssprecherin.

Und auch der Elektrohändler Conrad Elektronik bestätigt, dass "die Nachfrage nach Ausstattung für Homeoffice-Lösungen in den letzten Wochen deutlich gestiegen" ist. Um es den Interessenten leichter zu machen, sich mit den entsprechenden Artikeln einzudecken - und den Verkauf anzukurbeln - wurde eine Seite mit einer Auswahl passender Produkte  eingerichtet.

Doch offensichtlich verkaufen sich derzeit nicht nur Notebooks, WLAN-Repeater und Laserdrucker besonders gut. "Auch Gefrierschränke und Kühlschränke werden überdurchschnittlich oft gekauft und auch Staubsauger sind derzeit sehr beliebt", heißt es von Mediamarkt/Saturn. Außerdem brumme es im Bereich Gaming.

Seit einigen Tagen seien zudem auch Haar- und Bartschneider sehr gefragt. "Das hängt damit zusammen, dass Friseure seit einigen Tagen nicht mehr öffnen dürfen", vermutet man bei Mediamarkt/Saturn.

Der größte Bedarf ist gedeckt

Erschwert wird die Lage durch Fabrikschließungen vor allem in Asien, aber auch in Europa. Viele Lieferanten hätten ihre Produktion bereits wieder hochgefahren, sagt Alexander Maier. "Dennoch rechnen wir kurzfristig mit weiteren temporären Unterbrechungen in der Produktion - mitunter durch unzureichenden Nachschub der benötigten Komponenten."

Solche Probleme plagen derzeit beispielsweise Sony. In einer Pressemitteilung zur aktuellen Lage  berichtet der Konzern, vier in China zeitweise stillgelegte Fabriken würden wieder anlaufen, es gebe aber immer noch Probleme mit dem Nachschub an Bauteilen und Material. Zwei Fabriken in Malaysia und Großbritannien seien auf behördliche Anordnung noch bis Mitte April geschlossen, die Produktion von Elektronik-Produkten betroffen. Für Gamer wichtig: Die Einführung der neuen Playstation 5 zum Weihnachtsgeschäft sei nicht gefährdet, sagt Sony .

Wohl wegen solcher Meldungen rechnet Ingram Micro bei manchen Produkten mit "wiederkehrenden Lieferengpässen sowie steigenden Wareneinstandspreisen". Der größte Bedarf an Homeoffice-Zubehör sei aber mittlerweile gedeckt und man gehe davon aus, dass die Nachfrage bald deutlich abnehmen wird.

Keine ungewöhnlichen Wartezeiten

In den Onlineshops der großen Anbieter ist von Lieferproblemen derzeit nichts zu sehen. Beim Computerhersteller Dell werden beispielsweise die meisten Notebooks der XPS-Serie als binnen weniger Tage versandfertig angeboten. Dasselbe gilt für Apple, wo die meisten MacBooks mit Lieferzeiten von zwei bis sechs Tagen im Katalog stehen. Wer ein neues MacBook Air haben möchte, muss allerdings Geduld aufbringen und drei bis vier Wochen Wartezeit in Kauf nehmen.

Ähnliches gilt, wenn man vom Standard abweichende Konfigurationen wählt, aber das ist auch in Nicht-Krisenzeiten so. Bei einem mit mehr Speicher oder anderen Optionen aufgerüsteten Computer muss man bei den großen Herstellern meist ein bis zwei Wochen mehr Wartezeit einplanen.

Die PC-Produzenten jedenfalls dürften sich über den durch die Pandemie erzwungenen Homeoffice-Boom freuen. Die unerwartet hoher Nachfrage nach ihren Produkte könnte zumindest teilweise den Rückgang kompensieren, der durch ausbleibende Verkäufe in Ladengeschäften und den zu erwartenden Abschwung der Wirtschaft entstehen wird.

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