Datenbrille Google Glass ist schon gehackt

Netscape-Gründer Marc Andreessen (l.), Bill Maris, Google Ventures, John Doerr, Kleiner, Perkins Caufield & Byers mit Google-Brillen: Investorenteam für Glass-Anwendungen
Foto: HANDOUT / REUTERSHamburg - Es war zu erwarten, und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass Googles Ingenieure wirklich etwas dagegen haben. Dennoch sorgte die Nachricht, dass die Datenbrille Google Glass bereits kurz nach Verteilung der ersten Testexemplare gehackt worden ist, für einigen Wirbel in der Tech-Szene. Zwei Stunden habe er nur gebraucht, erklärte der unter dem Spitznamen Saurik bekannte Softwareentwickler Jay Freeman, dann habe er vollen Zugriff auf das Betriebssystem der Google-Brille gehabt.
Freeman bediente sich dabei eines Hacks, der eigentlich schon Monate alt ist , veröffentlicht von einem anderen Hacker mit dem Netz-Namen Bin4ry. Dieser funktioniere in leicht abgewandelter Form auch für Google Glass, weil die Software der Brille auf der Android-Version 4.0.4. basiere. Er habe dem Gerät gewissermaßen vorgegaukelt, "dass die Software gar nicht auf echter Hardware läuft", erklärte Freeman "Forbes". "Sie glaubt stattdessen, dass sie innerhalb eines Emulators auf einem Desktop oder Laptop läuft, wie ihn Android-Entwickler benutzen."
Ein weiterer Hacker mit dem Namen Hexxeh hatte fast zeitgleich via Twitter mitgeteilt, dass es sehr einfach sei, "root"-Zugriff auf die Glass-Software zu bekommen. Ebenfalls via Twitter antwortete der Google-Entwickler Tim Bray, das sei ja nun keine Überraschung: "Ja, Glass ist hackbar. Duh."
"Hackable", hackbar, ist ein Begriff, den Google-Manager gerne selbst benutzen, wenn es um die Vorstellung neuer Software- oder Hardwareprodukte geht. Entwickler mögen es, wenn sie mit neuer Technologie nach Belieben herumspielen können, und Google hat über die Jahre stets versucht, diesen Entwicklerenthusiasmus am Leben zu erhalten, auch wenn längst nicht alles, was Google heute tut, Open-Source ist.
"Nur für Lagerarbeiter und Kaufhausdetektive"
Unklar ist, was der Jailbreak für die Google-Brille alles ermöglicht - etwa, ob sich damit das von Google verfügte Verbot des Verkaufs oder Verleihs der Testgeräte umgehen lässt. Google behält sich in den Nutzungsbedingungen zur "Explorer Edition" der Datenbrille vor, das Gerät aus der Ferne zu "deaktivieren", sollte es weitergereicht oder verkauft werden. Möglich wäre das deshalb, weil die Datenbrille, ähnlich wie ein Android-Handy, über einen Google-Account aktiviert werden muss. Würde eines der Testgeräte mit einem neuen Account verknüpft, würde das vermutlich an Google weitergemeldet werden.
Ob die Google-Brille übrigens demnächst die Welt verändern oder den Weg des Segway gehen wird - gefeiert und dann in der Nische versackt -, darüber wird derzeit heftig diskutiert. Silicon-Valley-Hansdampf-in-allen-Gassen Robert Scoble veröffentlichte - bei Google+, wo sonst - einen kurzen Bericht über seine ersten zwei Wochen mit der Datenbrille. Sein Fazit: "Sie hat mein Leben verändert. Ich werde keinen Tag mehr verbringen, ohne sie zu tragen." Bei TheNextWeb gibt es ein Video-Interview mit Scoble samt Brille .
Scoble ist nicht der einzige Glass-Enthusiast: Netscape-Gründer und Investor Marc Andreessen etwa tat sich mit anderen prominenten Investoren und Googles Venture-Capital-Arm zusammen, um die Entwicklung von Anwendungen für die Datenbrille zu finanzieren.
Zu einem völlig anderen Schluss als Scoble kam hingegen Mike Butcher von TechCrunch - allerdings nach einem deutlich kürzeren Test: Die Sprachsteuerung wirke in einer normalen Gesprächssituation seltsam und es sei in Wahrheit unbequem, auf den kleinen Bildschirm in Augennähe zu starren. Deshalb werde Google Glass ein Nischenprodukt bleiben, glaubt Butcher: "Es wird der Segway dieses Zeitalters werden: als revolutionär gefeiert, aber am Ende nur von Lagerhausarbeitern und Kaufhausdetektiven genutzt."