Fünf Noise-Cancelling-Kopfhörer im Test So gut kann Stille klingen

Einer der fünf getesteten schallreduzierenden Kopfhörer auf dem Ifa-Messegelände
Foto: Matthias Kremp/ SPIEGEL ONLINEDie Ifa in Berlin beginnt mit einer kleinen Enttäuschung: Sony hat keinen Nachfolger seiner Noise-Cancelling-Kopfhörer WH-1000XM3 präsentiert. Die gehörten im Vorjahr zu den Höhepunkten der Messe und landen seither in praktisch allen Vergleichstests von Bluetooth-Kopfhörern mit aktiver Geräuschunterdrückung ganz oben. Ein Gutes immerhin hat die Nichtexistenz eines XM4: Das Modell von 2018, das bei der Markteinführung rund 380 Euro kostete, ist mittlerweile rund 100 Euro billiger zu bekommen. Wer Wert auf ein starkes Noise Cancelling und einen basslastigen, wuchtigen Sound legt, ist damit weiterhin bestens bedient.
Doch die Konkurrenz holt auf, wie wir anhand der Kopfhörer feststellen konnten, die in den vergangenen Monaten und jetzt auf der Ifa 2019 vorgestellt wurden.
Ausprobiert haben wir die Spitzenmodelle von Bose in der Kategorie der kabellosen Over-Ear-Kopfhörer, nämlich die Noise Cancelling Headphones 700 und die weiterhin beliebten Quiet Comfort 35 II von 2017, sowie die brandneuen Sennheiser Momentum 3 , die Master & Dynamic MW65 und die Beyerdynamic Lagoon ANC.
Bose

Bose 700
Foto: Matthias Kremp/ SPIEGEL ONLINESchon die Entscheidung zwischen den beiden Bose-Kopfhörern fällt schwer. Für den neuen 700er spricht in erster Linie der klar druckvollere und in den Höhen etwas differenziertere Sound, dagegen klingt der zwei Jahre alte QC 35 II ziemlich lau. "Neutral", würden manche vielleicht sagen, aber wenn das dazu führt, dass gewollt garstigere Töne in einem Song wegneutralisiert werden, ist das nicht Sinn der Sache.
Bose Noise Cancelling Headphones 700 – kabellose Bluetooth-Kopfhörer im Over-Ear-Design mit integriertem Mikrofon für klar verständliche Telefonate und Alexa-Sprachsteuerung, Silber, Einheitsgröße
Preisabfragezeitpunkt
31.03.2023 15.20 Uhr
Keine Gewähr
Die Bedienung der 700er über Touch-Elemente auf der Ohrmuschel sind moderner als die physischen Tasten des älteren Modells QC 35 II. Das gilt für das gesamte Design, aber das dürfte nicht für jeden ein ausschlaggebendes Kriterium sein.
Die Apps der beiden Bose-Kopfhörer sind wenig hilfreich. Die des 700ers erfordert sogar eine Onlineregistrierung, was eigentlich unnötig wäre. Keine der beiden Apps beinhaltet einen Equalizer zum individuellen Anpassen des Klangs.
Bose QuietComfort 35 Wireless Headphones II – Kabellose Noise-Cancelling-Kopfhörer mit Bluetooth im Over-Ear-Design mit Integriertem Mikrofon und Alexa-Sprachsteuerung, Schwarz
Preisabfragezeitpunkt
31.03.2023 15.20 Uhr
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Für den QC 35 II spricht, dass er bei der Akkulaufzeit (bis zu 20 Stunden) und beim Noise Cancelling - beispielsweise im Zug - praktisch gleichwertig ist. Er ist zudem beispiellos bequem und lässt sich durch die einklappbare Ohrmuschel platzsparender verstauen. Die große Frage ist also, ob man bereit ist, für die bessere Klangqualität des 700ers etwa 140 Euro mehr zu zahlen. Denn das neue Modell kostet rund 400 Euro, der QC 35 II ist im Onlinehandel mitunter für 260 zu bekommen.
Sennheiser Momentum 3

Sennheiser Momentum 3
Foto: Matthias Kremp/ SPIEGEL ONLINEDer gerade auf der Ifa vorgestellte Momentum 3 kommt sehr edel daher, gebürstetes Aluminium und weiches Leder lassen ihn so teuer wirken, wie er ist - nämlich ebenfalls 400 Euro. Originell: Statt zur Anpassung die Länge der Kopfbügel zu verändern, schiebt man die in leicht beweglichen Kugelgelenken aufgehängten Ohrmuscheln an den Bügeln rauf und runter. Das Ergebnis ist, dass der Momentum 3 sich sehr angenehm an den Kopf anschmiegt. Wie eine gute Lederjacke dürfte das Leder mit der Zeit eine abgewetzt glänzende Patina bekommen.
Zeitgemäß steckt im Sennheiser eine USB-C-Buchse zum Aufladen des Akkus. Über dieselbe Buchse kann man aber auch sein Smartphone oder Tablet digital anschließen. Natürlich ist auch eine analoge Kopfhörerbuchse eingebaut. Die passt auch gut zu den Bedienelementen, denn Sensorflächen hat der Sennheiser nicht. Stattdessen werden die Lautstärke oder der Geräuschunterdrückungsmodus über eine Reihe von Schaltern gesteuert. Eine Einschalttaste hat er ebenfalls nicht: Sobald man ihn aufklappt, geht er an; nimmt man ihn ab, pausiert die Musik oder der Film; klappt man ihn zusammen, geht er aus.
Was die Klangqualität angeht, haben wir zumindest in unserem Test nichts Besseres gehört als den Momentum 3. Obwohl er recht laut werden und ordentlich Druck machen kann, wirkt sein Sound nie hart oder am Limit. Stattdessen werden Bässe sehr rund wiedergegeben, während die Höhen bis nach ganz oben klar und transparent scheinen.
Die Geräuschunterdrückung machte zumindest auf Bahnfahrten einen guten Eindruck und tat, was sie sollte. Auf einem Flug konnten wir sie noch nicht ausprobieren. Negativ fällt allenfalls auf, dass es nicht möglich ist, die verschiedenen Modi der Geräuschunterdrückung am Kopfhörer selbst einzustellen, dazu braucht man Sennheisers Smart-Control-App.
Master & Dynamics

Master & Dynamics MW65
Foto: Matthias Kremp/ SPIEGEL ONLINEMit knapp 500 Euro liegt der seit einigen Monaten erhältliche MW65 von Master & Dynamics am oberen Ende der Preisskala. Dafür bekommt man Leder und Metall statt Plastik, bis zu 24 Stunden Akkulaufzeit, physische Buttons statt Touchflächen, ein ansprechendes Design und vor allem einen druckvollen, aber ausgewogenen und detailstarken Klang. Der ist die Stärke der MW65, besser wird es dem bisherigen Eindruck nach allenfalls bei Sennheiser. Enttäuschend ist dagegen die Geräuschunterdrückung. Wer NC-Kopfhörer auch mal nutzt, um einfach seine Ruhe zu haben, ohne dabei Musik oder einen Podcast zu hören, sollte sich ein anderes Modell suchen. Das Noise Cancelling von Sony und Bose ist klar überlegen.
Master & Dynamic MW65 ANC Wireless Over-Ear Kopfhörer (Bluetooth 4.2 mit AptX Unterstützung, Aktive Geräuschunterdrückung, 24 Stunden Akkulaufzeit, Schnellladung, Google Assistant), Braun/Silber
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Darüber hinaus könnten die MW65 einigen Trägern zu unbequem sein. Wer etwas größere Ohren hat oder Brillenträger ist, sollte sie unbedingt erst einmal ausprobieren, denn die Ohrmuscheln fallen vergleichsweise klein aus.
Beyerdynamic Lagoon ANC

Beyerdynamic Lagoon ANC
Foto: Matthias Kremp/ SPIEGEL ONLINEDem Lagoon ANC sieht man seinen hohen Preis von 400 Euro nicht an, bei ihm dominiert Plastik. Immerhin: Der Kopfbügel und die Ohrmuscheln sind mit extrem weichen Leder gepolstert. Trotzdem schmiegt er sich nicht so eng an den Kopf wie manch anderes Modell.
Die Steuerung erfolgt mit einer Mischung aus physischen Tasten an der rechten und Sensorflächen auf der linken Ohrmuschel. So kann man die Stärke der Geräuschreduzierung über einen dreistufigen Schalter, die Lautstärke aber per Fingerwisch regeln. Das Konzept ist klar und schnell erlernt. Ein nettes, aber eigentlich überflüssiges Gimmick: In die Innenseiten der Ohrmuscheln sind LEDs eingebaut, die verschiedene Funktionen in verschiedenen Farben anzeigen. Davon hat man natürlich wenig, wenn man sie auf dem Kopf trägt.
beyerdynamic Lagoon ANC Traveller Bluetooth-Kopfhörer mit Active Noise Cancelling und Klang-Personalisierung (schwarz)
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Die Geräuschunterdrückung arbeitet effektiv und lässt sich in zwei Stufen steuern. Auf Stufe 2 ist man wirklich für sich allein, bekommt kaum noch etwas von der Außenwelt mit. In lauten Zügen oder Flugzeugen passt das gut. Stufe 1 ist eher für das Büro geeignet oder wenn man beispielsweise die Durchsagen in der Bahn noch mitbekommen will.
Die zugehörige Beyerdynamic-App bietet als interessantes Extra einen integrierten Hörtest. Auf dessen Basis errechnet die Software ein personalisiertes Hörprofil, das die Klangformung des Kopfhörers an das Hörvermögen des Nutzers anpasst. Der Unterschied ist nicht gewaltig, aber zumindest spürbar.
Ohnehin ist das Klangbild sehr ausgewogen und eher neutral. Alles ist da, Musik wird sehr detailliert wiedergegeben, aber so etwas wie einen eigenen Sound hat der Lagoon ANC nicht. Der Sound ist zwar wirklich prima, mit klaren Mitten, silbrigen Höhen und kräftigen Bässen, er hat nur keinen eigenen Charakter.
Fazit
Es fällt schwer, einen eindeutigen Sieger zu benennen. Zu viel hängt von der Passform für den jeweiligen Kopf ab, von der persönlichen Vorliebe für Design, einen bestimmten Sound oder ein möglichst wirksames Noise Cancelling. Wer die Gelegenheit hat, sollte sich verschiedene Modelle probeweise aufsetzen und anhören. Aber wer ein Budget von 250 bis 500 Euro zur Verfügung hat, sollte ein Modell finden können, das seinen Ansprüchen entspricht.