
Textunes: Bücher fürs Handy
E-Books Deutschlands erster iPad-Buchladen
In der Verlagsbranche ist man entschlossen, aus den Fehlern der Musikindustrie zu lernen. Schließlich ist klar, dass die Digitalisierung auch vor gedruckten Büchern nicht halt machen wird - auch wenn elektronische Versionen von Büchern bis heute Nischenprodukte sind. In den USA ist Amazons Kindle zwar bereits zum echten Umsatzbringer geworden, die E-Book Verkaufszahlen dort waren 2009 dreimal so hoch wie 2008. In Deutschland aber lässt der Boom der E-Bücher noch auf sich warten. Bislang liegt der Anteil von E-Büchern am Gesamtmarkt unter einem Prozent.
Wenn er dann aber kommt, der Boom, will das Berliner Unternehmen Textunes ganz vorn dabei sein. Textunes verkauft Bücher für ein Gerät, das die meisten bislang nicht als E-Reader auf der Rechnung hatten: das iPhone. 50.000 Stück hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge bis jetzt abgesetzt, darunter preiswerte Häppchen wie den mit knapp 4000 verkauften Kopien derzeitigen Bestseller, ein Sarah-Wiener-Kochbuch für 79 Cent, aber auch höherpreisige Werke wie den Strategieratgeber "50 Erfolgsmodelle" für 12,99 Euro. Im Schnitt seien die Bücher 30 Prozent günstiger als die gedruckten Versionen - es gibt aber auch Titel, die in elektronischer Form teurer sind als auf Papier.
Im Angebot sind mittlerweile viele Titel, die man womöglich doch nicht komplett auf einem 3,5-Zoll-Bildschirm lesen möchte - etwa Stieg Larssons Millenium-Trilogie für je 10 Euro oder Stephen Kings "Die Arena" für 25 Euro. Er stelle sich da eher eine Art Kombinationslesen vor, erklärt Textunes-Mitgründer Simon Seeger im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE: "In der U-Bahn lesen die Leute ihren Thriller auf dem Handy weiter, Zuhause haben sie die gedruckte Version auf dem Nachtisch liegen." Jeden Textunes-Titel werde man künftig direkt aus der Applikation heraus auch als Papierbuch ordern können. Ob beim Erwerb beider Versionen ein Rabatt gewährt werden könne, darüber werde zurzeit noch verhandelt, sagt Seeger. Verkaufsfördernd soll sich auch eine Preview-Funktion auswirken: "10 Prozent jedes Buches gibt es gratis."
Gratis-Bücher gibt's für iPhone und iPad übrigens auch sonst - aus gemeinfreien Beständen, also solchen, die man ohne Bezahlung verbreiten darf.
"Auf Verlagsseite noch deutlich zu langsam"
Für Buchhändler dürfte sich all das ziemlich bedrohlich anhören. Schließlich machen ihnen Versandhändler wie Amazon schon genug Konkurrenz. Michael Busch, Chef der Thalia-Kette, hat im Interview mit der "Wirtschaftswoche" gerade erklärt, wie sein Unternehmen auf den digitalen Wandel reagieren will: Man will selbst digitale Bücher vermarkten, "um das Angebot an digitalen Buchinhalten für unsere Kunden zu erhöhen" - allerdings vorerst in kleinem Rahmen. Die Entwicklung "auf Verlagsseite ist noch deutlich zu langsam".
Textunes hält keine Rechte an Büchern - das Unternehmen ist lediglich eine Art digitaler Zwischenhändler. Über die iPhone-App des Unternehmens lassen sich Bücher aufs Telefon herunterladen, zum Teil angereichert mit zusätzlichen Funktionen. Einen Ringelnatz-Gedichtband für 3,99 etwa gibt es mitsamt dem passenden Hörbuch, gelesen von Harry Rowohlt. Einen Yoga-Ratgeber liefert Textunes mitsamt dem Audio-Trainer, der einen bei Übungen anleiten soll, einen Psychologie-Ratgeber mit interaktivem Fragebogen.
Das Unternehmen ist in einer komfortablen Situation: Wenn Apples iPad Ende April in Deutschland erhältlich ist, wird Textunes bereits ein ganzes Arsenal an Büchern für den auch als Lesegerät gedachten Flachcomputer im Angebot haben, denn iPhone-Apps laufen auch auf dem iPad. An einer eigenen Anwendung für das Tablet werde aber bereits fleißig gebastelt, sagt Seeger. Teurer sollen die iPad-Versionen von Büchern nicht werden.

iPad: Das kann Apples schicke Flunder
Mit Apple stehe man auf gutem Fuß, sagt Seeger, trotz des stark an iTunes erinnernden Firmennamens. Möglicherweise ist der deutsche Markt für den Konzern aus Cupertino einfach noch nicht interessant genug: In den USA verhandelt Apple vor dem iPad-Start direkt mit diversen Großverlagen.
"Keiner hat mehr Zeit, sich eine Stunde in den Buchladen zu setzen"
Zwar existiert auch eine Kindle-App für das iPhone, aber für die gibt es nahezu ausschließlich Bücher in englischer Sprache. Deutsche Verlage scheuen weiterhin davor zurück, sich Amazons restriktiver Preispolitik zu unterwerfen. Auch hier kann die Musikbranche als schlechtes Beispiel dienen: Die klagt bis heute darüber, dass der iTunes Store Songs nur zum von Apple diktierten Festpreis anbietet.
Textunes-Geschäftsführer Seeger hält Handys für die wahren Lesegeräte der Zukunft. Die Frage sei, wie viele Menschen "ein weiteres Gerät mit sich herumschleppen und auch dafür bezahlen" wollten, wenn man doch schon ein Smartphone bei sich habe. Dedizierte Lesegeräte wie der Kindle oder die Sony-Reader hätten "sicher ihre Zielgruppe", nämlich "Vielleser, berufsbedingte Leser". Für die breite Masse aber seien Handys die augenfällige Alternative - zumal sie mit ihren Farbbildschirmen und ihrer Anbindung ans Internet für viele Funktionen eigentlich besser geeignet seien. Textunes bietet etwa die Möglichkeit, bis zu 500 Zeichen aus einem gerade gelesenen Buch zu markieren und direkt in ein Social Network zu posten oder - dann natürlich beschränkt auf 140 Zeichen - zu twittern.
Man habe den Anspruch "den Buchladen mit all seinen Funktionen aufs Mobiltelefon zu bekommen", schließlich habe heute "keiner mehr Zeit, sich eine Stunde in den Buchladen zu setzen und zu stöbern". Mit Bestsellerlisten, Community-Funktionen und automatischen Empfehlungen soll Textunes da einen mobilen Ersatz bieten.
Bei den Verlagen herrsche beim Thema Digitalisierung "grundsätzlich erstmal Angst", sagt Seeger, man habe da "eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen". Inzwischen aber sei mit vielen der Partner ein "Vertrauensverhältnis" aufgebaut worden. Zurzeit arbeitet das 12-köpfige Team mit 100 Verlagen zusammen, darunter Cornelsen, Rowohlt, Random House und Kiepenheuer & Witsch. Bis zur Frankfurter Buchmesse will man 3000 Titel anbieten können.