Durchbruch bei Künstlicher Intelligenz Der unheimlich menschliche Eugene Goostmann

Hal 9000 aus dem Film "2001: Odyssee im Weltraum": Wenn Computer zu menschlich sind, kann es gefährlich werden
Foto: ddp imagesDer Durchbruch gelang im Rahmen einer Veranstaltung der Royal Society in London: Einer Mitteilung der University of Reading zufolge hat ein Computerprogramm zum ersten Mal in der Geschichte den berühmten Turing-Test bestanden. Die Prüfung dient dazu festzustellen, ob eine Maschine über eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz verfügt. Die russische Software mit der Bezeichnung "Eugene Goostman" meisterte die Aufgabe und wurde von einer Gruppe von Prüfern für einen Mensch gehalten. In einer Mitteilung der Universität wird der Erfolg als "Meilenstein der Computergeschichte" bezeichnet.
Der Turing-Test geht auf Arbeiten des britischen Mathematikers und Kryptoanalytikers Alan Turing zurück. Turing entwickelte das Konzept der Künstlichen Intelligenz und im Zusammenhang damit das Frage-Antwort-Spiel "Können Maschinen denken?", auf dem der Test basiert.
Ein Turing-Test wird durchgeführt, indem sich ein Mensch per Text-Chat mit zwei Gesprächspartnern unterhält, die er nicht sehen oder hören kann. Einer davon ist ein Mensch, der andere ein Computer. Beide sollen ihr Gegenüber überzeugen, dass sie der denkende Mensch sind. Wenn es dem Computer in mehr als 30 Prozent einer Serie kurzer Unterhaltungen gelingt, seine menschlichen Gesprächspartner zu foppen, gilt der Test als bestanden.
Eine fiktive Variante des Turing-Tests ist aus dem Buch "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" bekannt, das als Verfilmung unter dem Titel "Blade Runner" ein Welterfolg wurde. Dort wird eine sogenannte Voigt-Kampff-Maschine benutzt, um Androiden mit Hilfe provozierter emotionaler Reaktionen von echten Menschen zu unterscheiden.
Ein 13-Jähriger aus der Ukraine
Die nun erfolgreiche Software wurde 2001 von dem Russen Vladimir Veselow entwickelt. Das Programm, das den Turing-Test 2012 nur knapp verfehlte, wird heute von einem Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Veselow und dem Ukrainer Eugene Demchenko in Sankt Petersburg weiterentwickelt.
Eugene Goostman gibt sich den Prüfern gegenüber als 13-jähriger Junge aus der Ukraine aus. So könne die Software "behaupten, alles zu wissen, sein Alter würde es aber auch verständlich machen, wenn dem eben nicht immer so wäre", begründet Veselow die Wahl der fiktiven Figur. Zudem könne man seine Herkunft als Erklärung für sprachliche Schwächen bei einer Befragung auf Englisch nutzen.
Kevin Warwick, Gastprofessor an der University of Reading, warnt, die Möglichkeit, dass ein Computer einen Menschen glauben machen kann, er sei ein Mensch, sei ein "Weckruf für die Cyber-Kriminalität". Tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass sich Menschen von Online-Bekanntschaften Geld abknöpfen lassen, obwohl sie deren wahres Ich nicht kennen. Computerprogramme, die sich ihren Opfern gegenüber als vertrauenswürdige Personen ausgeben können, wären eine neue Bedrohung für das Netz, quasi eine Hightech-Variante des Nigeria-Spams.
Die Veranstaltung, bei der es Eugene Goostman nun gelang, 33 Prozent der Prüfer von seiner Menschlichkeit zu überzeigen, fand anlässlich des 60. Todestages von Turing statt. Turing gilt als führender Kopf bei der Entschlüsselung der deutschen Chriffiermaschine "Enigma" im Zweiten Weltkrieg. Zusammen mit Kollegen hatte der Mathematiker es am legendären Landsitz Bletchley Park geschafft, die geheime Kommunikation der deutschen Truppen zu knacken, und damit eine wichtige Hürde im Kampf der Alliierten gegen das Dritte Reich beseitigt.
Späte Begnadigung
Bekannt wurde Turing allerdings zunächst aufgrund einer Anklage wegen Homosexualität, die seinerzeit in Großbritannien unter Strafe stand. In Folge einer vom Gericht angeordneten Hormonbehandlung ("chemische Kastration") litt er später an Depressionen und brachte sich am 7. Juni 1954 um, wenige Tage vor seinem 42. Geburtstag. Seine Verdienste wurden erst viel später bekannt, weil Turings Arbeit in Bletchley Park noch lange als geheim eingestuft wurde.
Erst 2009 entschuldigte sich der britische Staat für sein Vorgehen. Eine Petition, die sich dafür einsetzte, dass die Verurteilung des Mathematikers postum aufgehoben wird, war jedoch jahrelang nicht erfolgreich. 2011 wurde die Forderung vom britischen Justizministerium mit der Begründung abgelehnt, Turing hätte schließlich gewusst, dass sein Tun zu seiner Zeit strafbar gewesen sei. Im Dezember 2013 begnadigte Queen Elizabeth II. Alan Turing schließlich doch.