Galaxy-Smartphones Sind Samsungs Mondfotos fake?

Aus dem Bild links machte Samsungs Kamera das Foto rechts
Foto:Imgur
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Mit einem Beitrag in einem Diskussionsforum auf Reddit hat ein Nutzer eine erbitterte Diskussion darüber ausgelöst, ob Samsung bei der Kamera des Galaxy S23 schummelt. Konkret geht es darum, ob die beeindruckenden Aufnahmen vom Mond, die das neue Topsmartphone des koreanischen Konzerns ermöglicht, echt sind oder bloß gut gemachte Fakes.
Das Vorgehen des Nutzers, der sich »ibreakphotos« nennt, war simpel: Er besorgte sich ein hochauflösendes Bild vom Mond, verringerte dessen Auflösung drastisch und bearbeitete es anschließend in einem Bildbearbeitungsprogramm mit einem Weichzeichner. Das Ergebnis war ein winzig kleines unscharfes Bild des Mondes. Aber eines, auf dem sich die Positionen der Mare, das sind die dunkel erscheinenden Tiefebenen des Erdtrabanten, noch gut erahnen lassen.
Dann löschte er alle Lampen in seinem Zimmer, ließ seinen Computermonitor das bearbeitete Bild anzeigen und fotografierte es mit einem S23 Ultra. Das erstaunliche Ergebnis: Aus der verwaschenen Vorlage zauberte Samsungs Kamera ein Bild, das viel schärfer ist, viel mehr Details zeigt – siehe oben. Ein Fake?
Verbreitetes Misstrauen
Der Verdacht ist nicht neu. So wurde schon bei Huaweis P30 Pro (hier unser Testbericht) gerätselt, wie es gelingt, mit den vergleichsweise kleinen Kameras eines Smartphones derart detailreiche Aufnahmen vom Mond zu machen. Auch damals hing der Vorwurf im Raum, der Hersteller würde schummeln. Huawei reagierte mit der Aussage, die KI-Software des Handys helfe nach, indem sie »Details innerhalb eines Bildes erkennt und optimiert «. Den Vorwurf, man würde eigene Aufnahmen des Mondes in die Aufnahmen einarbeiten, um die Qualität zu verbessern, wies das Unternehmen zurück und sagte, »das würde eine unrealistische Menge an Speicherplatz erfordern«.

Testaufnahme vom Galaxy S23 Ultra
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELRecht ähnlich liest sich eine Erklärung, die Samsung gab, als ich um Details zur Arbeitsweise des Mond-Modus bat. Auch das koreanische Unternehme erklärt, dass es KI nutze, »um scharfe und detailreiche Bilder vom Mond zu ermöglichen«. Dabei werde der Himmelskörper »unter anderem« mithilfe optischer und digitaler Bildstabilisierung »eingelockt, um ein verwacklungsfreies Bild schießen zu können«.
Das geht auch anders
Auch bei meinem Test des Galaxy S23 Ultra wurde ich stutzig, als ich den Mond-Zoom ausprobierte. Während die Kamera den Mond im Normalmodus nur als hellen Fleck darstellte, so wie es viele andere Smartphones auch tun, gab es ab etwa der Zoomstufe 75x ein sichtbares Umschalten, sobald die Software erkennt, dass man den Mond fotografieren will. Von einem Moment zum nächsten werden die Konturen scharf, die Mare sichtbar, der Himmel dunkler. Das folgende YouTube-Video zeigt diesen Vorgang:
Um dem Verdacht nachzugehen, ob Samsung schummelt, machte ich deshalb mit anderen Kameras Vergleichsfotos. So wurde immerhin klar, dass das Galaxy S23 Ultra den Mond wirklich so darstellt, wie er aktuell am Himmel steht und nicht irgendwelche Aufnahmen der Mondoberfläche über das Bild des Trabanten legt.
Auf Twitter zeigt der Fotograf Fahim Al Mahmud Ashik, dass und wie es auch mit vielen anderen Smartphones möglich ist, brauchbare Aufnahmen vom Mond zu machen. Die Grundlage dafür ist, dass man in den manuellen Aufnahmemodus umschaltet, um ISO-Zahl, Blende und Belichtung zielgenau einzustellen.
Misinformation always spreads like wildfire on the internet 🤦♂️
— Fahim Al Mahmud Ashik (@fahim_al_mahmud) March 12, 2023
So, Here's a very small tutorial on how to take a picture of the moon with your phone (yes any phone, not only Samsung) with manual control. Give it a shot and impress everyone with your moonshot 🤗 pic.twitter.com/T35nRqwTzf
Noch einen Schritt weiter geht der ein Reddit-Nutzer, der sich »Wu-Tang_Cam« nennt. Er hat das Experiment von »ibreakphotos« nachgestellt , zusätzlich aber mit einer manipulierten Aufnahme des Mondes, auf der er die Größe und Lage der Mare verändert hat. Sein Ergebnis: Auch die Aufnahmen, die nicht den echten, sondern den manipulierten Mond zeigen, werden nicht durch andere Aufnahmen ersetzt. Die Samsung-Kamera schaltet auch beim Fake-Mond ihre Verbesserungsmechanismen ein. Das Ergebnis: Die Manipulationen des Reddit-Users sind besonders gut zu sehen und werden nicht etwa durch Details aus authentischeren Mondfotos überdeckt.
Fake oder nicht?
Während eine Stellungnahme von Samsung zu den Vorwürfen noch aussteht, lässt sich vermuten, dass künstliche Intelligenz bei den Mondaufnahmen der Galaxy-Smartphones durchaus ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Anzunehmen ist, dass die Entwickler die Kamerasoftware mithilfe vieler, vielleicht Tausender, Fotos des Mondes darauf trainiert haben, den Mond nicht nur zu erkennen. Vielmehr scheint sie auch in der Lage zu sein, in die Aufnahmen Details einfließen zu lassen, die die Kamera gar nicht gesehen hat, von denen die Software aber weiß, dass sie dort sind. Deep Learning nennt man diese Technologie.

Galaxy S23 Ultra: bei Samsung mit Preisen ab 1399 Euro auf der Preisliste
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELÄhnliche Verfahren nutzen fast alle Smartphonehersteller, wenngleich nicht immer so drastisch wie Samsung bei seinen Moonshots. Auch dafür gibt es einen Fachbegriff: Computational Photography. Gemeint ist damit immer: Was die Kamera aufnimmt, wird von einer Software bearbeitet, bevor es ein Mensch zu sehen bekommt. Die Technologie soll vor allem fotografisch unbedarften Laien helfen, gute Bilder zu machen, indem sie Bildsituation und -inhalt erkennt und die Aufnahme automatisch verbessert. Manchmal kann man das daran erkennen, dass die Geräte zwischen Auslösen der Kamera und Anzeigen der Aufnahme eine Art Denksekunde einlegen.
Genau genommen könnte man auch viele dieser Schnappschüsse als Fake aburteilen, weil die Software beispielsweise bei Porträtaufnahmen Haare nachträglich detaillierter scharf zeichnen kann, als sie von den Kamerasensoren gesehen wurden. Wenn man sich vor solchen Manipulationen schützen will, bleibt nur eine Möglichkeit: Alle Automatikfunktionen abschalten und die Aufnahmen im RAW-Format speichern lassen. So landet in der Bilddatei nur, was die Kamera auch gesehen hat. Ohne Nachbearbeitung mit Programmen wie Lightroom sind solche Fotos aber meist nicht zu gebrauchen. Die Automatikfunktionen haben eben durchaus ihre Berechtigung.