Entwicklerkonferenz I/O Wie Google die Technik schlauer macht
Als die Keynote zur Google-Konferenz I/O am Mittwochabend zu Ende ging, waren viele enttäuscht. Es gab keine neuen Smartphones zu sehen und auch die VR-Brille, die viele erwartet hatten, wurde nur als Computergrafik gezeigt. Stattdessen wurden einige neue Apps vorgestellt, die irgendwie an Produkte erinnerten, die man schon lange kennt oder sogar benutzt. Da konnte man den Eindruck bekommen, Google würde nur noch andere nachahmen. Ein Trugschluss.
Denn das eigentlich Spannende kam erst ganz zum Schluss der Keynote. Während die ersten Zuschauer die Arena hungrig verließen, widmete sich Google-Chef Sundar Pichai noch kurz dem Thema lernender Maschinen. Er sprach über Alpha Go, die Software, die Go spielen gelernt und den Go-Profi Lee Sedol in einem Wettkampf 4:1 geschlagen hatte. Der kurze Vortrag wurde vom Publikum ohne allzu großes Interesse angehört.
Dabei steckt die Technologie, auf der die Go-Software aufbaut, hinter fast allen interessanten Ankündigungen vom Mittwochabend - das gilt etwa für den neuen Google-Assistenten, den Pichai zu Beginn der Keynote präsentiert hat. Es ist eine Künstliche Intelligenz (KI), in die der Konzern massiv investiert. Pichai verkündete in seinem Schlussvortrag, dass Google speziell für diese KI einen eigenen Mikrochip entwickelt hat.

Google I/O: Lauscher aus der Dose
Ein Chip für die KI
Unter strenger Geheimhaltung hat ein Forscherteam bei Google in den letzten Jahren einen neuen Typ Computer-Prozessor entwickelt, der auf der I/O-Konferenz enthüllt wurde. Als Tensor Processing Unit (TPU) bezeichnet das Unternehmen den neuen Chip, es hat ihn nach einer mathematischen Funktion benannt. Google-Manager Urs Hölzle sagt, TPUs können wie Festplatten in Server eingesetzt werden. So lässt sich die Rechenleistung einfach und schnell erweitern oder anpassen.
Vor allem aber liefern TPUs bei KI-Anwendungen eine Leistung, die um ein Vielfaches höher ist als bei herkömmlichen Prozessoren. Google spricht von einem Entwicklungsvorsprung von sieben Jahren gegenüber anderen Chip-Technologien. Das liege daran, dass die Chips bei KI-Berechnungen weniger Transistoren benötigen, und deshalb mehr Berechnungen pro Sekunde durchführen können.
Im Geheimen liefen die Chips seit einem Jahr
Diese Ankündigung dürfte der Konkurrenz kaum gefallen. Intel entwickelt und verkauft seit Jahren extrem leistungsfähige Prozessoren, die speziell für anspruchsvolle Server-Anwendungen konstruiert werden. Für Nvidia sind Grafikchips, die in Supercomputer eingebaut werden, längst ein wichtiges und lukratives Standbein geworden.
Ohne dass von außen jemand etwas davon mitbekommen hat, werden Googles TPU-Chips angeblich schon seit einem Jahr testweise in Google-Rechenzentren verwendet. Sie haben dazu beigetragen, die Genauigkeit von Street View zu erhöhen und waren auch die Plattform, auf der die Alpha-Go-Software lief, als sie sich ihren Go-Sieg erspielte.
Wo kann ich Hunde sehen?
Jetzt sollen die TPUs sozusagen das System antreiben, das die Grundlage vieler I/O-Neuheiten ist, den Google Assistenten. Der nämlich soll in der Lage sein, mit einem Menschen zu sprechen wie eine reale Person. Er soll Fragen verstehen, Probleme begreifen und Zusammenhänge erkennen, so wie ein guter Concierge in einem Hotel, nur gefüttert mit dem Wissensschatz, der in Googles gewaltigen Datenbanken steckt.

I/O 2016: So siehts auf Googles Spielwiese aus
Bei simplen Restaurantreservierungen wird es wohl noch lange nicht bleiben. Es gibt andere Beispiele, die das ganze Potenzial dieser KI demonstrieren. So kann man den Assistenten etwa bitten, alle Hundevideos, die man besitzt, aufzulisten. Die KI kann daraufhin selbst erkennen, in welchen Filmen Hunde eine Rolle spielen.
KI am Arm
Ähnliche Fähigkeiten haben, zumindest ansatzweise, viele der Google-Neuheiten. Der WLAN-Lautsprecher Google Home etwa wird erst durch die KI auch noch zur Steuerungszentrale für vernetzte Haushalte. Er interagiert per Sprache mit dem Nutzer, kann Zusammenhänge erkennen, sich aus verschiedenen Datenbanken bedienen und Geräte wie die Nest-Hausthermostate steuern.
In der Chat-App Allo kann sich der Anwender mit einer künstlichen Intelligenz austauschen, die beispielsweise Tipps für die Abendgestaltung geben, Sportergebnisse nennen oder die Vita eines Spielfilmregisseurs zusammenstellen kann. Sogar auf Uhren mit dem Smartwatch-Betriebssystem Android Wear 2.0 scheint die KI aktiv zu sein, wenn sie auf eingehende Nachrichten automatisch passende Antworten vorschlägt.
Google, der KI-Konzern?
Mit der in dieser Breite angelegten Nutzung seiner KI und mit der Entwicklung eigener Chips geht Google zwei entscheidende Schritte weiter als die Konkurrenz. Derzeit steckt wohl kein anderes Unternehmen so viel Energie in die Entwicklung der Infrastruktur für Künstliche Intelligenz. Kein anderes Unternehmen nutzt deren Möglichkeiten auf so unterschiedliche Weise in so vielen unterschiedlichen Bereichen.
Wenn Googles Rechnung aufgeht, wird man das Unternehmen bald nicht mehr als Suchmaschinenkonzern bezeichnen. Stattdessen werden wir vielleicht in einigen Jahren von Google sagen, dass sie es waren, die Künstliche Intelligenz zu einem Teil unseres Lebens gemacht haben.